Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Guten Tag allerseits im Januar 2024


8.2.2024

Bemerkenswerter Leitartikel in der heute erschienen Ausgabe der „Zeit“ zu den Demos gegen Rechtsextremismus/AfD. Auszüge:

„Noch zum Jahreswechsel sah es so aus, als sei das radikal rechte Lager auf einem unaufhaltsamen Vorschmarsch. (…) Auf der anderen Seite wirkte die demokratische Zivilgesellschaft mut- und kraftlos. Drei Wochen später erlebt die Bundesrepublik die wohl größten Straßenproteste ihrer Geschichte, die AfD fällt um jeweils drei Prozentpunkte und die Bruchlinien im radikal rechten Lager treten offen zutage.

‚Das nützt doch bloß der AfD‘, dieser Diskurspresslufthammer wurde auch angeworfen, als der Protest sich formierte. Doch mit einem Mal sind die AfD-Vertreter hektisch bemüht, die Teilnehmerzahlen in Zweifel zu ziehen (…). Für eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die schweigende Mehrheit zu vertreten, stellt es eben doch ein ernst zu nehmendes strategisches Problem dar, wenn eine laustarke Mehrheit aufsteht und auch rein zahlenmäßig die Verhältnisse einmal geraderückt: 25.000 Teilnehmer demonstrierten auf dem Höhepunkt der rechten Mobilisierung im Pegida-Jahr 2015, zwischen einer und anderthalb Millionen Menschen waren es, je nach Zählweise, allein am vorvergangenen Wochenende. (…)

Diese Proteste mögen oft von jenen organisiert werden, die sich verdienstvollerweise seit Jahren gegen die radikale Rechte engagieren. Aber sie sind nicht links in einem engeren Sinne, sondern eine Machtdemonstration der politischen und kulturellen Mitte. (…) Es geht bei diesem Protest um ein Bündnis vom Ballermann bis zur Basisgruppe. Denn das ist es, was die AfD am meisten fürchtet.“


5.2.2024

Zeitungblättern, Fernsehgucken, Radiohören, Netzwerkscrollen – es führt an der Erkenntnis kein Weg mehr vorbei: Karneval, Fastelovend, Fassenacht, Fasching ist nun voll entflammt. Tja dann, was machste damit? Ich muss einräumen: Bei Saalsitzungen mitzutun, die länger dauern als manch große Wagner-Oper, und bei denen du womöglich noch zum Schunkeln, gar zur Polonaise gedrängt wirst, ist nicht so meine Sache. Auch nicht, am Straßenrand in Kamelleschlachten und Gutelauneschieberei verwickelt zu werden. Doch muss ich gestehen: Vom Wohnzimmersessel aus via Mattscheibe mancherlei Kokolores und knuffig-giftiger Büttenrednerei zu lauschen, das mag ich doch irgendwie. Selbstredend auch schaue ich den Mariechens gerne beim (scheinbar) federleichten Gardetanzen zu. Und das Sahnehäubchen sind allemal Kameraschnitte auf Momente im Publikum – oft zum Kringeln, die Leut‘. In diesem Sinne mein Rheinland, Mittrelrhein und Rheinhessen übergreifender Vergnüglichkeitsruf für die dollen Tage: Helolaulaaf!


4.2.2024

Die tagesschau sprach allein für den gestrigen Samstag (3.2.) deutschlandweit wieder von „mehreren hundertttausend Teilnehmern“ an Demonstrationen/Kundgebungen gegen Rechtsextremismus/AfD. Die größte Manifestation gab es in Berlin mit „mehr als 150.000“ (Polizei) bis 300.000 (Veranstalter), gefolgt von Freiburg 30.000, Augsburg und Nürnberg je 25.000, Dresden 20.000+, Mainz und Krefeld je 10.000+ … Daneben fanden wieder in unzähligen kleineren Orten Aktionen statt. Einige Beispiel seien genannt. Schon am Donnerstag hatte das Westerwald-Örtchen Hachenburg mit 3000+ Demonstranten vorgelegt; am Freitag waren es in Nierstein 1500. Am Samstag dann in Neuwied 3000+, Simmern/Hunsrück 4000, Linz am Rhein 600, Aalen/Ostalb 5000+, Gifhorn 2000, Bad Wimpfen 600 ….


4.2.2024

Nach längerer Zeit war ich, der Ruheständler, am Wochenende mal wieder für die Rhein-Zeitung im Kritikereinsatz. Das Musik-Institut Koblenz hatte bei seinem 6. Anrechtskonzert das Bonner Beethoven Orchester zu Gast. Auf dem Programm standen die dritte Leonoren-Ouvertüre und Richard Strauss‘ berühmtes opus 30 „Also sprach Zarathustra“. Zentrum des Abends, aus meiner Sicht, war freilich eine ganz frische, wohl von niemandem im Publikum bisher gehörte Gegenwartskomposition von Fazil Say, die im Mai vergangenen Jahres Uraufführung in Budapest hatte und im Dezember deutsche Erstaufführung in Frankfurt: Konzert für zwei Trompeten und Orchester. > Meine Konzertbesprechung (4100 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text)


30.1.2024

Dritte Woche der Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen unter der inzwischen wohl bundesweit verbreiteten übergeordneten Sammellosung „Nie wieder ist jetzt!“. Hier Aktionsorte/Termine der nächsten Tage in Rheinland-Pfalz (soweit ich sie finden konnte; Ergänzungen bitte in der Kommentarspalte).

HEUTE: Bad Kreuznach, 30.1., 17 Uhr Kornmarkt.

