ape. Persönliche Anmerkung zur Sache „allgemeine Impfpflicht“:
Ich habe meine Meinung dazu geändert. Bis Anfang Oktober war ich eher gegen eine allgemeine Impfpflicht, befürwortete sie (als eigentlich selbstverständlich) bloß für Personal im medizinischen und pflegerischen Bereich. Dann war meine Haltung ein paar Wochen unschlüssig, indifferent. Inzwischen aber bin ich zur Überzeugung gelangt, dass die allgemeine Impfpflicht in Deutschand leider unumgänglich geworden ist.
Die anfängliche Position beruhte auf zwei Fehleinschätzungen meinerseits. 1. Ich hatte zwar verstanden, dass die Delta-Variante von Sars Cov 2 „wesentlich ansteckender ist“ als die vorherigen Viren, die tatsächliche, gesellschaftspraktische Dimension seiner Ansteckungskraft aber nicht richtig begriffen. 2. Ich hatte erwartet, dass schließlich nur ein kleiner Kern von einigen hunderttausend verbohrt-radikalen Impfgegnern und unbelehrbaren Impfverweigerern übrig bleiben würde. Zu wenige, um bei einer Impfquote von 85 + X Prozent, dem Gemeinwohl noch merklichen Schaden zufügen zu können.
„Sollen sie doch bleiben, wo der Pfeffer wächst und der Teufel sie holen; sie haben es so gewollt“, hatte ich gedacht. Nun beläuft sich der harte Kern der kategorischen Impfgegner und -verweigerer (nach Umfragen) allerdings auf etwa 7 % der Erwachsenen in Deutschland. Das ist zwar eine kleine Minderheit, die sich indes zu 5 Millionen mutwilligen Virenschleudern und zugleich Primärgefährdeten summiert. Das ist ein viel zu großes Einfallstor für die Seuche.
Hinzu kommen 5 bis 8 Millionen Unentschlossene, Gedankenlose, Bequeme, Träge, Nicht- oder Falschinformierte, am gesellschaftlichen Geschehen generell Uninteressierte und Menschen, die das Bedrohungspotenzial intellektuell nicht erfassen können und/oder solche, die mit der Eigeninitiative zur Beschaffung einer Impfgelegenheit schlichtweg überfordert sind. „Sowas gibt’s ja garnicht.“ Doch, doch, gerade in den Milieus am unteren Ende unserer Gesellschaftstruktur gibt es das in einer Vielzahl und Ausprägung, die man sich in der sozialen und bildungsmäßigen Mitte kaum vorstellen kann. Gerade dort „unten“ wäre es nicht wenigen recht, wenn jemand ihnen klar sagte, was zu tun sein und sie an der Hand nähme, es zu tun. Das Bremer Modell der die impfschwachen Brennpunkte aufsuchenden „Impfsozialarbeiter“ spricht dafür.
(Hinzu kommen, unverschuldet, jene grob gerechnet und von Anfang an erwarteten 10% der Geimpften, also nochmal 5 bis 6 Millionen, bei denen die Impfung keinen oder keinen hinreichenden Schutz bewirkt hat.)
Angesichts dieser (plus einiger anderer) Faktoren bin ich jetzt uneingeschränkt für eine allgemeine Impfpflicht. Die würde die mit ungeheurer Kraft auflaufende vierte Welle wohl nicht mehr brechen können – da wird die Politik alsbald getrieben/gezwungen sein, zu rabiaten Instrumenten allumfassender Kontaktreduktion zu greifen (je länger damit gewartet wird, umso härter fallen sie aus und umso länger dauern sie). Aber die Impfpflicht jetzt, kann uns vor einer fünften und sechsten Welle anno 2022 bewahren.
Und über all dem schwebt beispielsweise die Schlusspassage des Leitartikels in der heute erschienen „Zeit“: „Eine Impfpflicht, sie ist das Mittel der letzten Wahl, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wenn nur noch sie uns unsere in der Verfassung garantierten Freiheiten zurückgeben kann.“
Andreas Pecht