Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Alltägliches: Unterbrochener Schlaf durch „Wolfsstunde“

ape. Ordentliche Zeitungen zu lesen, das bildet. Habe jetzt bei der Lektüre der „Zeit“ von vergangener Woche (Nr. 14, 2025) wieder etwas gelernt, und zwar über mein eigenes Leben. Genauer: Mein Nachtleben. Noch genauer: Meine Schlafpraxis. Thema: die Wolfsstunde. Dieses Phänomen – das etwa 15 bis 20 % aller Menschen gelegentlich oder regelmäßig „heimsucht“ – geht in meinem Fall so:
Etwa die Hälfte aller Nächte wache ich zwischen 3 Uhr und 4.30 Uhr auf, bin sofort glockenhell wach und habe Hunger. Ich weiß aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass völlig zwecklos ist, jetzt krampfhaft das Wiedereinschlafen herbeizwingen zu wollen. Also stehe ich wohlgemut auf, hole die Zeitung aus dem Briefkasten und nehme, lesend, in der Küche ein erstes kleines Frühstück zu mir. Nach ziemlich genau einer Stunde in nächtlich entspannter Stille kehrt die Bettschwere von alleine zurück. Ergo: Wieder rein in die Federn und (meistens) in den „zweiten Schlaf“ fallen, der dann bis etwa 7.30 Uhr dauert.

Ich weiß schon lange, dass dieses Aufwachphänomen zu fortgeschrittener Nachtzeit volkstümlich „die Wolfsstunde“ genannt wird und daher rührt: Um die besagte Zeit fährt der Körper den Melatonin-Level herunter und bereitet mit der Produktion anderer Stoffe die spätere Aufwachphase vor. Die meisten Leute merken davon nichts oder kaum etwas, „die Wölfe“ aber wachen davon oft auf. „Schlafstörung“ meint warnend der Volksmund, oder „senile Bettflucht“. Nun aber lerne ich bei der Zeitungslektüre, dass der wissenschaftliche Schlafforscher das für Unsinn hält. Er erklärt, sinngemäß: Es handle sich beim Phänomen „Wolfsstunde“ um keine Schlafstörung im pathologischen Sinne, sondern im Grunde um eine ganz normale Erscheinung, quasi ein natürliches Relikt aus der vorindustriellen Menschheitsentwicklung – bevor mit der Erfindung des elektrischen Lichts der Homo sapiens seinen Tag-Nacht-Rhythmus künstlich umgekrempelt habe.

„Durchschlafen“, dieses heutige Ideal nach dem alle händeringend streben, war dunnemals nur eine Normalität neben derjenigen des geteilten Schlafes. Letzteren beschreiben schon antike Autoren, Julius Caesar etwa sprach vom „ersten Schlaf“ und vom „zweiten“. Und noch in der mittelalterlichen Gesellschaft war es wohl auch Gang und Gäbe, dass manches Familienmitglied nachts um Dreie oder Viere munter war, im Winter das Herdfeuer wieder entfachte, im Dunkeln frühstückte (Leuchtmittel waren rar und teuer) und sich hernach wieder aufs Ohr legte.

So habe ich denn nun auch den wissenschaftlichen Segen für meine fast seit Jugendtagen immer wieder eintretende wölfische Nachtstunde – mit der ich schon sehr lange nicht mehr hadere, sondern sie als Beimirsein in Ruhe und Stille meist genieße. Andreas Pecht

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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