ape. Es ist zwar kein rätselhaftes, sondern leicht erklärliches Phänomen, bemerkenswert, leidig, zäh ist es doch: Du kannst dir noch so viel Mühe geben, mit entsprechender Wortwahl und Formulierung ein Textchen als Humoreske, Späßchen, Witz, Augenzwinkerei, Ironie zu charakterisieren – es gibt dennoch immer wieder eine Menge Leute, die das beim Lesen nicht wahrnehmen. Weshalb für den E-mail-Verkehr und die Kommunikation in den Sozialen Netzwerken die Lach-, Zwinker-, Sonnenbrillen-, Teufelsgrins-Icons etc. erfunden wurden, um durch optische Signalisierung solche Textcharaktere unmissverständlich hervorzuheben. Aber offenbar ist es – inzwischen – vielfach so, dass auch diese Signal-Icons ähnlich häufig ignoriert werden wie die textlichen Charakteristika.
These (entsprechend etwa meinen eigenen Erfahrungen mit sieben Jahren Nutzungs-Entwicklung auf Facebook): Die Tendenz zur immer bildlastigeren und textverkürzten (Zuruf-)Kommunkation im Netz verstärkt peu a peu die Neigung, Text nicht mehr wirklich zu lesen, sondern nur mehr zu überfliegen – und das Hirn aus derart aufgeschnappten Satzfetzen und (vermeintlichen) Schlüsselwörtern einen eigenen Textsinn zusammenbauen zu lassen. Kurzum: Man liest nicht mehr, was tatsächlich geschrieben steht, sondern was man glaubt, das geschrieben stünde.
Leider kann ich mich selbst von dieser unschönen Tendenz nicht völlig ausnehmen. Auch meine Textrezeption ist auf Facebook im Laufe der Jahre oft flüchtiger, schnellschneller, kurzbündiger, oberflächlicher geworden – sofern ich im Einzelfall nicht bewusst und mit Anstrengung dagegen halte. Fatal ist, dass diese Unart des Überfliegens statt Lesens sich allmählich auch als Schludrigkeiten ins eigene Textschreiben einschleicht. Dabei kann ich mich nichtmal auf die Autokorrektur des Smartphones rausreden, weil alle meine Netztexte/Posts auf der gleichen Volltastatur entstehen, auf der ich seit Jahrzehnten auch meine Zeitungsartikel und andere Publikationsmanuskripte schreibe. „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“? Ganz so einfach ist das mit schleichenden Gewöhnungsprozessen selten.
Andreas Pecht