01.11.2019
Hier stehe ich und kann nicht anders als dies zu sagen: Die „Vaterlandsliebe“ der Nationalisten ist das ärgste Verbrechen, das einer Heimat angetan werden kann.
31.10.2019
Vor wohl an 100 Zuhörern hielt ich gestern im Landesmuseum Koblenz – wahrscheinlich letztmals in Rheinland-Pfalz – meinen vergleichenden Vortrag über Karl Marx und Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Das scheint mir nun ein guter Zeitpunkt, das jüngste und ausführlichste Redemanuskript interessierten Lesern zugänglich zu machen (s.u.). Der Vortrag gestern dauerte gut 75 Minuten, entsprechend Zeit braucht auch die Lektüre.
29.10.2019
Bekanntlich war/ist Empathie eine wesentliche Komponente für die zivilisatorische Entwicklung des Homo sapiens. Zugleich ist dieses Einfühlungsvermögen in Denken und vor allem Empfinden anderer Menschen eine der wichtigsten Bedingungen für ein friedliches, gedeihliches Zusammenleben im Alltag. Ich selbst halte mich für einen recht ausgeprägt empathischen Kerl. Es gibt allerdings Phänomene, denen ich gänzlich ratlos gegenüberstehe, weil meine Empathiefähigkeit da schlichtweg versagt. Selbst mit großem Bemühen kann ich mich in Leute nicht EINFÜHLEN, deren Emotion etwa von Rassismus oder Antisemitismus geprägt wird. Warum klappt das nicht? Wahrscheinlich, weil es in meinem eigenen Gefühlshaushalt keine adäquate Vergleichsmöglichkeit gibt. Rassismus, Antisemitismus, auch Nationalismus sind mir seit Jugendtagen emotional völlig fremde Konzepte. Die kann ich zwar rational erklären, aber sie empathisch nachzuvollziehen, das ist mir offenbar nicht gegeben.
28.10.2019
Keineswegs will ich das Ergebnis der AfD bei der Thüringen-Wahl verharmlosen. Es ist wahrlich gruselig. Gleichwohl sei ein kühler Blick versucht: Die AfD hatte bei der dortigen 2014er Landtagswahl 10,6 % erreicht. Damit lag die Partei, ein Jahr nach Gründung, noch weit unter ihrem latenten Stimmpotenzial. Der sprunghafte Stimmzuwachs erfolgte mit der Bundestagswahl 2017, bei der in Thüringen auf die AfD 22,7 % entfielen. Demgegenüber konnten die Nationalreaktionäre bei der jetzigen Landtagswahl dort nur noch einen Zuwachs von 0,7% auf 23,4 % erzielen. Das entspricht tendenziell auch den Wahlentwicklungen in anderen Bundesländern sowie den Umfrageergebnissen im Bund: Wo die AfD noch Zuwächse verzeichnen kann, sind diese ziemlich klein – wenn auch auf viel zu hohem Grundniveau. Doch von einem zeitnah bevorstehenden Durchmarsch der Braunen via Wahlurne an die Macht kann auf Länderebene keine Rede sein, erst recht nicht auf Bundesebene.
27.10.2019
Um es gleich zu sagen: Freunde der Tanzkunst am Mittelrhein sollten sich die neue Ballettproduktion am Theater Koblenz nicht entgehen lassen. „Haus mit 14 Räumen“ wurde von Gastchoreografin Regina van Berkel mit der örtlichen Compagnie erarbeitet. Der vielleicht spannendste Aspekt des mit dichter Tanzaktion prall gefüllten 95-Minuten-Abends ist: Es stößt der in Koblenz nie gesehene Stil des früheren Frankfurter Avantgarde-Meisters William Forsythe auf die hier seit jeher dominante klassisch-neoklassische Art des Tanzes. Und, fast ein kleines Wunder, sie verschmelzen harmonisch miteinander.
