Es ist jetzt drei Jahre her (oder sind es schon 4?), dass ich die hauptberufliche Tätigkeit als Journalist/Publizist nach dreieinhalb Jahrzehnten an den Nagel hängte und in den Ruhestand ging. Doch noch immer bin ich fast regelmäßig mit Sätzen konfrontiert wie: „Schade, dass sie keine politischen Kommentare und Essays mehr in der Zeitung schreiben.“ Oder: „Ich vermisse ihre Kulturkritiken und -beiträge in der Zeitung.“ Oder: „Man kriegt sie kaum noch zu sehen im Theater, bei Konzerten und Ausstellungseröffnungen.“ Oder: „Wollen sie nicht mal wieder einen Vortrag halten, die waren stets spannend und meist auch ein Vergnügen?“
Natürlich tut es gut, wenn sich gelegentlich noch jemand an einen erinnert und eine gewisse Wertschätzung für das einstige Berufsschaffen zum Ausdruck bringt. Was mich allerdings schon immer etwas irritiert hat, ist der Umstand, dass eine Menge Leute all die Jahre mich entweder nur als Kommentator/Essayist oder nur als Kulturjournalist wahrgenommen haben. Beim Sortieren meiner etlichen Hundert zwischen 1987 und 2020 entstandenen Artikel für die Rhein-Zeitung stellte sich heraus, Pi mal Daumen grob geschätzt: Im weitesten Sinne Texte politischer Natur und solche kultureller Natur halten sich in etwa die Waage, bei leichtem Überhang der Kultur.
Jetzt darüber nachgedacht, schwindet die Irritation, sobald ich mir das eigene Leseverhalten vor Augen führe. Mein Interesse am Sportteil der regionalen Tageszeitung tendiert gegen Null, und den Rubriken „Leben“ wie „Panorama“ gelingt es nicht allzu oft, mit speziellen Themen meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ähnlich mag es anderen LeserInnen mit Politik vs. Kultur ergehen. Weshalb die Zahl derer, die meine Arbeit für beide Ressorts gleichermaßen registrierten wohl kleiner ist als derjenigen, die mich als Autor entweder nur hier oder nur da verortet haben. Probleme hatte ich damit nie, nur erklärungsbedürftig wurde die Sachlage bisweilen, wenn es von der einen oder anderen Seite her hieß: „Das ist doch gar nicht ihr Fach.“
Was meine selten gewordene Präsenz heute im Kulturleben angeht, hat es damit m.E. nichts Verwunderliches auf sich. Wenn du über Jahrzehnte zwei-, drei-, viermal die Woche (vorzugsweise ums Wochenende) in der Region von Köln bis Frankfurt Kulturveranstaltungen besucht hast und hernach jeweils noch stundenlang schreibend darüber räsoniert, dann, ja dann ist – bei aller Liebe zu den Künsten – die Luft irgendwann einfach raus. Es bleiben ein paar ganz wenige Abstecher übrig; ansonsten heißt das Primärbedürfnis des Ruheständlers eben: Ruhe im Karton. Ähnliches gilt für meine Vortragsabende zu politischen, gesellschaftlichen, historischen und wissenschaftlichen Themen, von denen ich vor allem zwischen 2005 und 2020 etliche gehalten habe. Zwei bis drei Wochen intensives Arbeiten für ein 60- bis 90-minütiges kundiges wie launiges Referat vor Publikum (was mir immer Freude gemacht hat), das ist mir im Alter nun einfach zu viel. Andreas Pecht