Es hat sich zwar noch nicht überall rumgesprochen, ist aber eindeutig: Deutschland erlebt einen Epochenumbruch. Das ausgerechnet auf dem Feld seines scheinbar ewigen primären Liebestriebes – dem automobilen. Über Generationen kannte dieser Trieb nur eine Richtung: Die Autos mussten von einem Kauf zum nächsten immer größer, immer stärker, immer schneller werden.
Des deutschen Michels, auch vieler Michelinen, Streben nach immerwährendem Wachstum des eigenen Vehikels war ein schier mystisches Phänomen. Weit über die praktische Bedeutung eines fahrbaren Untersatzes hinaus, wurde das Automobil zum Symbol für Erfolg, Ansehen, Status, Selbstwert, Sexappeal. Daran sollte der Umstieg vom Verbrenner aufs E-Auto nichts ändern. Weshalb die Autoindustrie versuchte, mit ihrer Flotten-Elektrifizierung „von oben“ – Vorrang für schnelle, opulente, protzige Modelle — die Vier-Rad-Begierden weiter anzuheizen.
Nun ist Schluss damit! Auch wenn es die Herrschaften in Wolfsburg, Ingolstadt, München nicht wahrhaben wollen. Im späten 20. Jahrhundert mochte kaum noch jemand der Großeltern Gartenzwergsammlung vererbt bekommen. Eine ähnliche Trendwende erleben wir jetzt in der Autokultur: Überdimensionierte SUVs und Limousinen werden nicht nur als ökologischer Widersinn begriffen, sondern als piefiges Gemache, Getue, Protzgehabe belacht. Wer heute auf sich hält, Frau und Mann von Welt, reduziert, verkleinert.
Der Nobelpreisträger auf dem Fahrrad; die TV-Moderatorin in der Straßenbahn; Minister*innen, Chef*innen, Ärzt*innen, und jede Menge Normalos im Kleinwagen. Die Nachfrage nach kleinen Autos und Alternativen zum Auto übersteigt längst das Angebot. In der Industrie jedoch meint man blindlings weiter, mit dicken Kisten mehr Profit machen zu können. Übrigens: Wie es bei der automobilen Hardware einen Epochenumbruch gibt, so auch bei der Fahrweise: „Spritzig-sportlich“ war gestern, „gemächlich-fließend“ heißt der neue Mainstream.
„Du hast ja nicht mehr alle Tassen im Schrank!“, zetert Freund Walter. „Das genaue Gegenteil ist der Fall. Das Gros unserer Zeitgenossen ist völlig beSUVen. Schimpft lauthals auf Benzin- und Strompreise, scheißt aber drauf, wenn es um flott und groß geht. Die Zahl der immer fetteren Kisten – egal, ob Verbrenner oder elektrisch – steigt exorbitant, obwohl 90 Prozent der Leute so große Innenräume/Ladekapazitäten und so viel Motorkraft gar nicht brauchen. Und hast du dir mal angeguckt, wie die neuen Vierrad-Viecher aussehen? Keine Spur Leichtigkeit, Schönheit, Chic. Es zählt nur noch das Aussehen nach Kraftprotz, Wuchtbrumme und Ich-Durchsetzung. Reine Brutalo-Hässlichkeit: große Schnauze, Stiernacken, fetter Arsch. Und da schwadronierst du von automobilem Epochenumbruch. Geht’s noch?“
Weiß ich doch, mein Lieber. Aber da Kritik am deutschen Autowahn seit Jahrzehnten vergeblich ist, versuche ich es jetzt mal auf jene Art, die die Autoindustrie seit jeher benutzt: Ich verkaufe positive Werte; flüstere dem Publikum ein schöneres Fahrgefühl, mehr Lebensqualität, gesteigertes Selbstwertgefühl und höhere Anerkennung ein, die einem durchs (neue) Auto zuteil werde. Ob das stimmt oder gelogen ist, hat in der Werbung ja noch nie eine Rolle gespielt. Nur heißen meine Werte: kleiner, langsamer, netter. Trends, die es nicht gibt, muss man halt erzeugen, sagt eines der ältesten Werbeprinzipien. Vielleicht klappt’s. Darauf Walter: „pffffff“.