DEMNÄCHST:
– Hachenburg, 1.2., 18 Uhr, Alter Markt.
– Simmern/Hunsrück, 2.2., 17 Uhr, Hunsrückhalle.
– Speyer, 2.2., 18.30 Uhr, Domplatz.
– Birkenfeld, 3.2., 11 Uhr, Mozartplatz.
– Neuwied, 3.2., 11 Uhr, Luisenplatz
– Ludwighafen, 3.2., 14 Uhr, Berliner Platz.
– Mainz, 3.2., 12 Uhr, Ernst-Ludwig-Platz.
– Adenau, 3.2., 14 Uhr, Rathaus.
– Altenkirchen, 4.2., 14 Uhr, Schlossplatz

– Landau, 4.2., 14 Uhr, Rathausplatz


29.1.2024

Es könnte die verehrte Leserschaft etwas befremden, dass in der jetzt erschienenen Folge 223 meiner  „Quergedanken“ ausgerechnet jenes Thema, das seit dem Wochenende 19. bis 21. Januar die ganze Republik, und den Autor ebenfalls, heftig umtreibt, mit keinem Wort erwähnt wird. Der Grund dafür liegt in der Plötzlichkeit, mit der die definitiv größte gesamtdeutsche Protestbewegung nach Kriegsende losgebrochen ist. Als ich mich am 15. Januar bei drängendem Redaktionsschluss hinsetzte, um die Monatskolumne in die Tasten zu hauen, war nicht absehbar, dass nur fünf Tage später bundesweit Hunderttausende gegen Rechtsextremismus und die AfD, für ein demokratisches, freiheitliches, buntes Deutschland auf die Straßen gehen würden. Hätte ich geahnt, dass die Zivilgesellschaft derart geschwind und heftig in Bewegung geraten würde, ich hätte das Thema meines Artikels gewiss etwas anders gewählt oder gewichtet. Nun denn: Die allerjüngste Geschichte mag es also überholt haben, völlig überholt ist es dennoch nicht. > Schaut euch diese aktuellen Altvorderen an („Quergedanen“ 223)


28.1.2024

Foto: Demo gegen rechts 28.1.2024 in Trier. ca. 10.000 Teilnehmer

So. Ein letzter Rundblick an diesem zweiten großen Wochenende der Demonstrationen/Kundgebungen gegen Rechtsextremismus/AfD für ein demokratisches, freiheitliches, buntes Deutschland. Genauere Teilnehmerzahlen liegen noch nicht vor, aber die Boebachter gehen für dieses Wochenende von „mehreren Hunderttausend“ aus. Die summarischen Rechnungen kommen für die zwei Wochen bis heute auf Werte zwischen ca. 1,5 Millionen und mehr als 3 Millionen Teilnehmer an den Aktionen. Selbst wenn man den niedrigsten Wert nimmt, ist festzustellen: Diese Protestbewegung ist die größte gesamtdeutsche seit Kriegsende.

Hier noch einige Schlaglichter vom heutigen Sonntag (28.1.), vor allem wieder sehr viele Klein- und Kleinststädte; teils Orte, von denen ich noch nie gehört habe. Die in dieser Sache bisher größte rheinland-pfälzische Kundgebung gab es heute in Trier mit rund 10.000 Teilnehmern (s. Foto), die vielleicht bemerkenswerteste mit so nie erwarteten 5000 in Bad Neuenahr-Ahrweiler; die bundesweit größte in Hamburg mit 70.000 bis 100.000. Anderwärts: Heppenheim 4000, Obernburg/Elsenfeld 1500, Ebersberg 2500, Oschatz 300, Warburg 2000, Ibbenbüren 6000+, Pegnitz/Oberfranken 900+, Bad Tölz 1000, Neustrelitz 800+, Leonberg 2000, Traunstein 3000, Aschersleben 800, Bremerhaven 7000, Duderstadt 3000, Dachau 4000 …


27.1.2024

„Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“ (Max Mannheimer 1920-2016, Holocaust-Überlebender)

Heute, 27. Januar, ist Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Dieser Tag wurde im Jahr 2005 von den Vereinten Nationen zum Gedenken an den Holocaust und den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau eingeführt.

***

(Foto von der Demo in Düsseldorf am 27.1.; laut Polizei rund 100.000 Teilnehmer)

Sorry, aber ich werde an diesem Wochenende nichtmal den Versuch wagen, die Teilnehmerzahlen an den Demos/Kundgebungen gegen Rechtsextremismus zusammenzutragen. Das ist für einen einzelnen Privatmenschen einfach nicht leistbar angesichts mehrerer hundert Aktionsorte bundesweit. Darunter diesmal überwiegend Mittel-, Klein- und Kleinststädte, von denen die Medien nur einige beispielhaft nennen. Entsprechend liegen die Teilnehmerzahlen – wie ein Schnellrundblick durchs Netz eben ergab – zwischen etlichen Dutzend und „rund 100.000 (so die Polizei über die Demo in Düsseldorf, das als eine der wenigen Großstädte heute mit dabei war). Gleichwohl sind es vielerorts die größten Kundgebungen, die dort je stattfanden.

Hier nur ein paar schnell herausgegriffene Funde von heute als Beispiele (überwiegend Polizeiangaben). RLP: Roth/Südpfalz 200, Bingen 1200, Neustadt 1400, Frankenthal 1000, Worms 4000, Kaiserslautern 6000. Hessen: Wehrheim 500, Gelnhausen 1500, Butzbach 2000, Hofheim/Taunus 2000, Michelstadt/Odenwald 1500, Marburg 16.000. Andere Bundesländer: Kiel 12.000+, Singen 4000, Sigmaringen 2000+, Neumarkt/Oberpfalz 1500+, Aachen 13.000, Mannheim 20.000+, Gera 1000, Frankfurt Oder: 4000+, Brandenburg/Havel 1000, Lübeck 8000+, Cloppenburg 3000 ….


