Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Lesetipp: Florian Illies über Caspar David Friedrich

„Ja, Friedrich atmet zeitlebens Natur ein, um sie als Kunst wieder auszuatmen.“

Dieser trotz eines gewissen Pathos doch treffliche Satz stammt aus einem doppelseitigen Artikel von Florian Illies in der jüngsten „Zeit“-Ausgabe (Nr. 45, 26.10.2023) über den Maler Caspar David Friedrich. Der sehr schöne, erhellende, informative Text ist in aller Unbescheidenheit überschrieben mit „Die Erfindung der Sehnsucht“. Er ist unverkennbar eine Liebeserklärung des Autors an den zu Lebzeiten völlig unbedeutenden, nacher berühmtesten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts – und zugleich ein Erklärungsversuch, warum dieser vor zweieinhalb Jahrhunderten geborene Künstler gerade heute wieder beim Publikum so hoch im Kurs steht.

Illies schreibt u.a.: „Caspar David Friedrich, 1774 in Greifswald verdüstert und verloren geboren und 1840 in Dresden verarmt und vergessen gestorben, ist der Maler der Stunde – gerade weil seine Kunst nicht nur das Herz öffnet, sondern darin auch einen stechenende Schmerz auslöst über das unwiederbringlich Verlorene. Verrückterweise bringt er mit dieser gemischten Gefühlslage das auf den Punkt, was ‚Romantik‘ ursprünglich meinte.“ (…) „So kann man körperlich die schmerzhafte Diskrepanz erleben zwischen den zauberhaft stillen Landschaften Friedrichs vom Anfang des 19. Jahrhunderts – und den verstörend lauten, gefährdeten Landschaften im Zeitalter des Klimawandels am Anfang des 21. Jahrhunderts.“

„Er war ein Nationalist, Frömmler und Kauz“ heißt es in der Unterüberschrift des Artikels. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs wird Friedrich zum Vorkämpfer gegen den Erzfeind Frankreich umgedeutet, die Nazis stilisieren ihn dann zum geistigen Vater einer „germanischen Kunst“. Beides hält Illies für ungerechtfertigt. „Gleichzeitig wird Friedrichs Kunst, und das ist das Wundersame, in den 1930er-Jahren auch von Walt Disney und Samuel Beckett entdeckt; und es ist faszinierend zu sehen, dass jede Zeit und jede Ideologie in ihm etwas anderes erkennt.“

Dieser Tage erscheint Illies‘ Buch „Zauber der Stille. Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“ (S. Fischer). Für manchen, mich etwa, mag die Lektüre eine gute Vorbereitung auf das Friedrich-Jubeljahr 2024 sein mit seinen avisierten zahlreichen Ausstellungen und erwartbaren Aktivitäten. Und womöglich erleben bei der Wieder- oder Erstbeschäftigung mit diesem Künstler viele Zeitgenossen das von Illies in der „Zeit“ so beschriebene Phänomen: „Dass diese aus tiefstem christlichen Glauben geschaffenen leuchtenden Himmel heute nicht nur bei jedem Buddhisten und Hinduisten, sonder auch bei jedem Atheisten, der noch Restwärme in sich hat, voll anschlussfähig sind, gehört zu den herrlichsten Paradoxien von Friedrichs Werk.“

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Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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