Meine Premierenbesprechung (4500 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text)
22.10.2019
Das Ballett „Der Nussknacker“ von 1892 ist ewiger Dauerbrenner für die Vorweihnachtszeit geblieben. In der Regel auf Familientauglichkeit angelegt, verbieten sich heftige Eingriffe in die märchenhafte Handlung sowie allzu viel abstrakte Moderne im Tanz. Tim Plegge, Chef des Hessischen Staatsballetts, hält sich bei seiner Choreografie weitgehend an dieses Prinzip. Ergebnis ist ein gefälliger 135-Minuten-Abend, prächtig bis monumental ausgestattet, personell um Kinderballett und Jugendeleven verstärkt. Meine Premierenbesprechung (freier Lesetext)
21.10.2019
Einen sehr lebhaften, kontraststarken französischen Abend gibt es vom Musik-Institut Koblenz zu vermelden: Mit Paul Dukas, Maurice Ravel und César Franck standen für das Anrechtskonzert drei Komponisten aus dem Nachbarland auf dem Programm. Passend dazu war der Solopart einem Landsmann von ihnen anvertraut: Gastpianist Jean-Efflam Bavouzet brillierte beim Zusammenspiel mit der Rheinischen Philharmonie unter Garry Walker in Ravels Klavierkonzert G-Dur. Meine Konzertbesprechung (3900 Anschläge, RZ-Text kostenpflichtig)
20.10.2019
Natürlich habe ich im zurückliegenden Jahr aufmerksam verfolgt, was über Greta Thunberg gesagt/publiziert wurde und was sie selbst gesagt hat. Bei genauerem Hinschauen wird eine tiefe Kluft zwischen beidem erkennbar: Die junge Frau pocht stets auf „zur Sache!“, Medien und Öffentlichkeit indes machen meist die Person Thunberg zum Primärthema. Eine kurze Anmerkung dazu (hier)
19.10.2019
Sinnieren beim behaglichen Samstagsfrühstück: Mit den Gedanken, die dein Hirn in nur einer schlaflosen oder halbschlafenen Nachtstunde respektive im Traum auffährt, ließe sich wohl ein recht dickes Buch füllen. Leider, oder Gott sei dank, erinnert man sich anderntags nie an alles. Doch wenn man die gebliebenen Gedankenfetzen dann mal genauer betrachtet, lässt sich oft (nicht immer) ein interessantes Phänomen feststellen: Der Gedanken waren nicht nur unglaublich viele. Vielmehr ergab sich einer aus dem andern, und haben sie fast alle irgendwie miteinander zu tun, sind unterschiedliche Aspekte eines kompexen Ganzen. Die Logik der Zusammenhänge erschließt sich dem hellwachen Betrachter nicht immer, offenbar folgt das scheinbar unkonzentriert dahintreibende Hirn anderen Ordnungskategorien. Doch nachher bewusst überdacht, ergibt sich aus der scheinbaren Wirrnis manch erhellende Erkenntnis.
18.10.2019
Je nach Fragestellung und Institut votieren derzeit bei Umfragen hierzulande 52 bis 59 % der Befragten FÜR ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen (bei Jugendlichen sowie bei den Frauen ist der Anteil noch wesentlich höher). Im Bundestag ist das umgekehrt, da lehnte diese Woche eine Mehrheit der Abgeordneten das Tempolimit wieder mal ab. Doch das Thema bleibt auf dem Tisch – weil die öffentliche Meinung sich vom traditionsdeutschen Autofetisch immer weiter weg und in Richtung Gemeinwohlvernunft bewegt. Denn es gibt keinen wirklich guten Sachgrund dafür, dass Deutschland als einziges Land Europas und einziges Industrieland weltweit ohne Tempolimit bleibt. Dazu die Folge 176 meiner Monatskolumen Quergedanken (freier Lesetest)
16.10.2019
Uff, geschafft. 175 Folgen meiner glossierenden Kolumne „Quergedanken“ per Handarbeit von der alten in die neue Website überführt. 175 Monate, seit März 2005, gibt’s das launige, bisweilen freche, manchmal besinnliche Ding über Lebensart, Politik und Zeitgeist schon. Jede Folge umfasst nur 3400 Anschläge (die ersten beiden Jahrgänge etwas mehr) und ist also in zwei bis drei Minuten gelesen. Wer Lust und Zeit hat, kann mal schmökern. So über die Jahre betrachtet, ist recht interessant, wo der Zeitgeist sich entwickelt hat oder wo er sich gar nicht von der Stelle bewegt bzw. rückwärts marschiert. Alle Folgen der Quergedanken (hier)
14.10.2019
Es ist seit jeher ein spannendes Phänomen am Theater: Mit den Veränderungen in der Realwelt bekommen Bühnenklassiker plötzlich neue Subtexte. Selbst wenn Regisseure gar nicht demonstrativ darauf abheben, entstehen im Kopf des Zusehers sich auf die Gegenwart beziehende Bedeutungsebenen. In Ester Hattenbachs Inszenierung von Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“ jetzt am Theater Koblenz eskalieren Kontroversen schnell zu wütender, lautstarker, giftender Streiterei. Und man denkt unversehens: So ist das heutzutage. (…)
Meine Premierenkritik (4100 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text)
11.10.2019
„Um es klar zu sagen: Der türkische Angriff auf Nordsyrien ist eine widerrechtliche Invasion fremden Staatsgebietes. Doch gewichtiger ist: Erdogans Militär marschiert in Syrien ein, um das Selbstverwaltungsgebiet der Kurden zusammenzuschießen. Und um auch das klar zu sagen: Dass die internationale Politik außer ein paar empörten Sätzen Richtung Ankara nichts zustande bringt, das den Kurden helfen könnte, ist kaum minder beschämend als Trumps Abzug der 100 US-Soldaten, der Erdogan de facto freie Hand gab. (…)“
Mein gestriger Zeitungskommentar zum Thema (hier, freier Lesetext)
09.10.2019
Da ist mal wieder dieser Gedanke, der bei mir im Hintergrund sämtlicher Diskussionen über Probleme und Perspektiven der menschlichen Zivilisation stets mitrumort: Als ich 1955 geboren wurde, lebten auf Erden rund 2,5 Milliarden Menschen. Nur zwei Generationen später sind es nahezu 8 Milliarden, also gut das Dreifache. Fast noch mehr als die Kopfzahl fällt der Umstand ins Gewicht, dass seither der Ressourcenverbrauch pro Kopf sich im globalen Durchschnitt mindestens verfünffacht hat (und weiter zunimmt). Gemessen an diesem Verbrauch ist es so, als sei die Menschheit seit 1955 von 2,5 Milliarden Individuen auf 12,5 Milliarden plus X explodiert.
