ape. Bisweilen offenbare ich in kleineren oder größeren Plauderrunden, bei Diskussionsveranstaltungen oder im Netz, dass bei mir daheim in der Küche ein Holzherd steht, der die gesamte Heizperiode hindurch befeuert wird. So ein Ding, wie es schon bei Großeltern und Urgroßeltern in Gebrauch war, mit großer Herdplatte inklusive Topfringen und Wasserschiffchen obenauf, Brennkammer und Backofen darunter, und zwischen den Standfüßen die Rollschublade für eine Portion Brennholz. Das alles natürlich in einer modernisierten Version mit Glasfenstern in den Türen, fortentwickelter Brenntechnik gemäß aktueller Gesetzeslage. Die Reaktionen darauf sind fast immer die gleichen, reichen von interessierten Nachfragen zur Umweltverträglichkeit dieses Usus über freundliche Kritik daran bis zu boshafter Häme wider den vermeintlich bigotten Umweltschutzkerl, der Wasser predige, selbst aber Wein saufe. Die Einwände lauten vornehmlich: Heizen mit Holz sei klimaschädlich, sei Umwelt-/Luftverschmutzung, sei bloß luxuriöse Energieverschwendung, sei Waldfrevel.
Die Einwände kommen vor allem von zwei Arten Zeitgenossen: Einerseits solchen mit sehr hohem Umweltbewusstsein, die Zug um Zug straff ihr persönliches Lebensfeld auf fortgeschrittene Umweltschutz-/Energiespartechnologien umstellen – und deren ökologischer Fußabdruck vielleicht kleiner ist als der meinige, falls sie nicht gleichzeitig Vielflieger, Vielfleischesser, Modejunkies, Groß-PKW-Liebhaber … sind. Andererseits solchen, deren ökologischer Fußabdruck den meinen, wie im Bevölkerungsdurchschnitt, ums Doppelte oder mehr übersteigt. Oft von Leuten, die Tempo und Ausmaß von Energiewende/Klimaschutzwende auf das „realistisch Machbare“ zugeschnitten wissen wollen, die „objektiven Grenzen des Machbaren“ allerdings in langjährigen Gewohnheiten der Bevölkerung (und ihrer selbst) sowie ökonomischer Wachstumsbehinderung sehen.
Kommen wir zu meinem Küchenherd und unserer Art seiner Nutzung. Nur darüber spreche ich, nicht über Kaminöfen und offene Kamine. Auch spreche ich nicht über die Unart mancher Mitmenschen, diese und andere Feststofffeuerstellen bis hin zu Grill und Lagerfeuerschale im Garten ohne Sinn und Verstand mit miesem Brennstoff (zB feuchtem oder gestrichenem Holz) zu betreiben oder sie – verbotener Weise – gar als Müllverbrennungsanlagen zu missbrauchen. Und um auch das gleich klarzustellen: Ich plädiere keineswegs für den massenhaften Umstieg auf Holzherde. Denn sie sind zwar im Vergleich mit Kohle-, Öl-, Gasöfen/-heizungen hinsichtlich der CO2-Gesamtbilanz das kleinste Übel. Indes summieren sich ihre Rußabsonderungen bei einer hohen Anzahl in dichter besiedelten Gebieten und urbanen Ballungsräumen zu einem ziemlich großen Übel.
Sowieso: Mit einer auf Sonne, Wind, Wasser, Biogas basierenden Energieversorgung des Hauses, könnte selbst der beste und bestens befeuerte Holzverbrenner ökologisch nicht mithalten. Weshalb auch mein geliebter Küchenherd als Alltagsfeuerstelle auf längere Sicht ein Auslaufmodell sein wird – wie sämtliche Verbrennungskraftwerke, wie alle Kohle-/Öl-/Gasheizungen, wie das Automobil als primäres Massenverkehrsmittel, wie fortschreitende Flächenversiegelung, unmäßiger Fleischkonsum, Chemieagrarindustrie etc.; kurzum wie alle auf Raubbau an der Natur gründenden Produktionsarten, Konsum- und Kulturpraktiken. Und das, obwohl mein Küchenherd unter all denn genannten und etlichen mehr nicht genannten Umwelt- und Klimasündern einer der qualitativ harmlosesten ist.
