ape. „Kulturhauptstadt Koblenz: Idee ist vom Tisch“ titelt der Kulturteil der Rhein-Zeitung heute (2.11.2017). Anlass: Die Stadtführung zieht ihren Vorstoß für eine Bewerbung zurück, weil das Land Rheinland-Pfalz nicht in die Mitfinanzierung einsteigen will. Die Landesregierung begründet ihre Ablehnung mit knapp 50 Millionen Euro, die sie in die BUGA 2031 im oberen Mittelrheintal (mit Koblenz als Zentrum) – so die denn kommt – stecken werde. Das Projekt „Europäische Kulturhauptstadt 2025“ finanziell allein zu stemmen, sieht sich die klamme Kommune am Deutschen Eck jedoch außerstande.
Ich stand der Idee von Anfang an zwar nicht ablehnend, aber doch sehr skeptisch gegenüber. A) Weil man in KO erst arg spät darauf kam. Die Mitbewerber arbeiten überwiegend seit vielen Monaten, teils schon seit Jahren, an ihren programmatischen Konzepten und haben ihre Bewerbungen längst eingereicht. B) Die prekäre Finanzsituation der Stadt liegt offen zutage. Dass das Land die HAUPTfinanzierung übernehmen würde, erschien mir mehr als unwahrscheinlich. Schließlich C): Nach meinem Eindruck halten hierorts allzu viele Befürworter der Bewerbung die Sache irrtümlich primär für eine wohlfeile heimatstädtische Marketingmaßnahme und sehen zu wenige die eigentliche Herausforderung, die sich traditionell mit dem einjährigen Titel „Kulturhauptstadt Europas“ verbindet.
Es geht eben nicht bloß darum, den am Ort eh vorhandenen Mix an Kultur etwas herauszuputzen/aufzupeppen und in einen neuen werblichen Hochglanz-Auftritt zu packen. Der Kulturhauptstadt-Titel zielt seit jeher vor allem auf künstlerische Innovationen, auf das Entstehen von Neuartigem – aus temporärer oder genereller Neuorientierung des örtlichen Alten plus etlichem ganz Neuen. Und was da entsteht, soll allemal von europäischer Bedeutung und von Interesse für die kultursinnigen Menschen Europas sein.
Darauf aber ist der Koblenzer Kulturbetrieb im Großenganzen seiner klassischen und zeitgenössischen Hochkultur sowie seiner kleinen Off-/Subkulturszene weder ausgerichtet noch dafür ausgestattet; war er nie. De facto kümmert er sich seit jeher um die kulturelle Versorgung der Menschen in Stadt und Nahraum. Diesbezüglich wird viel, auch manch Gutes geleistet und geboten. Doch die Fälle überregional wahrgenommener, für die Kunstwelt bedeutsamer Eigenschöpfungen waren und sind eher selten. Landschaftliche Schönheit, bauhistorische Bedeutsamkeit und ein beachtlich üppiges Kulturangebot in der Breite machen aus der Rhein-Mosel-Stadt eben noch nicht jenen künstlerisch-innovativen Gärtopf, der sich idealiter mit dem Kulturhauptstadt-Gedanken verknüpft.
Mag sein, eine tatsächliche Bewerbung hätte einen Denk- und Öffnungsprozess in diese Richtung motivieren können. Doch angesichts der am Ort noch immer verbreiteten „Scheu“ vieler Kulturmacher und Verantwortlichen vor innovativer, kreativer, wagemutiger, grenzrüberschreitender Vernetzung sowie Impuls-Input von außerhalb, bleibe ich skeptisch. Und solange selbst der Unesco-Welterbestatus des Mittelrheintals vom schieren Gros der Mittelrheiner weniger als Verantwortung/ehrenvolle Pflicht und mehr als touristisches Werbevehikel oder gar leidige Last betrachtet wird, kann ich von solcher Skepsis auch nur schwerlich lassen.
Andreas Pecht