Gleich nach dem Frühstück musste ich an diesem ganz gewöhnlichen Freitag über den Berg, fünf Kilometer in die VG-Haupstadt, um im Supermarkt noch ein paar Sachen zu besorgen. Zudem ward mir aufgetragen: „Fahr doch mal durch die Waschstraße, auf dem Auto klebt noch immer die halbe Sahara und jede Menge Ostsee-Salz.“ Gewiss, mein Lieb‘, mache ich.
Im REWE stehe ich dann mit meinem Wägelchen vor den Milchprodukt-Kühlschränken. Habe eben den gesuchten Bioquark Magerstufe entdeckt, als von der Seite ein junger Mann sich nähert. Einkaufszettel in der Hand, irrt sein Blick über die schier unendliche Menge von Milcherzeugnissen, brubbelt er vor sich hin: „Quark, Quark, wo Quark?“. Vor sich her schiebt er einen großen Wagen, so ein Ding mit aufmontiertem Kinderauto. Darin hockt ein Knirps von vielleicht eineinhalb Jahren und kurbelt munter das Lenkrad; des Sprechens noch nicht recht mächtig, aber – wie sich später herausstellt – fix auf den kleinen Beinchen.
„Quark, hier genau vor mir“, gebe ich dem schwarzbärtigen Vater, für den ich ihn halte, grinsend Bescheid. Was dieser mit einem netten offenen Lächeln und „Oh, danke, danke“ quittiert. Der Sprachintonation nach ist der Mann gerade der Rapper-Szene entwachsen oder hat einen Migrationshintergrund. An der Kasse begegnen wir uns noch einmal, Vater und Kind vor mir in der kurzen Schlange. Er räumt gerade seinen Krempel aufs Band, da hat der Sprössling offenbar die Nase voll von der sinnlosen Lenkradkurbelei und kraxelt aus dem Plastikgefährt. Dabei gerät der ganze Wagen in Schrägbewegung und zerrt einen Stapel Einkaufstüten aus dem Regal unterm Kassenband. Der junge Mann bückt sich, um die Tüten von Boden aufzuklauben, derweil aber macht sich der Knirps mit flotten Trippelschritten abenteuerlustig auf zu fernen Gefilden.
„Der Kleen haut ab“, gebe ich Bescheid. Der Große stürzt hinterher, um den Abenteurer einzufangen. Unterdessen sammle ich lachend die Tüten ein. Der Ausbüchser ist schnell eingefangen, hockt nun quietschvergnügt auf des Vater Arm, der mir ein „Entschuldigung und vielen Dank“ zuruft. „Kein Ding“, gebe ich zur Antwort. Die schmunzelnde Kassiererin kann weitermachen, die Dinge nehmen wieder ihren geschäftsmäßigen Lauf.
Und noch einmal begegne ich den beiden, sie stehen vor mir am Thresen des Bäckerfilialisten im Eingangsbereich des Marktes. Der Jungvater winkt mich freundlich vor. Als ich den Geldbeutel zücke, um meine vier Brötchen und zwei Brezeln zu bezahlen, bedeutet er über meine Schulter hinweg der Verkäuferin: „Das geht auf mich, ja, ja, auf meine Rechnung dann bitte.“ Ich protestiere, aber er lässt sich nicht abbringen von dieser Geste und sagt nochmals „Danke“. Ein Danke nun auch von mir. Handschlag. Zwei einander völlig Fremde gehen gut gelaunt auseinander, er nach irgendwo, ich fahre zur Tankstelle, wo ich mit einer nigelnagelneuen digital gesteuerten Waschanlage in Clinch gehen muss. Die erschreckt mich schier zu Tode – als das Starterterminal plötzlich mit mir reden will.
Andreas Pecht