Denn:
1.
Holz ist tatsächlich ein regenerativer Energielieferant; es wächst nach, wenn man es lässt. Im Prinzip ist Holz auch ein CO2-neutraler Brennstoff: Soviel CO2 beim Verbrennen freigesetzt wird, so viel entzieht die gleiche Menge Holz beim Wiederaufwuchs im Wald der Atmosphäre. Zwei Probleme werden durch die menschliche Zivilisation diesem natürlichen Prinzip entgegengestellt: a) Die brachiale Überladung der irdischen Atmosphäre mit CO2 aus der Massenverbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Gas) seit Beginn des Industriezeitalters lässt dem Holz nicht mehr die nötige Zeit von 40, 60, 100 oder mehr Jahren, seine CO2-bindenden Eigenschaften voll zu entfalten. Der Klimawandel überholt das Wiederaufwachsen des heute verbrannten Holzes – weshalb eine von Natur aus eigentlich klimaneutrale Form der Energiegewinnung zum Opfer der fossilen Raubbauwirtschaft wird, von dieser quasi ungewollt sogar zur Mittäterschaft gezwungen. b) Noch schlimmer gemacht wird das durch den Umstand, dass inzwischen weithin mehr Holz geschlagen oder vernichtet wird als nachwächst. Brandrodung für Plantagen und Viehweiden, sowie in ähnlichem Umfang Waldreduzierung zugunsten bebauter Flächen wie Straßen, Parkplätze, Flughäfen, Gewerbegebiete, Wohnsiedlungen, Vergnügungsparks etc.
An all dem ist mein Küchenherd zwar völlig unschuldig. Doch irgendwann wird er die Suppe wohl doch mitauslöffeln müssen, die das fossile Industriezeitalter ihm eingebrockt hat.
2.
Was bedauerlich wäre, denn mein Küchenherd ist ein Wunderwerk an Synergieeffekten (sofern man sie zu aktivieren und nutzen versteht). In unserem Häuschen ganz am Rande eines kleinen Westerwalddorfes spart der Dauerbetrieb des Herdes über die gesamte Heizperiode gut die Hälfte des Ganzjahresverbrauchs an Brennstoff für die Zentralheizung (anfangs Öl, nachher Gas). Wie das? Die bauliche Struktur unseres Heims (Küche liegt drei Treppenstufen unter dem übrigen Erdgeschossniveau) macht es recht einfach, via offene Tür mit dem Küchenherd gleich das ganze Erdgeschoss, also das halbe Haus mitzuheizen. Es muss draußen schon sehr kalt werden, bis wir einen der drei unteren Heizkörper zusätzlich etwas aufdrehen.
Weitere Synergie, die Brennstoff für die Zentralheizung spart: Ohne ein einziges Jota zusätzlicher Befeuerung, stellt der Küchenherd während seines Betriebes quasi nebenher heißes Wasser zur Verfügung. Man darf nur nicht vergessen, Schiffchen und Wasserkessel regelmäßig zu füllen. Heißwasser zum Putzen, Spülen, Kochen oder wofür sonst man welches braucht und es gewöhnlich per Leitung aus dem Kessel der Zentralheizung holt: Wir nehmen es vom Herd. Auf dem Heißwasserfeld liegt übrigens noch einiges Sparpotenzial brach: Könnte sich die Hausgemeinschaft auf fixe Zeiten zum Duschen/Baden einigen und würde es an der Zentralheizung ein Schaltung geben (ich sie finden oder nachrüsten lassen), Heizwasser und Heißbrauchwasser getrennt voneinander zu steuern – die Anlage müsste nicht rund sieben Monate im Jahr den lieben langen Tag heißes Brauchwasser produzieren, das die meiste Zeit über kein Mensch braucht.
3.
