Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Hach, was sind wird doch sportlich („Quergedanken“)

        Monatskolumen Nr. 229 , August 2024

 Richtig was los diesen Sommer in Sachen Sport. Den Text hier haue ich am Tag nach dem Endspiel der Fußball-EM in die Tastatur. Wenn die Leserschaft ihn nachher zu Gesicht bekommt, läuft in Paris bereits Olympia. Freund Walter nervt diese Ballung von „sportivem Tohuwabohu“, wie er die medienwirksamen Wettbewerbe nennt. Manchmal grummelt er auch was von „Geldmaschinen“, „Werbegroßevents“, „Doping-Zirkus“, „Nationaleuphorie-Beschleunigern“. Da ist an allem was dran, und so mancher Umstand am Rande oder im Hintergrund der Sportereignisse kann auch eingefleischten Sportsfreunden sauer aufstoßen.

Also zeigt mir der Freund dieser Tage immer wieder mal den Vogel wegen der Hingabe, mit der ich das kickerische, leichtathletische, turnerische Geschehen verfolge – und ihm darob manchen Plauderabend in der Sommerfrische abschlage. Was Walter unterschätzt, mangels eigener Praxis auch nicht nachvollziehen kann: Für die Aktiven und das interessierte Publikum sind die Leistungen im sportlichen Wettbewerb, trotz unschöner Begleiterscheinungen, anhaltend das eigentliche Faszinosum solcher Ereignisse.

Es gibt zudem Sportsoziologen, die den Spitzensport-Events positive Wirkungen für die Volksgesundheit zusprechen. Denn angeblich fördern begeisternde Wettbewerbe die Neigung im Publikum, nachher selbst sportlich aktiv zu werden. Da lacht Walter lauthals, und ich selbst kann mir skeptisches Grienen nicht verkneifen. Gewiss, würden die Millionen Leute, die in Trikot-Shirts „ihrer“ Mannschaft live oder vor Bildschirmen den EM-Spielen beiwohnten, später regelmäßig ein bisschen schweißtreibend trainieren und spielen, das wäre was. Aber entsprechende Wirkeffekte erstrecken sich nur auf eine kleine Minderheit – und die guten Vorsätze sind meistens bald vom inneren Schweinehund gefressen. Ich weiß, wovon ich rede, denn in mir haust auch so ein Vieh.

Tja, Tatsache ist halt: Sportinteressiert und sportlich sind keine natürlichen Geschwister. Wie auch, in einem Zeitalter, da das Gros des „Fortschritts“ in der häuslichen Technik auf liebevolle Fütterung besagten Schweinehundes, also Verminderung der körperlichen Bewegung des Menschen abzielt. Mähroboter; Putzroboter; Haus-KIs, die einem den Weg zum Lichtschalter oder Rolladengurt ersparen; Telefone, zu denen man nicht mehr hingehen muss; Fernbedienungen für alles und jedes, damit bloß niemand mehr vom Sessel aufzustehen braucht …

Gleich kommt Walter mit seiner alten Idee für eine massenwirksame Trimm-Dich-Bewegung: „Baut Fernseher nur noch mit Programmknöpfen am Apparat und ohne Fernbedienung. Da käme Bewegung in die Leute.“ Indes sind wir längst so sehr an sesselhockende Zapperei gewöhnt, dass das gar nicht durchsetzbar wäre. Wie wir uns auch an alle anderen Fortschrittstechniken zur Bewegungsminderung gewöhnen (lassen) werden. So ist ein prima Geschäftsmodell entstanden: Verkaufe hier millionenfach Gerätschaften zur Förderung des körperlichen Stillstands; verkaufe zugleich dort millionenfach Sportartikel, Aktivprogramme, Muckibuden-Abos etc., die desolat werdende Körper in Bewegung bringen sollen.

Ich höre schon den Einwand: Rasenmähen, Wohnungsaugen, x-mal am Abend vom Sofa hoch, um umzuschalten – das habe doch nichts mit Sport zu tun. Na ja, physikalisch und biologisch schon. Und lebenspraktisch auf jeden Fall mehr als Hanteln, Standfahrräder, Tennisschläger, Laufschuhe, und Co., die in irgendeiner Ecke ungenutzt verstauben.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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