26.1.2024

Bitte beachten: Die Liste der Demos/Kundgebungen gegen Rechtsextremismus/AfD in Rheinland-Pfalz von 26.1. bis 3.2. (s. Eintrag weiter unten am 23.1.) wird seit der Erstpublikation vor drei Tagen fortlaufend aktualisiert und ist inzwischen auf mehr als doppelte Länge angeschwollen, weil ständig neue Orte hinzukommen.

Übrigens: Am gestrigen Donnerstagabend u.a. in Rostock 7000+, Wiesbaden ca 15.000, Mönchengladbach 6000, Hagen 5000+, Siegen 5000+. Und übrigens, interessant: Für Österreich sind heute Demos in Wien, Innsbruck und Salzburg angekündigt unter dem Motto „Demokratie verteidigen – Aufstehen gegen die recht Gefahr“ – „um rechtsextremen Parteien wie der FPÖ den politischen Nährboden zu entziehen“.


25.1.2024

Nachtgedanken

Es ist ein gutes Zeichen, wenn Höcke und die ganze rechtsradikale Gemeinde jetzt an allen Ecken zetern, die Bilder von den Massendemonstrationen gegen sie seien gefälscht, Fake, KI-generiert, sozusagen nichts als Täuschung einer großen Medienverschwörung. Lächerlicher Unfug, wissen nicht nur mehr als eine Million Demonstranten, sondern können etliche Millionen Augenzeugen in rund 200 Städten bezeugen. Die braunen Herrschaften kommen mit dem Ausmaß des Gegenwindes aus der demokratischen Zivilgesellschaft nicht zurecht; sie sind nervös.

Die Parole „Wir sind das Volk“ ist für sie seit dem Wochenende verbrannt; Weiterverwendung wäre nur noch eine Lachnummer. Nicht wenige Mitläufer, Nachläufer und Empörungsläufer sind irritiert. Denn irgendwie scheint das Bild nicht zu stimmen, das man sich in der rechten Blase gemacht hatte: Die Mitte der Gesellschaft sei auf dem Sprung, sich unter AfD-Fahnen zu sammeln, ja man sei selbst schon diese Mitte. Nachdem das bleierne Erstarren der Demokraten vor dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des Rechtsradikalismus aufgebrochen ist, wird auf beiden Seiten die Realität wieder sichtbar: Hier steht eine 3/4- bis 4/5 Mehrheit demokratietreuer Bürger, dort eine 1/5- bis 1/4-Minderheit, der Demokratie, Toleranz, Freiheit, Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit wenig, einigen Teilen gar nichts bedeuten. Als ich am 15. Januar


23.1.2024

Karikatur: Oli Hilbring

Die überparteilichen Demonstrationen/Kundgebungen gegen Rechtsextremismus/AfD, für ein demokratisches, buntes Deutschland dehnen sich nun in die Fläche aus. Hier eine Liste von Aktionen in Rheinland-Pfalz im Laufe dieser und der nächsten Woche auf die ich im Netz gestoßen bin (ohne Gewähr):

– Puderbach, 26.1., 17.30 Uhr, Dorfgemeinschaftshaus.
– Ingelheim, 26.1., 17.30 Uhr, Friedjof-Nansen-Platz.
– Idar-Oberstein, 27.1., 17 Uhr, Platz auf der Idar.
– Zell/Mosel, 27.1., 15 Uhr, Katz Brunnen.
– Kaiserslautern, 27.1., 11 Uhr, Stiftskirche.
– Bad Breisig, 27.1., 11 Uhr, Kurpark.
– Worms, 27.1., 11 Uhr, Otto-Wels-Platz .
– Neustadt/Weinstr., 27.1., 15 Uhr, Marktplatz.
– Zweibrücken, 27.1., 12 Uhr, Hallplatz.
– Frankenthal, 27.1., 12 Uhr, Rathausplatz.
– Mayen, 27.1., 11 Uhr, Marktplatz.
– Offenbach an der Queich, 27.1., 18 Uhr, Birkenwiesen1
– Bitburg, 27.1., 14 Uhr, Bedaplatz.
– Hermeskeil, 27.1., 11 Uhr, Rathjausplatz.
– Andernach 27.1., 16 Uhr Merowingerplatz.
– Wittlich, 27.1., 14 Uhr, Ottensteinplatz (ZOB)
– Bernkastel-Kues, 28.1., 11 Uhr, Forumsplatz.
– Boppard, 28.1., 11 Uhr, Rheinallee/Musikpavillon.
– Trier, 28.1., 14 Uhr, Porta Nigra.
– Cochem, 28.1., 15 Uhr, Endertplatz.
– Ahrweiler, 28.1., 14 Uhr, Bahnhof Ahrweiler.
– Gerolstein, 28.1., 17 Uhr, Brunnenplatz
– Bad Kreuznach, 30.1., 17 Uhr Kornmarkt.
– Hachenburg, 1.2., 18 Uhr, Alter Markt.
– Simmern/Hunsrück, 2.2., 17 Uhr, Hunsrückhalle.
– Speyer, 2.2., 18.30 Uhr, Domplatz.
– Birkenfeld, 3.2., 11 Uhr, Mozartplatz.
– Neuwied, 3.2., 11 Uhr, Luisenplatz
– Ludwighafen, 3.2., 14 Uhr, Berliner Platz.
– Mainz, 3.2., 12 Uhr, Ernst-Ludwig-Platz.
– Adenau, 3.2., 14 Uhr, Rathaus.

