Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Sommer adé, Winter o weh? („Quergedanken“)

              Monatskolumne Nr. 220, November 2023

Zugegeben: Winter ist nicht so mein Ding. Freund Walter sagt’s anders: „Du bist ein Wintermuffel und eine furchtbare Frierhutsch.“ Ähm, das ist vielleicht ein bisschen drastisch ausgedrückt. Stimmt aber in der Tendenz doch irgendwie. Und gilt auch für die jetzt wieder hereinbrechende Jahreszeit, die heutzutage noch Winter genannt wird, obwohl ihr inzwischen viele der damit traditionell verbundenen Eigenschaften abhanden gekommen sind. Kein großer Winterfreund war ich schon, als es vor Jahrzehnten hierzulande öfter mal noch richtige Winter gab, mit langen Frostphasen, Eis, Schnee und derartigem Krempel.

Die viel beschworene Poesie verschneiter Landschaften kommt halt nur für Momente bei mir an; auch hatte ich schon als Kind bald genug von sämtlichen Wintersportarten. Ich weiß, ich weiß, eine Menge Zeitgenossen können das nicht nachvollziehen. Selbst Walter rollt mit den Augen, wenn ich ihm den Spaziergang durchs kalte Land verwehre oder entsetzt die Hände ringe, wenn er was von „gemeinsamem Skiurlaub“ daherbrummt. Auch in dieser Frage gilt, was neulich hier geschrieben stand: Wie schön, dass wir so verschieden sind.

Bevor mir nun wieder etliche Leut’ wohlmeinend vorschlagen, im Süden zu überwintern, sei vermerkt: Ich bin doch kein Zugvogel! Den Winter hierorts nehme ich zwar nicht mit Freuden, aber in ergebener Duldsamkeit an als eine Zeit, die eben naturgemäß zum Jahreszyklus dazugehört – angemessen gewappnet mit Pudelmütze, Schal, dicker Juppe, Wollsocken und, jawohl, lang’ Unnerbux. Immer wiederkehrendes Thema, bei dem Walter und ich uns indes einig sind: Wer in der dunklen Jahreszeit klamottenmäßig so tut, als gäbe es keinen Unterschied zwischen sonnentrockenen 25 und kühl-feuchten 0 bis 10 Grad, der und die mag halt sehen, was bei klammen Füßen und kaltem Ar… aus dem Sexappeal wird.

Und, Herr- wie Damenschaften, sollten sich dann doch mal die volkstümlich berüchtigten drei Schneeflocken – womöglich mit noch anderen Gesinnungsgenossinnen– verabreden, um in Bonn, Neuwied, Koblenz, Mainz und drumherum für ein paar Stunden oder Tage Straßen- und Bahnchaos zu provozieren: Nein, das wäre kein Beweis für die Nichtexistenz des Klimawandels, sondern bloß ein nochmaliges Aufflackern einstiger simpler Winternormalität, mit der wir im digitalisierten Volltechnikzeitalter einfach nicht mehr umgehen können. Unter den älteren Angehörigen der Bergvölker von Westerwald, Taunus, Eifel und Hunsrück existieren noch Reste eines Wissens, wonach man auf winterlichen Straßen mit Gefühl angepasst fahren muss, statt sich blind auf vermeintlich alles könnende Autotechnik zu verlassen. Auch wissen dorten noch manche: Wenn’s winterwettermäßig mal so richtig haarig wird, fährt man eben nicht in der Gegend rum, sondern beugt sich geduldig der höheren Gewalt.

Dann schau’n mer mal, wie er wird, der Winter 2023/2024. Mit dem vorangegangen Sommer hatten wir ja zumindest im Mittelrhein-Gebiet einigermaßen Glück, jedenfalls was das Menschengefühl angeht. Die ganz großen Hitze- und Dürreperioden sind hierorts ebenso ausgeblieben wie verheerende Sturzfluten und Stürme, auch wenn lokal mancher Ort von kleinzelligem Krawallwetter gehörig gebeutelt wurde. Schaut man über den Tellerrand etwas hinaus, kann einem allerdings gleich wieder mulmig werden: Dürren, Fluten, Unwetter, Flächenbrände, viel zu warme Ozeane …. rund um die – politisch sowieso entsetzlich aus den Fugen geratende – Welt.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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