Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Moore-Skulpturen zur Jubiläumssaison

ape/Remagen-Rolandseck. Auf den ersten Blick sehr seltsam: Ausgerechnet im Jubiläumsjahr rund um seinen 10. Geburtstag wird das Arp Museum eine unterdurchschnittliche Zahl neuer Ausstellungen auflegen. Nur vier Präsentationen zählt man jetzt bei der Programmvorschau durch Direktor Oliver Kornhoff. Gleichwohl könnte es sein, dass 2017 die diesjährige Besucherzahl von rund 60 000 überschritten wird. Denn im Zentrum der kommenden Saison steht ab Mai acht Monate lang eine Schau, wie es nach Machart, Größe und vielleicht auch internationaler Bedeutung im Kunstmuseum Bahnhof Rolandseck noch keine gab. Gewidmet ist sie Henry Moore (1898 – 1986), einem der weltweit bedeutendsten Vertreter der klassischen Moderne in der Bildhauerei.

Wenn Ende April im Meier-Bau des Museums die jetzige Ausstellung „Bühnenreif 1. Akt” abgebaut ist, werden Kräne anrücken, um Schwertransporter mit Fracht aus Großbritannien zu entladen. Gewichtige Fracht, voluminöse Stücke wollen vor und hinter dem Museum sowie auf allen Etagen  platziert werden. Denn wie sagte der britische Künstler über sein Oeuvre: „Alles, was ich mache, ist dafür bestimmt, groß zu sein.” Weshalb der Gang durch die Moore-Schau mit der neun Meter breiten und dreieinhalb Meter hohen Fiberglas-Skulptur „Large Reclining Figure” schon unten an der Bundesstraße 9 beginnen wird. Er endet dann mit der ähnlich großen Bronze „Three Piece Sculpture: Vertebrae” im Hanggelände hinter dem Museum.

Zwischen den beiden Außenexponaten werden ein Dutzend Großskulpturen auf eine Art präsentiert, die nach Kornhoffs Worten die Vertreter der Henry-Moore Foundation „elektrisierte” – und dazu bewegte, der schieren Entleerung ihres Parkes im südenglischen Perry Green zuzustimmen, in dem die Exponate normalerweise stehen. Das Arp Museum stellt sie in Innenräumen aus, statt unter freiem Himmel. Korrespondierend mit der Museumsarchitektur Richard Meiers erwartet man davon eine völlig veränderte Wirk- und Wahrnehmungsweise der berühmten Plastiken. Die hierzulande wohl bekannteste Moore-Skulptur übrigens ließ Helmut Schmidt 1979 nur wenige Kilometer weiter am damaligen Bundeskanzleramt aufstellen.

Die bis Januar 2018 dauernde Ausstellung trägt den Titel „Henry Moore. Vision. Creation. Obsession”. Eingegliedert sind dann zwei thematische Spezialpräsentationen. Zum einen in der klassischen Abteilung des Museums, der Kunstkammer Rau, eine Betrachtung der Inspirationsquellen des Briten: Meisterwerke der italienischen Renaissance und der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts, an der die Kunstsammlung Rau für UNICEF des Arp Museum reich ist und die Moore so liebte. Von ihnen sagte er, sie seien „absolute Gegenwart, und haben einen anhaltenden und mächtigen Eindruck auf mich gemacht”.

Zum anderen setzen die Ausstellungsmacher die Oeuvres von Moore – der in den 1970ern mehrmals in Rolandseck zu Gast war – und von Hauspatron Hans Arp in einen Dialog miteinander. Im Mittelpunkt stehen dabei die 1930er Jahre, während derer beide Künstler sich dem Surrealismus zuwandten und mit biomorphen, der Natur entlehnten Formen, arbeiteten. Die Verwandtschaften im Formschaffen der befreundeten Männer dürften unverkennbar sein, die dennoch vorhandenen Unterschiede zwischen ihnen aufzuspüren, eine spannende Herausforderung für die Besucher.

Mit der Schwerpunktausstellung zu Henry Moore erfüllt sich passend zum 10. Geburtstag des Arp Museums ein lange gehegter Wunsch von Kornhoff. Seit fünf Jahren laufen die Vorbereitungen für diese Schau, seit zwei Jahren die konkreten Planungen. Aber obwohl Moore das Jubiläumsprogramm dominiert und ab Mai den gesamten Meier-Bau mitsamt Unterführungen und Übergängen belegt, so ist er doch nicht ganz allein. Der Ausstellungstrakt im historischen Bahnhofsgebäude bleibt drei anderen Präsentationen vorbehalten. Vom 12. Februar an (bis 25.6.) stellen die aktuellen Stipendiaten des Künstlerhauses Schloss Balmoral in Bad Ems ihre Arbeitsergebnisse vor. Thema dieses Jahrgangs ist eine zeitgenössische Standortbestimmung des Mediums Zeichnung.

Es folgt ab Mitte Juli eine raumspezifische Arbeit von Werner Klotz, der mittels rotierender Spiegel durch die dann nach allen Seiten freigelegten Fenster des Bahnhofs das Umgebungsgeschehen in dessen Innenraum holt. Im November 2017 beginnt schließlich die zweite Ausstellung mit Collagen aus der hochkarätigen Sammlung Gerhard Meerwein, die der gleichnamige Mainzer Sammler 2015 dem Arp Museum als Schenkung vermacht hatte.  Andreas Pecht    

 

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

Archiv chronologisch

Archiv thematisch