Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Zum 100. Mal das hier

Als neulich noch bittere Winterkälte herrschte, schnüffelte Freund Walter in meinem Archiv herum. Füße am Ofen, auf dem Schoß das Laptop, spuckte er als Ergebnis seiner Recherchen aus: „Schon seit 2005 malträtierst du die Leute jeden Monat mit diesen Quergedanken-Dingern. Die Juni-Folge wird die 100. sein.“ Man hat ein Alter erreicht, da bergen solche Zählungen einen gewissen Schrecken: Verdammich, wie die Zeit verfliegt! Mir ist, als wäre ich eben erst vom festen Redakteursstuhl bei der Rhein-Zeitung aufgestanden, um mich ins freischaffende Journalistenleben zu stürzen. Tatsächlich liegt das schon gut acht Jahre zurück. Und der damals allererste Auftraggeber neben dem alten Stammblatt war das/die „Kulturinfo“.

Man darf zum Jubiläum ja mal in eigener Sache sprechen. Es war ziemlich mutig vom Herausgeber Günther Schmitz, einem Lästermaul wie mir in seinem auf Anzeigen gestützten Veranstaltungsmagazin eine vollkommen freie und unabhängige Kolumne zu geben. Nach einem vergleichbaren Format muss man in deutschen Anzeigenblättern bis heute lange suchen. Und wir waren anfangs alles andere als sicher, ob es auch funktionieren würde. Es hat prima funktioniert. Viele Mittelrheiner mögen die regional gefärbte Mischung aus augenzwinkerndem Leitartikel und holpernder Satire. Kaum ein Stadtgang, bei dem mir nicht irgendjemand zuruft (oder zuflüstert): „weiter so“. Gewiss, ein paar Leute beißen auch in die Tischkante vor Ärger über das, was da geschrieben steht. Doch lesen tun sie’s jeden Monat wieder. Geht mir genauso – etwa mit Dieter Nuhr, dem empörungsfreien Schönwetterapostel unter den Kabarettisten. Bei dem, was er sagt, krieg ich bisweilen die Krätze; aber wie er es sagt, das hat was.

Allen wohl und keinem weh: das ergäbe Schlafmützigkeit. Weshalb Walter seit Jahren fordert, jede Kommune solle per Gesetz gezwungen werden, einen eigenen Satiriker anzustellen. Der müsste  arbeitsvertraglich verpflichtet sein, Großmächtigen wie Kleinleuten am Ort nach Art von Hildebrandt, Schramm, Priol, Pelzig und Co. regelmäßig öffentlich die Leviten zu lesen. Was dem Volk insgesamt und seinem nationalen Führungspersonal gut tut, könnte den hiesigen Herrschaften ja nicht schaden. Aber ach, was ein Geschrei gäbe es wohl, würde an dieser Stelle nur einmal ein mittelrheinischer Amtsträger nach gleicher Manier eingeseift und abgebürstet wie allweil Deutschlands Granden von den Besten des deutschen Kabaretts.

„Du traust dich ja nicht“, mault Walter. Heh, holla, nicht wenige der 100 Quergedanken-Folgen gehen bis hart an die Grenzen der in der Provinz gültigen Benimmkonvention. Und bedenkt man das zwischen den Zeilen Stehende, werden diese Grenzen öfter sogar überschritten. „Lüg dir keinen in die Tasche“ fährt der Freund mich an. „Du bist doch immer nur mit halb angezogener Handbremse unterwegs. Harmloser Feuilletonist halt, nicht zubeißender Kabarettist. Wo man mit dem Dampfhammer zuschlagen müsste, stichelst du bloß in klugscheißerischer Vornehmheit mit dem Gänsekiel herum.“

Das war’s dann mit der Jubiläumsfreude. Bleibt mir nur zu sagen: Sorry, aber krachende oder  kunstvoll schelmische Pointen, wie große Satire sie braucht, gibt mein Hirn leider nicht her. Walter verdreht die Augen: „Vielleicht kapierst du bis zur 200. Folge, dass es manchmal schon reicht, wenn man freiheraus einfach sagt, was man denkt.“                                                              

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 22. Woche im Mai 2013)

Andreas Pecht

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