Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Besinnliches Verzählche zum 6. Dezember

ape. Bei mir war Schuhputztag. Das ist eine der ganz wenigen Traditionen, die ich – allerdings erst nach Erreichen eines gewissen weit postjugendlichen Alters – aus dem Kulturerbe meines Vaters und Großvaters dann doch übernommen habe. Zumindest in Ansätzen, denn die Altvorderen hatten jede Woche einen Schuhputztag, während mir ein Zweimonatsrhythmus Tradition genug ist. Zumal mich Hochglanz und schniekes Aussehen des Schuhwerks wenig interessieren, dafür Erhaltspflege, geschmeidige Gangbarkeit und Wasserdichtigkeit umso mehr.

Und so geht das dann: In allen Ecken und Enden des Häuschens krame ich meine Treter aus ihren angestammten oder meist irgendwann spontan aufgesuchten Verstecken, lasse sie paarweise auf der Veranda Paradeaufstellung nehmen – und wundere mich, jedesmal wieder. Denn offenbar besitze ich deutlich mehr Schuhe, als meine Füße gewöhnlich tragen. Vier Paare sind mir wohlvertraut, allesamt gut eingelaufen, prima ausgelatscht; also mit sämtlichen Eigenschaften ausgestattet, die man gemeinhin Tragekomfort nennt. Davon zwei Paar fürs Gelände, eines für drinnen und eines für draußen in Welt und Gesellschaft. Dann noch, als fünftes, das Reservepaar für die ganz besonderen Anlässe. Mit diesem fremdle ich indes noch immer, obwohl es seit gut 20 Jahren regelmäßig beim Schuhputztag seine Anwesenheit meldet.

Was aber, zur Hölle, sind die anderen drei Paare für seltsame Gesellen? Und wie, Verdammnis, kommen die hierher? Weder hatte ich sie jemals an den Füßen – was bei einer Anprobe sofort als buchstäblich (be)drückende Unbequemlichkeit fühlbar wird. Noch erinnere ich mich entsprechender Kaufakte. Kurzum um: Die Dinger sind mir körperlich und geistig zwar völlig unbekannt; aber wenn sie denn schon mit angetreten sind, wird ihnen Kost und Logis nicht verwehrt. Zum Einsatz kommen nun Wurzelbürste, feine Bürste, Lappen und leider auch sehr verschiedene Pflegemittel. Ich habe die vielen Dutzend Sorten, die der örtliche Handel anbietet, jahrelang durchforstet und auf ihre Tüchtigkeit getestet. Nach Abschluss dieser Versuchsreihen sind zwei (sic!) geblieben: farbloses Fett für Glattlederschuhe und Multifunktionsimprägnierplfegespray für alles andere (Handschuhe und Regenjacke inklusive).

Knapp zwei gemütliche Stunden (Kaffeepause inklusive) dauerte mein Schuhputztag. Angenehmer Synergieeffekt Nr.1: Die Hände sind nun zart wie Mädchenhaut, haben sie doch reichlich vom Lederfett abgekriegt. Nr.2: Ich darf in der Gewissheit leben, an Schuhen alsbald nicht Mangel leiden zu müssen, denn wieder einmal weilen hinreichend Gastpaare im Hause. (Zwischenruf aus dem Off: „Schockschwerenot, das sind doch DEINE! Gekauft, nie angezogen, vergessen.“)

Andreas Pecht

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