ape. „Wir sehen doch seit vielen Monaten, dass all diese Lockdowns und Shutdowns nichts nützen gegen die Pandemie.“ Dies ist ein verbreitetes und immer wieder bemühtes „Argument“ in der Corona-Diskussion. Aber es ist in der Sache falsch. Denn in sämtlichen Ländern weltweit, die auch nur einen halbwegs ernsthaften Seuchenschutz betreiben, haben Locksdowns/Shutdowns noch jedesmal zu einer spürbaren Reduktion des Infektionsgeschehens, damit zeitverzögert auch der Sterberaten geführt. Und zwar dem Umfang nach gemäß der Faustregel: Je strammer/schärfer die Lockdowns/Shutdowns waren, je konsequenter und umfassender sie auch eingehalten, umgesetzt resp. durchgesetzt worden sind, umso schneller und wirkungsvoller der Rückgang des Infektionsgeschehens und in der Folge des Sterbens.
Dieser Zusammenhang ist von Asien über Neuseeland bis Europa immer wieder deutlich geworden, in Deutschland etwa am Lockdown des Frühjahres 2020 und – wegen seines „gemäßigten“ Zuschnitts nur zäh – auch des jetzigen. „Ja, aber die Pandemie ist dennoch nicht verschwunden; also waren/sind die ganzen brutalen Lockdowns für die Katz“, lautet nun der Einwand. Der allerdings verkennt völlig: Epidemiologisch sind NICHT die Lockdowns das Problem, denn die wirken erwiesenermaßen, je nach Schärfe und Konsequenz mehr oder weniger. Das eigentliche Problem waren/sind jedesmal die anschließenden „Öffnungen“. Zu frühzeitig, zu weitreichend und keinem konsquent vorsichtigen Rückbauplan folgend, sondern oft eher der Devise: Seuche war gestern, die Kuh ist vom Eis – also lasst den Bär wieder tanzen.
Wie gefährlich, ja unsinnig solches Verhalten gegenüber einer hochansteckenden Virus-Seuche ist, haben zahllose Rückfälle (Wellen) in zahlreichen Ländern gezeigt. Auf erschreckende Weise zuletzt in der Republik Irland und in Portugal. Die Iren hatten im Herbst landesweit teils sehr hohe Inzidenzen an und über 200. Die hatten sie dann mit einem (im Vergleich zu Deutschland) sehr scharfen Shutdown innerhalb eines Monats auf deutlich unter 50 gedrückt. Bis zu Weihnachten die Einschränkungen privater Kontakte weitgehend gelockert wurden, die Pubs und manch anderes wieder öffnete. Folge: Das Infektionsgeschehen explodierte förmlich, binnen weniger Tage verzeichnete Irland landesweite Inzidenzen von 800, 900 und mehr, in manchen Landesteilen gar 3000 bis 5000. Und das, obwohl die britische Virus-Mutante noch gar nicht in größerem Umfang auf der Grünen Insel angekommen war.
Etwas anders verlief die Entwicklung in Portugal. Das Land war schon sehr glimpflich durch die erste Welle gekommen, hatte einen relativ entspannten Sommer und Herbst bei landesweiten Inzidenzen unter 50. Politik und Bevölkerung hatten sich an einen sehr lockeren Umgang mit der Pandemie gewöhnt – bis, ebenfalls um/nach Weihnachten – die Infektionszahlen plötzlich und sehr schnell zu steigen begannen. Heute wird das Land von Inzidenzen um 800/900 geplagt, agiert das Gesundheitswesen am Rande des Kollaps, stehen Krankenwagen vor den Kliniken Schlange und ist die Triage vielerorts zum Standardverfahren vor Klinikaufnahme geworden. Nach ersten Erhebungen ist die britische Virus-Mutante nicht die einzige Ursache für die jüngste portugiesische Entwicklung, aber doch mit etwa 30% daran beteiligt.
Schlussfolgerung: Lockdowns/Shutdowns sind, das zeigt die Realität des zurückliegenden Jahres weltweit vielfach, überaus wirksame Instrumente zur Eindämmung des Infektionsgeschehens, des schweren Erkrankens (mit vielfach mannigfachen Folgewirkungen) und des Sterbens. Ihre Ergebnisse sind allerdings völlig missverstanden, wenn man sie deutet als „Ende der Gefahrenlage“ und Signal zur möglichst raschen und möglichst weitreichenden Rückkehr in den gesellschaftlichen Normalbetrieb. Das Runterdrücken der Inzidenzen auf Werte weit unter 50 schafft erstmal „nur“ die Bedingungen dafür, ab da mit umfangreichen, differenzierten, ebenso klug eingerichteten wie konsequent durchgehaltenden/durchgesetzten Maßnahmen und sehr, sehr vorsichtigem Stufenkonzept das gesellschaftliche Leben zu (re)organisieren. Vorläufiges Ziel dabei: Die Zeit bis zur Durchimpfung der Bevölkerung überbrücken.
Andreas Pecht