Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Darüber spricht fast niemand. Seltsam.

Manchmal, wenn Freund Walter und ich gemütlich beisammen sitzen, über Gott, Welt, die Menschheit (nicht zuletzt ihre weibliche Hälfte) plaudernd, machen wir ein Spiel. Das geht so: Wir klappern einige der aktuell am meisten diskutierten Themen ab und forschen nach Aspekten, die dabei eigentlich naheliegend wären, über die aber fast niemand spricht oder schreibt. Drei Beispiele seien in gebotener Kürze angeführt.

Erstens. Im Zuge der Energiewende – die nun hoffentlich flott massiv und ohne weiteres halbherziges Rumgeeiere in die Gänge kommt – werden auch für Solaranlagen gewaltige zusätzliche Flächen benötigt. In aller Munde ist bereits die Aufrüstung der Hausdächer. Zu recht, denn das sind Millionen ungenutzte Quadratmeter, deren Bestückung mit Solarzellen nichts und niemanden stören würde. Daneben gibt es noch ein anderes, schier unermessliches Flächenreservoir, an das aber kaum jemand denkt: vorhandene Parkplätze unter freiem Himmel. Die summieren sich deutschlandweit auf tausende betonierte, asphaltierte, gepflasterte Quadratkilometer – in jedem der wuchernden Gewerbegebiete, vor jedem Stadion, größeren Betrieb, Supermarkt, vor fast jedem Amt und vielen Schulen, neben jedem Freizeitpark oder populären Ausflugsziel… Allüberall riesige Flächen, die durch simple solartechnische Überbauung genutzt werden könnten. Walter kriegt deshalb jedesmal einen Tobsuchtsanfall, wenn er wieder irgendwo sieht, dass vormaliges Wiesen-, Acker- oder natürliches Busch- und Brachland in Solarparks umgewandelt wurde.

Zweitens. Liebe Leut’, seid ihr jemals gefragt worden, ob ihr demnächst vom eigenhändig gefahrenen Verbrenner- oder Elektroauto aufs selbstfahrende, autonome Computerauto umsteigen möchtet? Nö. Und würde man euch fragen, wäre die Antwort wohl meistenteils: „Wenn schon Autofahren, dann will ich selbst über Lenkrad und Hebel bestimmen, nicht dumpfes Frachtstück und Anhängsel einer vollautomatischen Maschine sein.“ Dennoch verausgabt inzwischen ein Heer von Ingenieuren und IT-Spezialisten Können und Milliarden Euro an die Entwicklung des autonomen Automobils. Wie kann es sein, dass eine derart fragwürdige und unbeliebte Technologie so peu à peu als DIE innovative Verkehrsentwicklung in die Köpfe rückt?  

Drittens: Nach der Flutkatastrophe vom Juli sollen nun überall die Sirenen wieder aufgebaut werden. Gut so. Mal vorausgesetzt, die Wiederaufbauer lassen sich nicht bloß von den „famosen Möglichkeiten“ neuartiger digitaler Steuerungstechniken für die Heulapparate blenden, sondern denken daran, dass die Dinger gerade auch dann funktionieren müssen, wenn Stromnetz und Internet ausfallen: Ich wüsste nicht, welches Sirenengetute bloß die Feuerwehr zur Übung ruft, welches vor russischen/chinesischen Flottenangriffen am Mittelrhein warnt und welches vor Katastrophen am Ort. Auch wüsste ich nicht, wie ich mich in letzterem Fall (welcher Fall: Sturzflut, Orkan, Feuerbrunst…?) verhalten soll, zu welcher Sammelstelle (gibt es welche?) mich bei einer Schnellevakuierung auf welchem Wege begeben.

Jede Alarmierungsform ist nur so nützlich, wie die Bevölkerung weiß, was sie damit im Notfall praktisch anfängt. Kurzum: In Zeiten zunehmender Katastrophen sind Alarmierungserziehung von der Grundschule an und Katastrophenschutzübungen unter Beteiligung aller Ortsbewohner eigentlich der nächstliegende Gedanke. Aber darüber mag außer Walter und mir offenbar keiner reden. Seltsam.  

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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