Aktionen in anderen Bundesländern > siehe hier


22.1.1024

Es hat mich heute ein (mir durchaus wohlgesonnener) Zeitgenosse per Mail gefragt: „Warum machst du dir diese Mühe der Erbsenzählerei und suchst vermutlich stundenlang aus regionalen Medien in ganz Deutschland Teilnehmerzahlen der örtlichen Demos zusammen? Es wäre doch wichtiger, sich mit der politischen Analyse und Einschätzung der Ereignisse zu befassen.“ Er bezog sich auf meinen gestrigen Post, in dem ich Teilnehmerzahlen der Kundgebungen/Demos vom Samstag gegen Rechtsextremismus/AfD aufgelistet hatte. Meine Redaktion auf die Mail:

„1. Die einfachste Antwort: Irgendjemand sollte/muss das machen. Und da ich im Netz bis eben auf keine oder keine halbwegs realistische Zusammenstellung gestoßen bin, mache halt ich das. Und da bekanntermaßen die Polizei in der Regel (und seit jeher) Zahlen der niedrigsten Schätzungsebene angibt, sehr viele Veranstalter hingegen in ihrer verständlichen Euphorie zu Maximalschätzungen neigen, benutze ich bei unterschiedlichen Angaben von einzelnen Orten die Methode des „Mittelns“. Wobei seit jeher klar und auch unvermeidlich ist: Selbst bei um größtmöglichen Realitätsbezug bemühten Angaben liegt die Fehlerquote nach unten wie nach oben zwischen 20 und 30 % – je größer eine Versammlung umso schwieriger die Schätzungen.

2. Mich interessiert brennend, von welcher tatsächlichen Größenordnung – des Aufwachens der Ziviligesellschaft nach einer langen Phase aus Gleichgültigkeit oder ängstlicher bis geschockter Erstarrung – wir eigentlich reden. Insofern betreibe ich das Zusammentragen der Zahlen aus Eigeninteresse, kann die Ergebnisse dann aber auch gleich allgemein zur Verfügung stellen. Es macht eben für die politische Einschätzung (auch die gesellschaftliche Wirkstärke) gerade des jetzigen Aufbruchs eben einen gehörigen Unterschied, ob an einem Tag wie dem jetzigen Samstag bundesweit 100.000 oder eher (wie gestern gehabt) 300.000 Menschen sich an den Aktionen beteiligen.
Deshalb die Mühe der „Erbsenzählerei“


22.1.2024

Ungefähre Bilanz der Teilnehmerzahl an Demos/Kundegbungen bundesweit gegen Rechtsextremismus/AfD am Sonntag 21.1. (Die Auflistung umfasst nicht alle Aktionen)

Gesamtsumme Sonntag: ca. 350.000 (gesichert).
Problem: Gerade bei den ganz großen Aktionen wie in München und Berlin liegen die Schätzungen (zählen kann das ja niemand) derart extrem weit auseinander, dass selbst die Methode des Mittelns kaum noch sinnvoll ist. Ich gebe deshalb in diesen Fällen die Spannbreite zwischen Minimal- und Maximalschätzung. Nähme man jeweils die Maximalschätzung käme man für diesen Sonntag auf eine Gesamtsumme von weit über 700.000 Teilnehmern.

Östliche Bundesländer (ich liste sie eigens auf bis hinunter zu kleinste Aktionen in kleinen Orten – sofern ich sie im Netz finden konnte –, nicht zuletzt weil in den kleinstädtischen Hochburgen der AfD und des Neofaschismus auch ein besonderer persönlicher Mut dazu gehört, an solchen Demos teilzunehmen): Leipzig 50.000+; Dresden 25.000 bis 40.000; Cottbus 4000; Görlitz 2000+; Pirna 1000; Neubrandenburg 800; Radeberg 700; Perleberg 600; Templin 500; Döbeln 350 ….

Westen: Berlin 100.000+ bis 350.000; München 100.000+ bis 250.000; Köln 70.000; Bremen 50.000 bis 70.000; Bonn 30.000; Freiburg 25.000; Saarbrücken 13.000+; Göttingen 12.000+; Flensburg 10.000; Herrenberg (Landkreis Böblingen) 6000+; Baden-Baden 2000+; Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) 3500; Pinneberg 3500 ….


20.1.2024

Für die Verhältnisse im kleinen und nicht eben für überschäumende Demonstrationsfreudigkeit bekannten Koblenz war sie ein riesiges Ding: Die Kundgebung unter dem Motto „Für die Demokratie – Gegen den Faschismus“ am heutigen Samstagvormittag (20.1.). Erwartet hatten die Veranstalter urspünglich etliche hundert Teilnehmer, gekommen sind nach Schätzungen der Koblenzer Polizei – trotz lausiger minus zwei Grad – um 5000.

Kundgebung 20.1.2024 in Koblenz „Für die Demokratie – Gegen Faschismus“. Foto: Doris Plötz

Samstag 20.1.2024:
Erfurt 10.000, Halle/Saale 16.000, Wilhelmshaven 3000, Lübeck 3000, Hannover 35.000+, Braunschweig 15.000, Gießen 12.000+, Kassel 12.000+, Aachen 10.000, Koblenz 5000+, Frankfurt a.M. 35.000+, Heidelberg 8000, Karlsruhe 21.000+, Pforzheim 2500, Stuttgart 20.000, Freiburg 5000+, Überlingen 2000, Ulm 10.000, Nürnberg 15.000+, Buxtehude 2000 ….

Habe mich mal umgeschaut, wie es mit der Teilnahme an Kundgebungen/Demos gegen Rechtsextremismus/AfD am heutigen Samstag bundesweit aussah. Bei der Durchsicht der Nachrichten lokaler und regionaler Medien fiel auf, dass die in den vergangenen Tagen kursierenden Listen über Veranstaltungsorte zumeist eine Fülle von Orten gar nicht erfasst hatten. Aus den gestern/vorgestern für dieses Wochenende angekündigten 80 Aktionsstädten sind quasi über Nacht mehr als 200 geworden. Auch die obige Demoliste für heute ist nur eine Auswahl. Es fehlen zB fast drei Dutzend Kleinstädte mit weniger als 1500 Teilnehmern. Die von mir angegebenen Teilnehmerzahlen basieren auf Angaben lokaler/regionaler Medien, sind gerundet oder bei unterschiedlichen Angaben in der Berichterstattung gemittelt. Das + hinter einigen Zahlen meint „mindestens“.

