„Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Dem oft zitierten Satz des preußischen Militärtheoretikers Clausewitz wohnt eine meist verkannte oder unterschlagene Bedeutungsebene inne: Zum Krieg kommt es, wenn die Politik schlecht ist und scheitert. Um Krieg zu vermeiden, bedarf es in erster Linie guter Politik. So schlicht und wahr diese Erkenntnis, so wenig scheint sie seit Jahrhunderten primärer Maßstab des politischen Denkens und Handelns zu sein. Dass bis in die Gegenwart die militärische Drohung und der tatsächliche Waffeneinsatz als selbstverständliches Instrument in den internationalen Beziehungen gilt, ist ein Armutszeugnis für die Zivilisationsentwicklung.
Auch der jüngste Vorstoß von Deutschlands Verteidigungsminsterin Annegret Kramp-Karrenbauer folgt nur einer überkommenen Machtlogik: Wer in der Welt mitmischen und seine Interessen wahren oder durchsetzen will, der muss schwer bewaffnet und kriegsbereit sein. Diese Denkungsart, wonach letztlich dann doch wieder Militärmacht bestimmend ist, stammt aus den Zeitaltern der Feudalreiche und aufstrebenden Nationalstaaten, des Kolonialismus und Imperialismus. Im frühen 21. Jahrhundert ist sie eigentlich ein Antagonismus – da das Wohl und Wehe aller Länder am Funktionieren der globalen Verwebung hängt, nicht zuletzt also am stabilisierenden Kompromiss.
Deutschland ist eine Mittelmacht, ein relativ kleines Land, das vor allem wegen seiner ökonomischen Stärke international allerdings großes Gewicht hat. Militärisch indes ist es quasi ein Zwerg. Nicht erst AKK empfindet diesen Umstand als Missverhältnis. Bestrebungen, die schlagkräftige Bedeutung des Bundeswehr dem globalökonomischen Gewicht Deutschlands anzupassen, sind fast so alt wie die Bundesrepublik selbst. Und seit der Wiedervereinigung werden sie noch intensiver verfolgt. Der Unwille in der Bevölkerung gegen die Umwandlung der Armee „rein zur Landesverteidung“ in eine weltweit agierende Einsatztruppe war freilich ebenfalls über Jahrzehnte sehr stark und ist es zum Teil noch.
Nun gibt es kein Naturgesetz, sondern nur altes Denken, wonach ein ökonomisch gewichtiges Land unbedingt auch eine potente Militärmacht sein müsse. Vielleicht wird im Falle Deutschlands eher umgekehrt ein Schuh draus. Denn was braucht die globalisierte Welt am dringendsten? Vermittler, Verhandler, Mäßiger, Kompromissfinder, zivile Helfer. Warum sollte die deutsche Außenpolitik nicht diese Aufgabe übernehmen? Warum sollten deutsche Diplomaten, Außen-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitiker nicht eine neue Rolle als globale Einsatztruppe zur Vermittlung zwischen Konfliktparteien allerorten suchen und finden. Das wäre eine wirklich bedeutende, zeitgemäße und ehrenvolle Aufgabe – gerade für Deutschland. Und je glaubhafter die Bundeswehr sich auf ihren Ursprungsauftrag zur Landesverteidigung zurückzöge, umso so größer würde rund um die Welt das Vertrauen in die Vermittlungsbemühungen einer neuen deutschen Außenpolitik.
Andreas Pecht
(Erstabdruck in der Printausgabe der Rhein-Zeitung am 9.11.2019)