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Dank invalidem Haxen bin ich noch immer dabei, frühere Texte von der alten auf meine neue Website zu transferieren. Weil ich vom nächsten Wochenende an aber vorsichtig wieder auf Kritikertour zu gehen gedenke, kommt ein eben gefundener alter Artikel von 2007 gerade recht. In launiger Quergedanken-Form klappert er das Selbstverständnis der Kritikerzunft durch. (freier Lesetext, ca. 3 Min. Lesezeit) Der Kritiker, das unbekannte Wesen
08.10.2019
Die Kurden haben die Hauptlast im Bodenkrieg gegen den IS getragen, sie haben unter sehr hohem Blutzoll für die Staatengemeinschaft die Kastanien aus dem Feuer geholt. Sie haben die Jesiten vor dem Genozid durch den IS bewahrt. Sie haben tausende IS-Terroristen gefangen gesetzt und bitten seither die Staatengemeinschaft, auch Deutschland, – vergeblich – um Hilfe bei der Lösung des Gefangenenproblems, mit dem sie auf Dauer überfordert sind. Stattdessen überlässt man die Kurden nun Erdogan und seinem Militär. Denen hat seit jeher der Kampf gegen den IS weniger bedeutet als die möglichst baldige Vernichtung der kurdischen Selbstverwaltungsgebiete in Nordsyrien und im Nordirak. Es ist eine Schande.
07.10.2019
Kreisch, freu, genier! In den Tiefen meines Quergedanken-Archivs bin ich eben über das einzige Gedicht aus meiner Feder gefallen, das je gedruckt wurde. Viel mehr Lyrisches gibt es auch nicht aus Erwachsenenjahren. Die liebesgeilen und weltrevolutionären Verse der Jugendzeit sind – leider oder Gott sei Dank – in irgendeiner der damaligen Wohngemeinschaften verloren gegangen. Der neoromantische 9-Stropher von 2010 dürfte sich Mittelrheinern wohl eher erschließen als Auswärtigen. Wer Lust hat und Spaß an der Freud, s. hier
06.10.2019
Die Koblenzer Kulturgeschichtsschreibung betrachtet die Geschichte des örtlichen Orchesters gerne als Kontinuum, das von der Gründung der kurfürstlichen Hofkappelle 1654 bis zum heutigen Staatsorchester Rheinische Philharmonie reicht. Dies Bild idealisiert jedoch etwas. Weshalb ich jetzt in einem Artikel für das Halbjahresmagazin „con moto“ der Rheinischen Philharmonie den Blick auch auf die Brüche in der Orchestergeschichte lenke. So auf den Umstand, dass man die Wurzeln des Koblenzer Staatsorchesters – ebenso des Bonner Beethoven Orchesters – durchaus in Bad Kreuznach respektive Bad Neuenahr verorten könnte, statt am kurfürstlichen Hof zu Koblenz.
Mein kompakter Artikel zur Koblenzer Orchestergeschichte, Teil 1 bis 1985 (freier Lesetext, 12000 Anschläge)
04.10.2019
Heute auf Seite 2 der Rhein-Zeitung: Mein Artikel über das schon sehr alte Phänomen extremer Polarisierung hinschtlich einzelner Symbol- oder Galionsfiguren unter der Überschrift „Der Greta-Effekt ist nichts Neues“ (4600 Anschläge, RZ-Text, 49 Cent)