Nachtrag: Die obige Auflistung ergibt summa summarum (wenn ich richtig gerechnet habe) rund 250.000 Teilnehmer. Rechnet man in grober und konservativer Schätzung die von mir nicht aufgeführten „kleinen“ und übersehenen größeren Aktionen hinzu, dürften sich allein am heutigen Samstag 280.000+X Menschen beteiligt haben.


19.01.2024

Info aktuell wg. Demos gegen Rechtsextremismus. Hamburg heute: Die HH-Polizei sagt „gut 50.000 Teilnehmer“, räumt aber ein, die Lage sei so unübersichtlich, dass es auch mehr sein könnten. Die Organisatoren gehen von 80.000 bis 100.000+ aus. Sie hatten 2000 angemeldet, nachher mit 10.000 gerechnet. Heute mussten sie die Kundgebung aus Sicherheitsgründen vorzeitig abbrechen, weil immer mehr Leute zum Kundgebungsareal strömten und es dort zu teils gefährlichen Engesituation kam. Auch in fast allen anderen Demonstrationsorten kamen wesentlich mehr Menschen zu den Aktionen als erwartet worden waren. Laut heute-journal wird es am Samstag und Sonntag in 90 weiteren Städten bundesweit Kundgebungen/Demos gegen Rechtsextremismus/AfD geben.


Nun der traditionelle Gruß zum Wochenende: Macht euch ein schönes! Meteorologische Vorhersage für West/Südwest: Weithin Kaiserwetter über geschlossener Schneedecke. Wer auf schneeige Lustbarkeiten steht, wird also voll auf seine Kosten kommen. Aber auch ich werde draußen ein bisschen Sonne tanken und Frischluft schnappen.

Hallo Koblenz, hallo Mittelrhein: Sieht man sich am Samstag ab 11 Uhr auf dem Koblenzer Münzplatz zur Demo gegen die Braunen, für ein demokratisches, freiheitliches, buntes Deutschland?

Zur Feier des Tages werde ich jetzt eine Fischsuppe kochen. Was gefeiert wird? Nichts – alles. Also, dass wir trotz schier unendlich vieler Widrigkeiten noch immer lachen und lieben können. Solch eine Suppe habe ich noch nie gemacht, weiß nicht, wie das geht. Doch habe ich eine Fantasie, wie es gehen könnte und schmecken sollte. Und nun werde ich mich mühen, meine Fantasie (ergo: ohne Rezept) Wirklichkeit werden zu lassen. Als Zutaten stehen bereit: Zwiebeln, Knoblauch, Lauch, Sellerie, Möhren, Zitrone, Weißwein, diverse Gewürze, ein Tiefkühlpaket Meeresfrüchte und drei ordentliche Fischstücke. Wird spannend. Schaun mer mal.

Nachtrag 3 stunden später:

So. Die Supp‘ ward gekocht (problemlos), gegessen ist sie auch schon. Wir könnten Luthers heute öffentlich kaum mehr zitierbare legendäre Frage an die Tischgenossen derart bescheiden: „Aber Martin, das tun wir doch ausgiebig. Sitzt du auf den Ohren? Denn ja doch: Es hat uns geschmacket, und zwar ganz vortrefflich“. Weil das so war, haben wir uns noch einen sehr schlichten, aber wunnebaren Nachtisch gegönnt: Schokoladenpudding mit gezuckerten Birnenschnitz‘ obenauf. Jetzt für mich zum Abschluss noch ein „Herrengedeck“: Muskatell-Grappa, Espresso und ’ne Zigarre. = Ein Festessen ohne Fest – bloß zur Feier der Lebensfreud‘.


18.1.2024

Vorhin (Do 18.1.) vor dem Hauptbahnhof Mainz: Kundgebung gegen Rechtsextremismus, an der 5000 bis 7000+ (unterschiedliche Angaben in den Medien) Menschen teilnahmen. Initiiert hatte die Aktion übrigens ein Freundeskreis aus einem halben Dutzend Studierenden. Und weiter nun: Koblenz, Samstag 20.1., 11 Uhr Münzplatz. (Foto: Moritz Eisenach)


17.1.2024

Das Maß ist offenbar voll. Schon kurz nach jenem Geheimtreffen von AfDlern, Reichsbürgern, Neofaschisten und nationalreaktionären Werteunionisten zur Planung von massenhafter „Remigration“ (Deportation) gab es in etlichen Städten Deutschlands Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, Neofaschismus und AfD, für Demokratie und eine freiheitlich bunte Gesellschaft. Auf die Schnelle von örtlich ganz unterschiedlichen Initiatoren aus der Zivilgesellschaft organisiert, sind in den letzten paar Tagen bei diesen ersten Demonstrationen bereits etliche zehntausend Menschen gegen die Braunen auf die Straße gegangen – z.B. in Leipzig, Rostock, Schwerin, Berlin, Hamburg, Kiel, Duisburg, Essen, Köln, Saarbrücken …

Diese überparteiliche Bewegung scheint sich im Moment explosionsartige auszubreiten. Allein in dieser Woche sind bis Sonntag (nach Stand 17.2. Mittwochmittag) bundesweit in 73 Städten Demonstrationen/Kundgebungen angesagt. Darunter am morgigen Donnerstag 18.1. in Mainz (18 Uhr Hauptbahnhof) sowie am Samstag 20.2. in Koblenz (11 Uhr Münzplatz). Einen Überblick über die anderen Aktionsorte und -tage in Deutschland gibt es hier > demokrateam.org


