ape. Nun ist es also gekommen wie seit vielen Monaten erwartet/befürchtet: Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass in einigen Teilen Deutschlands rund ein Drittel der Wähler überhaupt kein Problem damit hat, eine rechtsextremistische bis faschistische Partei zu wählen. Solche Leute gibt es leider auch in anderen Teilen der Republik eine Menge, doch ist ihr Anteil in Thüringen und Sachsen eben fast doppelt so hoch wie im Westen Deutschlands. Worin m.E. nicht nur eine Spaltung der Gesellschaft zum Ausdruck kommt, sondern auch eine (anhaltende?) Deutschlands.
Zu den Ursachen wird seit langem studiert, spekuliert, diskutiert. Und je nach politischer Orientierung des Publikums markiert man dies oder jenes als Hauptgrund. Ich halte das für einen Irrtum. Ursache für die Bereitschaft oder gar den Willen eine rechtsextremistische bis faschistische Partei zu wählen ist eine ungute Mixture aus allerhand Faktoren, darunter Kräfte, Strömungen, Haltungen, (Vor)Urteile, Gefühle, die schon seit vielen Jahren, oft seit Jahrzehnten wirken, und in manchen Milieus von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.
Die Bereitschaft oder gar der Wille, eine rechtsextremistische bis faschistische Partei zu wählen, entsteht nicht über Nacht. Weshalb ich auch die Annahme für einen Irrtum halte, die Ampel-Regierung im Bund sei der Hauptgrund für die Stimmzuwächse der AfD. Ich bin überzeugt, die Wahlergebnisse jetzt in Sachsen und Thüringen wären vielleicht nicht ganz so krass, sähen tendenziell aber ganz ähnlich aus, hätten wir in den letzten drei Jahren eine andere Bundesregierung (etwa eine GroKo) gehabt.
Wer anderes annimmt, unterschätzt m.E. einerseits das Ausmaß der Frustration, der Angst, des Zorns angesichts der Komplexität der Welt- und Heimatprobleme sowie das Ausmaß des illusorischen Sehnens nach einfachen (politischen) Antworten und Lösungen. Andererseits wird das Ausmaß des Hasses auf „das System“ und seine Vertreter sowie die Gleichgültigkeit gegenüber der Demokratie bei einem Teil der AfD-Wähler unterschätzt. Da könnten die „Altparteien“ eine noch so reaktionäre Politik machen, es wäre diesem Teil völlig egal. Denn sie haben nur einen Gedanken (sinngemäß): „Die Altparteien müssen weg. Höcke an die Macht.“
Doch ja, wir müssen über vieles reden und streiten, denn sehr vieles liegt im Argen hierzulande und draußen in der Welt, mit der wir unentwirrbar eng verbandelt sind. Aber es sollte sich auch niemand der Illusion hingeben, eine bessere Politik der demokratischen Parteien würde dem Rechtsextremismus automatisch die Luft ablassen. Dem wäre nicht so – zumal die meisten der eigentlich unausweichlichen Vernunftmaßnahmen in Umwelt-, Wirtschafts-, Sozial-, Gesellschaftspolitik diesen Leuten auch wieder völlig gegen den Strich gehen. In den Talks am heutigen Wahlabend geben sich die Höckes und Co. überwiegend bieder. Doch sie wollen nicht weniger als die Macht im Land, um sie dann nicht mehr herzugeben und ein nach ihrem Gusto ganz anderes Deutschland zu konstruieren. Andreas Pecht