ape. Eine gute alte Freundin kredenzte mir zum 66. Wiegenfest eine „Kleinigkeit“, an der ich noch lange große Freude haben werde: „Vergessene Wortschätze“ aus dem Duden-Verlag, einen Tagesabreißkalender für 2022. Jedes der 365 Blätter im Format DinA6 ist einem einzigen Wort gewidmet – stellt es vor, benennt seine Bedeutung, erklärt die Herkunft. Wie der Titel sagt, soll es sich um lauter vergessene Wörter handeln, die freilich dereinst oder noch in jüngerer Vergangenheit weithin in Gebrauch waren. Wobei „vergessen“ nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern in erweitertem Sinne auch als „nicht mehr benutzt“, „aus der Mode gekommen“, veraltet/antiquiert.
Ja, da sind eine Menge „Schätze“ dabei, Worte von ungemeiner Ausdruckskraft, Hinter- und Feinsinnigkeit, Differenziertheit und/oder Klangstärke. Selbst für mich als Sprachliebhaber finden sich da nicht wenige Neu- oder Wiederentdeckungen, denn manch Blümelein und Prachtblüte ist mir zwar noch geläufig, indes auch meinem Sprachgebrauch über die Jahre entglitten. Und das, obgleich ich um alte Ausdrücke eigentlich kein langes Federlesen mache, sondern sie in beträchtlicher Zahl als schier selbstverständliches Rüstzeug im geistigen Ranzen bei mir trage, sie allweil benutze – und darob bisweilen für einen Schlawiner, jedenfalls für meschugge gehalten werde. Angelegentlich sparen einige nicht mal mit Murren und Mosern, denken wohl gar an Maulschellen und Backpfeifen.
Was mich wenig anficht. Denn, pardouz, lieber bin ich ein Haderlump und habe allerhand Techtelmechtel mit wollüstig reifer Sprachfülle, als dass ich ein Mauerblümchen wär’, das bloß den Moden fuchsschwänzt und schnabuliert, wie die mehr oder minder aufgebrezelten Putzwaren-Verkäufer im medialen Overkill-Raum es vorexerzieren. Mögen manche Zeitgenossen meinen Usus auch für Tinnef oder dessentwegen maulaffenfeil halten, so bleibt mir doch der Spaß an der Freud’ nebst der Gewissheit, ein bescheidenes Scherflein zur Pflege der oft wunderlichen wie wunderbaren Vielgestalt der Sprache beizutragen. Und das, ohne mich gleich für die Rolle des tüdeligen, altbackenen, schnurrigen Pedells im Sprachmuseum verdingen zu müssen, der volkstümliches Auditorium wie lyzeumgestählte Hautevolee nur noch dauert.
Andreas Pecht