In der Westerwald-Ausgabe der Rhein-Zeitung vom 16.09.2019 findet sich ein Bericht über meinen Vortragsabend zu Alexander von Humboldt am vorangegangenen Mittwoch bei den Marienberger Seminaren. Unter der Überschrift „Andreas Pecht erinnerte an das abenteuerliche Leben des Universalgenies“ schreibt der mir nicht näher bekannte Autor Matthias Budde das Folgende:
Bad Marienberg. Am 14. September 1769, vor 250 Jahren, wurde Alexander von Humboldt in Berlin geboren. Im Rahmen der Marienberger Seminare stellte der Kulturjournalist Andreas Pecht das wissenschaftliche Universalgenie vor. Humboldt wurde 90 Jahre alt, und ein großer Teil seines Lebens war dem Forschen, Sammeln, Beobachten und Messen gewidmet.
Nicht in Lesesälen und Bibliotheken, sondern an den entlegensten Enden der Welt erwirbt er sein Wissen. Tief im Dschungel, hoch oben in den Anden, am Rande von aktiven Vulkankratern vermisst er die Welt. Moskitos, Höhenkrankheit, wilde Tiere und andere Gefahren für Leib und Leben ignoriert er, getrieben von Erkenntnisdrang und einer Rastlosigkeit, die Züge von Besessenheit aufweist. „Bewundernswert, aber ein bisschen seltsam war er schon“, kommentierte Pecht und beschrieb, wie Humboldt inmitten eines Erdbebens, wo alles rennt, rettet, flüchtet, die Instrumente auspackt und seismografische Messungen vornimmt.
Doch bevor sein Forschungsschiff, die „Pizarro“, 1799 nach Südamerika aufbricht, bereitet sich Humboldt, dem Willen der Mutter gemäß, auf eine preußische Beamtenlaufbahn vor. Er bildet sich im umfassenden Sinne. In Jena besuchen er und sein Bruder Wilhelm Schiller und Goethe. Die Weimarer Dioskuren sind beeindruckt. Gemeinsam ist ihnen ein ganzheitliches Natur- und Menschenbild und ein humanitärer Bildungs- und Wissenschaftsbegriff, der diesem gerecht wird.
Pecht wies während seiner spannenden Schilderung der abenteuerlichen Amerika-Reise immer wieder auf diese grundlegenden Überlegungen und Erkenntnisse der Zusammenhänge und Beziehungen zwischen den Phänomenen hin, die Humboldt zu einem Pionier empirischer Wissenschaften machen. Pecht strich auch Humboldts Abkehr von einem anthropozentrischen Weltbild heraus. Humboldts humanistische Einstellung und seine Erfahrungen lassen ihn auch zu einem Gegner von Kolonialismus und Sklaverei werden.
„Die Natur muss auch gefühlt werden, nicht nur klassifiziert“, diese fast schon romantische Position, stellte Pecht fest, beseelt Humboldts Forschergeist. Dennoch geht er planmäßig und besonnen vor. Er kauft und testet diverse Messinstrumente. Dazu unternimmt er Reisen durch das von der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen geschüttelte Europa. „Die Welt wird von Krieg und Politik versperrt“, beschreibt er diese Hindernisse, deren Gefahrenpotenzial er gering achtet.
Nach dem Tod der Mutter, 1796, ist er finanziell und moralisch frei, sich in sein Forscherabenteuer zu stürzen. Er besteigt die Alpen und untersucht Vulkane auf Teneriffa. Sind Vulkane lokal, oder bestehen unterirdische Verbindungen? Wieder sind es die Zusammenhänge, die Humboldt interessieren. Am 16. Juli 1799 geht er in Venezuela an Land. Als Erstes steckt er ein Thermometer in den Sand. 42 Kisten mit Messinstrumenten hat er im Gepäck. Am Ende werden die Notate der Messungen, Reisebeschreibungen, Skizzen und Karten, Erkenntnisse und Theorien 30 Bände füllen. Die Druckkosten verzehren sein Vermögen.
Als eine der wichtigsten Erkenntnisse Humboldts nannte Pecht die, dass es vom Menschen verursachte Umweltveränderungen gibt. Rodung des Regenwaldes zum Beispiel führt zu trockenen Böden, erkannte Humboldt und hat früh davor gewarnt, die Natur auszubeuten. Die Kolonialmächte mit ihren ökonomischen Interessen haben dafür gesorgt, dass seiner Warnung keine Konsequenzen folgten. Nach Indien ließen ihn die Engländer gar nicht erst hinein.
Humboldt unterliefen in seinen naturkundlichen Spekulationen und Theoriebildungen naturgemäß Fehler. Sein ganzheitlicher Ansatz und seine empiristische Methode jedoch sind bis heute Grundlage wissenschaftlicher Welterkenntnis. Wer mit Alexander von Humboldt über den Orinoko rudern, Moskitos trotzen und die Verbindung zum Amazonas finden will und wer die Vegetationszonen des Chimborasso kartografieren und die Symptome der Höhenkrankheit ganz gefahrlos im Wohnzimmer erleben will, dem empfiehlt Pecht die breit angelegte Biografie von Andrea Wulf: „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“.