16.1.2024

Am heutigen Dienstagnachmittag hierorts Windstille und strahlender Sonnenschein über geschlossener Schneedecke. Kaiserwetter sozusagen. Man mag kaum glauben, wovor die Wetterfrösche aller Dienste für den morgigen Mittwoch und teils auch noch für Donnerstag eindringlich warnen: Es käme „eine ausgewachsene, ernste Unwetterlage auf die Südhälfte Deutschlands zu.“ Der Schwerpunkt liege höchstwahrscheinlich entlang einer Linie von NRW über Saarland/Rheinland-Pfalz und Hessen bis in die Lausitz. Regional unterschiedlich, aber doch recht großflächig stünden zu erwarten: Starkschneefälle mit Neuschnee teils bis 25/30 cm innerhalb kurzer Zeit; Eisregen über mehrere Stunden (Eispanzer-Bildung), andernorts (je südlicher umso mehr) Starkregen auf noch gefrorenen Boden. Auch mit Sturm ist zu rechnen, möglichweise zeitversetzt etwas später.
Gerechnet wird mit Zusammenbruch des Straßenverkehrs in erheblichem Umfang, örtlich auch mit Stromausfällen. Empfohlen wird: Möglichst daheim bleiben.

Ursache dieser Wetterlage: Das von Süd/Südwest hereinziehende (Bayern und BaWü erwischt es wohl schon im Laufe dieser Nacht zuerst) und sich nach Norden bewegende Tiefdruckgebiet „Gertrud“ bringt ungewöhnlich warme Luft mit (zweistellige Plusgrade im unteren Bereich), die über der Mitte Deutschlands auf die seit Tagen vorherrschende Kaltluft trifft. Es bildet sich eine Wettergrenze scharfer Gegensätze mit den für Mittwoch angesprochenen Unwetterphänomenen.
Passt also auf morgen. Umsicht und Vorsicht sind angesagt – plus Daumendrücken, dass es vielleicht doch nicht so arg wird, wie die aktuellen Wettermodelle vermuten lassen.


Übrigens – und da sollte sich niemand falschen Hoffnungen hingeben: Die gestern am lautesten schrien „Merkel muss weg!“ und heute am lautesten schreien „Die Ampel muss weg!“, sie werden morgen kaum minder laut schreien „Die neue Groko muss weg!“ oder „Jamaika muss weg!“ oder „Merz muss weg!“ oder sogar „Söder muss weg!“. Denn in Wahrheit meint ihr Geschrei immer nur: Die Demokratie, der Rechtsstaat, die bunte Zivilgesellschaft müssen weg.


15.1.2024

Da ich bekanntlich eine überschäumende Liebe zu Eis und Schnee hege, war mir dies im noch dunklen Frühmorgen zum Start in die neue Woche eine riesige Freude: Dick vermummt vors Haus treten und Schnee schippen, eine wunderherrlich große Menge. Sodann mein Auto freischaufeln, freifegen, freikratzen, um zwecks Physiotherapie in den Nachbarort zu fahren. Woraus allerdings nichts wurde, weil in Folge der unaufhörlich niedergehenden weißen Pracht sich auf den dorthin führenden Straßen gar nichts mehr bewegte. Wie schön, dass dieses Versäumnis kaum ins Gewicht fällt, schließlich sorgt ja Frau Holle hinreichend für physiogymnastische Bewegung. *Ironie aus*


14.1.2024

Wird zur Zeit tausendfach im Netz verbreitet, ist aber erstunken und erlogen: Angeblich soll der Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro monatlich auf 25 Euro erhöht werden. Diese Aussage ist unwahr. Der vorläufige Vorschlag der KEF-Experten beläuft sich auf eine Erhöhung im Jahr 2025 um 3,1% oder 58 Cent auf dann 18,94 Euro im Monat. Man mag auch von diesen 58 Cent halten, was man will. Sie sind gleichwohl etwas völlig anderes als die bloß zum Zwecke der Hetzagitation frei erfundene Erhöhung um vorgebliche 6,64 Euro.


13.1.2024

Weil ich mal wieder der schweren Gedanken überdrüssig bin, noch ein Beitrag zur Kulinarik. Eigentlich ist ja bei uns samstags Posauneneintopf (aus Linsen, Bohnen oder Erbsen) Tradition. Heute haben wir uns beim Blick aus dem Fenster mal anders entschieden. Es wird am Abend geben: Fleischsuppe vom schottischen Hochlandrind mit Eistich, Markklößchen und Geselligkeitseinlage drinne. Geselligkeitseinlage? In guter Kindheitserinnerung = Buchstabennudeln, bisweilen auch Scrabblenudeln genannt. Kommen die auf den Tisch, wird seit jeher die alte Benimmregel ausgesetzt, wonach man mit Essen nicht spielen soll. Da wird der Tellerrand zum Spielfeld.


12.1.2024

Wie ich eben höre, ist der Liedermacher, Komponist, Schriftsteller Ulrik Remy im Alter von 74 Jahren verstorben. Einige werden sich noch an seinen Song „Die Kneipe“ oder seine Alben in den 1970ern erinnern. Der gebürtige Gelsenkirchener – 1973 beim „Song Festival“ in Ludwigshafen mit dem Pressepreis als bester Newcomer ausgezeichnet und kurz zuvor von Karl Dall in einer Kölner Kneipe als Musikant entdeck – lebte auch im Westerwald. Sein dadurch inspirierter Titel „Ich bin aus’m Westerwald“ (2008) wurde häufig als „neues Westerwaldlied“ bezeichnet. RiP


