ape. „Nun komm schon! Den Rest schaffst du auch noch!” Auf dem obersten Absatz im Treppenhaus der Stadthalle Boppard steht der „Manager” dieser Veranstaltungslocation im Zentrum der Rhein- und Weinstadt. Mit verschmitztem Grinsen im gutmütig-rundlichen Gesicht schaut er dem von unten heranschnaufenden Besucher entgegen. Ich bin verabredet mit Rolf Mayer. In dessen Händen liegen seit 2016 die Geschicke dieser Stadthalle und damit eines nicht unwesentlichen Teils des Bopparder Kulturlebens. Der 52-Jährige ist kein Unbekannter in der Region und auch wir kennen uns seit vielen Jahren, freilich aus einem anderen Kulturzusammenhang: Mayer war gut zwei Jahrzehnte lang ein tragende Säule im Getriebe des Koblenzer Café Hahn, gewissermaßen der Hofmarschall dort. Jeder treuliche Hahn-Besucher kannte/kennt „den Rolf” – als einen Mann, der von der Schnittlinie zwischen Hintergrundlogistik und Publikumsverkehr aus stets beide Bereiche im Blick und viele Fäden in der Hand hatte.
Zwangsläufig muss deshalb im Gespräch mit ihm die erste Frage lauten: Warum hat er beim Hahn aufgehört und sich von der Stadt Boppard als Verantwortlicher für deren Stadthalle anstellen lassen? „Nach mehr als 20 Jahren im Café‘ Hahn und um meinen 50 Geburtstag herum kam eben die Frage auf: Kann, soll man ewig auf diese Weise weitermachen oder nicht nochmal was anderes in Angriff nehmen?” Tag um Tag bis zu sehr später Stunde „im Laden” sein, nachts noch aufräumen und für die nächste Veranstaltung umbauen, als Letzter das Licht ausmachen, an Familienleben gar nicht denken… Irgendwann und mit fortschreitendem Alter, so lässt sich sein Rückblick auf die Hahn-Jahre deuten, schlich sich das Gefühl ein: Mag dieser Job auch interessant sein und lange allerhand Spaß gemacht haben – es reicht allmählich. „Also begann ich mich umzuschauen nach anderen reizvollen Möglichkeiten.”
Mayer stieß auf die Stellenausschreibung für Boppard, bewarb sich und wurde umstandslos sofort genommen. Die Bopparder wären auch schlecht beraten gewesen, hätten sie diese Chance nicht ergriffen: Ein Mann, im Veranstaltungsgewerbe an Erfahrung reich, mit allen Wassern professioneller Event-Organisation gewaschen, mit besten Kontakten in viele künstlerische Szenen; obendrein einer, der sich auskennt am Mittelrhein und mit den Mittelrheinern. Besser hätte man es kaum treffen können, um wieder kontinuierlich richtiges Leben in die Stadthalle zu bringen. Denn die anno 2008 als Neubau eröffnete Location hatte zwar in den Anfangsjahren unter der Ägide von Peter Konradi mit ambitionierten Programmen recht gute Figur gemacht. Danach aber war es – sagen wir mal: ziemlich still geworden um die Halle mit ihren beiden ansehnlichen und zeitgemäß gerüsteten Sälen; dem teilbaren großen mit Platz für bis zu 900 Besuchern, dem kleinen für ein maximal 150-köpfiges Publikum.
Hallenprogramm versorgt Kleinstadt mit Kultur
Das erste ganz in Verantwortung von Mayer entstandene Halbjahresprogramm geht eben zu Ende. Es umfasste von Januar bis Juni 2017 knapp 50 Veranstaltungen unterschiedlichster Kaliber und Genres. Wie seit Inbetriebnahme der Halle waren Karnevalssitzungen der örtlichen Vereine besucherstarke Basics der Belegung. „Überhaupt läuft alles, was mit lokalen Vereinen zu tun hat, wie geschmiert”, resümiert er seine bisherigen Erfahrungen an der neuen Wirkungsstätte. Das ist gut und auch so gewollt, schließlich soll die Halle als sprichwörtliche „gute Stube der Stadt” den Vereinen Heimstatt bieten. Aber eben nicht nur. In einer 16 000-Einwohner-Gemeinde wie Boppard kann, soll, muss die Stadthalle zugleich eine Institution sein, die die Bürger der Gemeinde mit einem ordentlichen Kulturangebot versorgt. Wie vielschichtig und/oder ambitioniert dieses Angebot ausfällt, hängt nicht zuletzt vom Willen der politisch Verantwortlichen am Ort ab.
In Boppard wollte die Stadtführung von der 2008er Einweihung der Halle an darin nicht nur populär unterhaltsames, sondern auch künstlerisch niveauvolles Programm fahren. Als ein Element davon hatte schon Konradi das „Kulturfestival Boppard” ins Leben gerufen. Das ist eine eigene Theaterreihe, gestützt auf Gastspiele ausgewählter deutscher Landesbühnen und freier Gruppen. Auf diese Reihe verwendet nun auch Rolf Mayer wieder große Aufmerksamkeit. Für 2017 hat er acht Produktionen eingekauft. Vier gingen an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden im Frühjahr über die Bühne der Stadthalle, darunter Schillers „Jungfrau von Orleans” oder als zeitgenössisches Figurentheater für Erwachsene Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas”. Im November folgen als zweiter Teil des Kulturfestivals wiederum vier Theateraufführungen: „Casanova”, Shakespeares „Sommernachtstraum” , „Loriots gesammelte Werke” des Vicco von Bülow sowie für Kinder „Die kleine Hexe”.
Nicht jeder Programmpunkt ist ein Selbstläufer
Was der neue Hallenmanager allerdings auch lernen musste: Die Veranstaltungen jenseits der Vereinsevents sind keine Selbstläufer. Und was in Koblenz problemlos „den Laden voll macht” kann sich in Boppard als Ladenhüter erweisen. Ein Abend mit Breitmaul-Comedien Maddin Schneider wurde wegen toter Hose beim Vorkauf abgeblasen. Die Resonanz auf die aus Koblenz hergeholte „Ladies Night” blieb eher bescheiden. Als Kabarett- und Comedyspielstätte muss sich die Stadthalle erst wieder etablieren – zumal mancher unten am Rhein ansässige Freund der zungenfertigen Lästerkunst sich mangels Angebot am eigenen Ort Richtung ZAP in Emmelshausen auf dem Hunsrück orientiert hat.
Für Mayer sind zwei Dinge klar. Erstens „kann ich hier kein Hahn-Programm machen, sondern muss als Vollversorger für ganz unterschiedliche Publikumsschichten agieren”. Zweitens „müssen wir den Boppardern erst zu Bewusstsein bringen, dass hier wieder ordentlich was geboten wird”. Der Neuanfang ist gemacht, das Programm für eine attraktiv vielseitige Fortsetzung im zweiten Halbjahr steht: mit Klassischer Opernmusik hier, Jazz da, mit Krimi-Performance und philosophischem Café, mit Kabarett von Markus Barth und Konrad Beikircher, mit Theater und anderem für Erwachsene, Jugendliche, Kinder. Und dann sind da noch viele, viele Ideen, die Rolf Mayer für Boppard im Hinterkopf hat – diese Stadt, die ihm schon nach kurzer Zeit ans Herz gewachsen ist.
Andreas Pecht
Infos: www.boppard-stadthalle.de
(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pressemedium außerhalb dieser website 25./26. Woche im Juni 2017)