Unser Küchenherd trägt in durchaus signifikantem Ausmaß zur Reduzierung des Stromverbrauchs im Hause bei. Wie nun das wieder? Ganz einfach: Während der Heizperiode kochen wir darauf 70 bis 90% unserer Speisen und Heißgetränke. Der Elektroherd geht in Winterschlaf, wird nur ab und an kurz geweckt, wenn etwas sehr heiß angebraten werden muss oder unsereins mal vergessen hat, den zeitlich etwas längere Dauer des Kochprozesses auf dem Holzherd einzuplanen. Im Grunde kochen wir mit Null Energie, gewissermaßen als Nebenprodukt der Heizfunktion des Küchenherdes (oder umgekehrt). Ob die Wärme direkt von der Herdplatte in den Raum geht, oder den Umweg durch die Kochtöpfe nimmt: Sie bleibt im Raum. Das Kochen auf dem Holzherd ist etwas gewöhnungsbesdürftig, doch so manche Speise gerät dann besser als mit den An-Aus-Rhythmen des E-Herdes.
Zwischenresümee
Abgesehen von der eigentlich prinzipiellen CO2-Neutralität des Holzherdes: Hinsichtlich der Energieeffizienz ist ihm also sein Einsparungsbeitrag beim Heizen des Hauses sowie beim Stromverbrauch zuzurechnen. Hinsichtlich seiner CO2-Bilanz sind eben die mit diesen Einsparungen verbundenen Emissionsreduzierungen anderwärts (Gas, Strom) dem Holzherd zugute zu halten.
4.
Brennstoff für meinen Holzherd. Es handelt sich dabei durchweg um Holz aus den forstwirtschaftlich genutzten Wäldern im etwa Fünf-Kilometer-Umkreis des Dorfes. ¾ Buche plus kleinere Anteile Eiche, Birke, Lerche, Hasel und anderes. Überwiegend ist es Kronenholz, das nach Abfuhr der blanken Stämme zur Holzwirtschaft übrig bleibt; dazu kommt Sturmbruch sowie Auslichtungseinschlag, bei dem die Stämme meist noch zu dünn sind für eine rentable Nutzung durch die Sägewerke. Auf der Basis bisheriger konventioneller Waldbewirtschaftung ist zumindest mein Brennholz eine Art Resteverwertung: Kein Baum fällt, nur damit ich meinen Holzherd füttern kann. Ja, und nochmals ja, es wäre mir lieber von nachhaltigem Naturschutzwald umgeben zu sein. Wenn es denn so kommen sollte, wäre ich der erste, der seinen Holzherd in Pension schickt.
5.
Bis dahin aber nutze ich seine Effizienz und Synergien, genieße auch die sonstigen, oft schweißtreibenden Aspekte, die seine Nutzung mit sich bringt:
– Die Wärme eines solchen Herdes ist von ganz eigener Behaglichkeit, der Blick vom Küchentisch durch die Glasscheibe der Ofentür aufs Feuer ein Gemütsberuhiger.
– Die Einbindung, Nutzung des Holzherdes ins alltägliche Hausleben trägt fast unvermeidlich zu dessen Entschleunigung wie auch zu einer gewissen Rhythmisierung bei (zB Nachlegen, Holz holen, Aschkasten leeren).
– Die Beschaffung, Trockenlagerung (mind. zwei Jahre), schließlich ofenfertige Zurichtung des Brennholzes durch transportieren, sägen, hacken, stapeln ist mir seit Jahrzehnten Fitnessbeitrag für Leib und Seele sowie wichtige Brücke zu Lebensaspekten, die ich genau wie die gärtnerische Selbstversorgungsarbeit so liebe: Beruhigende Verwurzelung im bodenständig Einfachen sinnvollen körperlichen Tuns – abseits einer ziemlich irrsinnigen Großwelt.
6.
Das zweifelsohne größte Problem auch bei meinen Holzherd soll nicht unerwähnt bleiben: Rußpartikelausstoß über den Schornstein, also Feinstaubproblematik. Dagegen kann man zwar mit einem guten Herd, gutem Brennholz und optimaler persönlicher Feuerungshandhabe schon eine Menge ausrichten, doch ohne effektive Filter eben leider nicht genug. Solche Filter gibt es zwar für Großfeuerungsanlagen, für einzelne kleine private Ofenstellen existiert nach meinen durchaus bemühten Recherchen (sowie des Schornsteinfegers Auskunft) aber noch immer keine brauchbare Filtertechnik. Ich warte seit Jahren sehnsüchtig darauf, wäre auch bereit, dafür den Spargroschen ordentlich auszuzapfen.
Andreas Pecht