Nachdenken. Ich versuche, mir vorzustellen, wie das ist: Du hast einige zehntausend Follower auf Facebook und Twitter, die dich jedesmal, sobald du irgendeinen Pups loslässt, sofort gleichermaßen mit Jubel überschütten, mit Kommentaren eindecken, mit Shitstürmen heimsuchen. Der Politiker Robert Habeck fragte sich nun: Was macht das mit mir? Ich halte das für eine gute Frage, der auch ich mich immer wieder stelle, obwohl auf FB nur mit knapp 3000 Leuten verbunden. Denn es wäre Selbstüberschätzung, Blindheit oder Naivität, anzunehmen, die Kommunikationsformen in den Sozialen Medien würden nichts mit einem machen, würden einen nicht verändern.
Auf der negativen Bilanzseite kann ich für mich zeitweise oder generell etwa diese Wirkungen feststellen: verstärkte Kurzatmigkeit und Oberflächlichkeit im Denken, Dünnhäutigkeit, Ungeduld und Neigung zu Contenance-Verlust, erhöhten Aggressionslevel, Originalitätssucht, Gefallssucht, Überbewertung des Meinungsspektrums auf FB…. Hand aufs Herz und ernsthaft geprüft: Welchem zumindest der eifrigen Poster und Kommentatoren unter euch ginge das nicht so oder ähnlich?
Dass nun auch ein Politiker sich diese Frage stellt, mag irritieren. Als Zeichen von Schwäche kann ich es indes nicht verstehen, eher im Gegenteil; wie ich auch den zeitweisen oder totalen Rückzug alljährlich Dutzender meiner FB-Kontakte aus diesem Medium nicht als Zeichen der Schwäche sehe. Vor kurzem erst hat die Politikerzunft die MÖGLICHKEITEN der elektronischen Massenkommunikation für sich entdeckt. Habeck ist jetzt einer der ersten, der auch über die NEGATIVEN RÜCKWIKRUNGEN auf Politiker reflektiert – der für sich (und fürs erste) darus eine ziemlich radikale Konsequenz gezogen hat. M.E. gebührt dem Respekt und ist Häme völlig fehl am Platze – egal wie man zu der Partei steht, der Habeck angehört.