ape. Auch ich gehöre zu jenem Menschenschlag, der den Sommer viel lieber mag als den Winter. Doch käme ich nie auf die Idee, letzterem alljährlich durchgängig in südliche Gefilde entfliehen zu wollen. Wechsel der Jahreszeiten gehört hierzulande halt zum Rhythmus des Daseins. Und wer nie ein bisschen Entsagung erlebt, dem wird nachher auch nicht der volle Genuss zuteil. Das ist wie beim Essen: Die feinste Speise wird einem fad’, wenn’s stets nur vom Besten gibt alle Tag’. So lebt unsereiner denn im Sommer wohlig auf mit kurzem Hemd, leichter Hose und barfüßig in den Schuhen oder gleich ohne. Befreit von vier wärmenden Lagen obenrum und zwei bis drei unten – das ist schon ein ganz anderes Körpergefühl.
Das würde man auch den Nachrichtensprechern der öffentlich-rechtlichen TV-Sender wünschen. Die tragen neuerdings fast allesamt ihre Konfirmantenanzüge auf: Zweiteiler aus dunkelblauem Zwirn, wie das helle Hemd darunter engstmöglich auf den Leib gequetscht. Obendrein müssen sie, ebenfalls neuerdings, bei jeder Sendung mal hinter ihrem Sprecherthresen hervortreten, sich dem Publikum vom Kopf bis zur Sohle präsentieren. Was Lockerheit vermitteln soll (und es bei den Damen oft auch tut), wird bei den stramm in vermeintliche Eleganz gepressten Herrn: nun ja ….
Das Auge isst bekanntlich mit und erfreut sich demnach am zur Sommerzeit vorherrschenden Prinzip der natürlichen Kontur, sprich: der mehr oder minder freien Sicht-Entfaltung auf menschliche Leibesform. Freund Walter rollt die Augen: „Erfreut? Aber auch nur bei jener Hälfte der hiesigen Menschheit, die noch ein bisschen Gespür dafür hat, welche Klamotten ihre Körper vertragen und was sie als Gesamtwerk der Mitwelt zumuten können.“
Da ist zwar vieles individuelle Geschmackssache und jede/r hat die Freiheit, nach Belieben zu verfahren. Aber, jaja, schon klar: Manchen Mannsbeinen stünden lange Hosen besser an als Bermudas, manche Trommel wäre mit weitem Hemd vorteilhafter gekleidet als mit bauchfreiem Shirt. Und über das Kontur-betonende Ausrufenzeichen von Leggins als quasi Zweithaut sollten sehr barocke wie auch vollstschlanke Zeitgenoss*innen nochmal nachdenken. Bisweilen könnten leichtes Matrosenenleinen oder ein luftiges Kleidchen für alle die angenehmere Sommerwahl sein. Im Winter ist das einfacher. Mögen sich die Modekreativen noch so sehr bemühen, etwas Körperbetonung durch die kalte Zeit zu retten: Am Ende produzieren wattierte Jacken, Mäntel, Pudelmützen, Stiefel und Co. doch nur unechte Konturen. Weshalb der Sommer eben auch die Zeit des Augenschmauses ist (selektive Wahrnehmung, Walter!).
20 bis 25 Grad Celsius, das ist meine Paradiestemperatur fürs Freie; zu Lande und im Wasser, tagsüber wie am Abend, auf der heimischen Terrasse, im Biergarten oder vor der Open-air-Bühne. Ein wenig bange wird mir bei Vorhersagen, die Temperaturen im 30er-, gar hohen 30er-Bereich oder darüber ankündigen. Dies einerseits, weil solchen Hitzetagen meist unwettriger Krawall folgt, in jüngeren Jahren örtlich häufig von unmäßigem Zuschnitt.
Andererseits: Laue Sommerabende und hernach sprichwörtlich „heiße Nächte“ sind zwar wunderbar. „Aber“, spinnt Walter den Gedanken zu Ende, „wenn dich tagsüber schier der Hitzschlag trifft, ist am Abend nicht mehr allzu viel los mit dir. Und in mittelrheinischer Tropennacht hast du ohnehin genug damit zu tun, dein triefendes Leiberl etwas Schlaf finden zu lassen.“
Andreas Pecht