11.1.2024

„AUA!“ schreit der Kerl (also ich, an diesem Morgen). Tränen schießen ihm in die Augen und aus dem Mund ein öffentlich nicht zitierbarer Fluch. Was ist passiert? Es widerfuhr ihm ein Klassiker unter den schmerzhaft häuslichen Missgeschicken. Welcher, das erhellt ein alter Witz, der wie die meisten Witze von Schadenfreude getragen wird: Fragt jemand den lieben Gott, warum er bei der Erschaffung des Homo sapiens dem menschlichen Fuß einen wenig nützlichen kleinen Zeh beigefügt habe. Gottes Antwort: „Ach, weil uns das doch sehr viel Spaß bringt.“

Ja, ja, denn unsereiner himpelt nun erstmal mit gequält verzogener Visage durchs Gemäuer. Wie es zu dem Unglück kam? Zu für Ruheständler angemessen mittelfrüher Stund‘ aus der Bettstatt gestiegen, barfüßig erst halbwach im noch Dämmerhalbdunkel durch die Zimmer geschlurft, um zwecks erster Durchlüftung die Fenster zu öffnen. Leider war dabei die Umgehung des Wohnzimmertisches um einen lächerlichen Zentimeter zu knapp bemessen, weshalb genau auf diesem Zentimeter Tischbein und kleiner Linkszeh Karambolage spielten. Gott sei Dank.


10.1.2024

Rheinland-Pfalz scheint hinsichtlich rechtsextremistischer Unterwanderungsversuche der Bauernproteste keine der gravierend herausragenden Problemzonen zu sein. Für den Norden des  Bundeslandes attestierte die Polizei den Bauernprotesten vom 8.1. überwiegend gesittetes und kooperatives Verhalten, konnte kein Herzeigen „verfassungsfeindlicher Parolen und Symbole“ feststellen. Ähnlich die Berichte von den in Mainz auflaufenden Aktionen in der Mitte des Landes. Bei der Koblenzer Schlusskundgebung am Schloss hat der berichtende Kollege eine „kleinere Gruppe“ besonders mundaggressiver Teilnehmer ausgemacht. Aber Rheinland-Pfalz kann nicht exemplarisch für die Republik genommen werden. Geht man die Berichterstattung der Regionalpresse aus anderen Regionen Deutschlands durch, ergibt sich ein etwas anderes Bild, das durchaus bestätigt: Man muss die Gefahr der braunen Umtriebe ernst nehmen.

Gleichwohl, und das ist gut so: Der feuchte Traum vom jetzt die Demokratie erschütternden „Generalstreik“ oder „nationalen Aufstand“ ist eben erstmal das geblieben: ein feuchter Traum am rechtsextremistischen Rand. Dessen Vorstellung vom Kapern der Proteste für die eigenen düsteren Zwecke hat in der erträumten Breite nicht funktioniert. Die häufig aufgetretene Parole „Die Ampel muss weg“ bezeugt m.E. keineswegs das Gegenteil. Man mag sie für falsch halten und/oder ungerecht angesichts der Tatsache, dass die Vernichtung kleiner Höfe ALLE bundesrepublikanischen Regierungen seit Kriegsende begleitet und dass sich der Brass der Bauern auf die Agrarpolitik „seit VIELEN Jahren“ (also schon lange in Vorampelzeiten) aufgebaut/-gestaut hat, wie der Bauernverband selbst konstatiert. Per se gegen die Demokratie gerichtet ist die Parole nicht, sie trifft eben die gerade amtierende Regierung, deren (je nach Ansicht mehr oder minder sinnigen, mehr oder minder klug kommunizierten) Beschlüsse ein lange volllaufendes Fass zum Überlaufen bringen.


9.1.2024

Nachbetrachtung nur hinsichtlich der Teilnehmerzahlen bei den gestrigen (8.1.) Bauernprotesten. Wie an den Aktionstagen von Fridays for Future habe ich alles, was an Zahlenmaterial aus den Regionen und Städten greifbar ist, zusammengetragen und gerundet zusammengerechnet. Bei stark voneinander abweichenden Angaben der Polizei und der Veranstalter, haben ich einen Mittelwert genommen. Schwierigkeit: Fast alle Traktoren und Teilnehmer waren den Tag über an mehreren Aktionen beteiligt. Um Mehrfachzählungen zu vermeiden, habe ich mich, wo immer möglich, auf die Teilnehmerzahlen von Sternmarsch-Zielorten, regionalen Schwerpunkt-Kundgebungen und gesammelten Maximalkonvois am Mittag/Nachmittag konzentriert.

Das Ergebnis dürfte zwar sehr grob sein, aber immerhin einen ungefähren Anhalt über die Dimension der Teilnehmerzahlen geben. Danach waren bundesweit ungefähr 80 000 landwirschaftliche Fahrzeuge beteiligt (der Bauernverband spricht von „rund 100 000“). Die Kopfzahl der Teilnehmer liegt in der Summe höchstwahrscheinlich irgendwo um 250 000. Damit ist dieser Bauernprotest gewiss der größte in Deutschland seit Kriegsende.

Das Folgende will ich nicht bewerten, sondern nur als informative Relation feststellen: Da die Bauernproteste maßgeblich auf schweren Landmaschinen basieren, wirken sie optisch und nach den zeitweise praktischen Folgen im öffentlichen Leben (Verkehr etc.) wesentlich wuchtiger und/oder größer als andere bedeutende Protestbewegungen der jüngeren und ferneren Vergangenheit in Land. Deshalb zum Vergleich: Beim letzten Protesttag von Fridays for Future im September 2023 demonstrierten bundesweit etwa 220 000 Menschen, in der Hoch-Zeit der FFF-Bewegung waren es am 20.9.2019 weit über eine Million. Eine mit bundesweit 1,3 Millionen Demonstrationsteilnehmern ähnlich hohe Beteiligung verzeichnete am 22.10.1983 die Friedensbewegung.


8.1.2024

Übrigens: Ich halte das derzeit verbreitete generalisierende Bauern-Bashing unter ökonomischen Gesichtspunkten für unangemessen. Es mag einerseits nicht besonders geschickt sein, ausgerechnet in der hinsichtlich Landwirtschaft aktuell so stark emotional aufgeladenen Atmosphäre sich öffentlich Gedanken über grundlegende Probleme der Agrapolitik zu machen. Andererseits ist das allgemeine Interesse am Agrarthema selten so groß wie eben jetzt. So springe ich denn einfach mal hinein ins aufgewühlte Meer. Warum also halte ich das generalisierende Bauern-Bashing für falsch? > Ganzen Text lesen „Wachse oder weiche – Eine seit langem falsche Agrarpolitik“


5.1.2024

Ekelhaft! Die Braun- und Schwarzhemden sind wieder da. Nur tragen sie keine braunen und schwarzen Uniformen, sondern tun so, als seien sie wütend protestierende Bauern. Sie zünden (noch) keine Synagogen an, sondern versuchen „nur“ eine Fähre zu stürmen, auf der ein Minister einer demokratisch gewählten Regierung aus dem Urlaub zurückkommt. Was hätten diese 30 Stürmer auf dem Schiff gewollt, wäre ihr Vorhaben gelungen? Gewiss nicht mit dem Minister über die Forderungen der Bauern diskutieren, denn die sind den verkappten Braun- und Schwarzhemden völlig egal. (Zur Erinnerung: Laut AfD-Programmatik würden ALLE Agrarsubventionen gestrichen.)


4.1.2024

Beim Scrollen durch Facebook springt mich urplötzlich dieser feixende Gedanke an: Wieso eigentlich haben Männer und Frauen der Wissenschaften, der Philosophie, der Künste über Jahrhunderte und bis heute unzählige lange Aufsätze und dicke Bücher geschrieben – wenn sich doch die ganze Welt und sämtliche menschlichen Eigenschaften, Verhaltensweisen, Beziehungen anscheinend ganz simpel durch kurze Sinnsprüche und ein paar knappe Zitate erklären lassen?


3.1.2024

Ein kleines Weilchen noch, dann sind mir Schwimmhäute und Kiemen gewachsen. Obendrein verblasst im Hirn die Erinnerung daran, was helles Tageslicht ist. Nach einer hierorts langen Reihe ziemlich feuchter Tage vor dem Jahreswechsel regnet es nun seit rund 30 Stunden quasi durchgehend. Dass Petrus in diesem Augenblick mal den Hahn zudreht und drei Blaulöchlein in die Wolkendecke schießt, halte ich für Verarsche – denn am nahen Horizont dräut bereits wieder Dunkelgräue auf breiter Front.

Mit einiger Sorge denke ich an die Leute in den nördlichen und östlichen Hochwassergebieten, auch an die hiesigen Flusstalbewohner und Anlieger der unteren Bachläufe. Denn bei uns heroben versickert von all dem Regen fast nichts mehr, sondern läuft schnurstracks durch und zu Tale.

Nachtrag am Abend Nicht schön: Der Deutsche Wetterdienst hat für etliche Teile Deutschlands seine Unwetterwarnung „ergiebiger Dauerregen“ bis Samstag – statt bisher Donnerstag – verlängert. Entspannungshoffnungen richten sich nun quasi auf Väterchen Frost, also eine Änderung der Wetterdrift von West auf Nordost und damit polare Kaltluft.


2.1.2024

Erster Werktag eines jeden neuen Jahres: Das war ein Vierteljahrhundert lang der Erscheinungstermin meines Neujahrsessays, jeweils eine ganze Seite in der Rhein-Zeitung. In den Vorweihnachtstagen Thema gewählt, Hintergründe recherchiert und durchdacht; zwischen den Jahren den Text entworfen, geschrieben, ausgefeilt – 12000 Anschläge, wichtige Fragen der jeweils jüngeren Welt- und Gesellschaftsentwicklung etwas grundlegender beleuchtend. Im Januar 2022 erschien mein letztes Neujahrsessay, unter den Überschrift „Was nun: Endzeit oder Neuanfang?“ Da war ich schon ein Jahr im Ruhestand, hatte mich aber bewegen lassen, noch einmal und ein letztes Mal diese herausfordende, alljährlich wohl mühevollste, aber auch spannende Arbeit zu leisten. Nun liegen die Aufsätze im Archiv, stauben, bildlich gesprochen, vor sich hin – obwohl fast alle Texte manchen Gedanken enthalten, der auch im Hinblick aufs Heute noch interessant ist/sein könnte. Wer einmal darin stöbern möchte: Alle Neujahrsessay stehen inzwischen (frei zugänglich) > auf meiner Website,  Verzeichnis hier; dort Überschriften anklicken, dann öffnet sich der Text


1.1.2024

Uff! Auch das wär‘ geschafft.
Und was ich 2020 schrieb, gilt noch immer:

„So. Alle halbwegs gut angekommen? Weihnachten überlebt, Silvester durchgestanden – trotz alledem? Meine Vorsätze für 2020: Ich bleibe meinen alten Lastern treu, werde aber manch bisheriger Pflicht untreu. Ich versuche, den Lockungen des Elfenbeinturms zu trotzen sowie gelegentlich einen Gedanken zu denken, der nicht auf allen Kanälen gekaut, gewalkt, gedreht und gewendet wird. Warum? Aus ernstem Spaß an der Lebensfreud‘.“



29.12.2023

 So, letztes Lebenszeichen von mir im alten Jahr an dieser Stelle: Folge 222 meiner Monatskolumen „Quergedanken“ im Mittelrhein-Magazin „Kulturinfo“. Wünsche guten Rutsch allerseits und … – ach, lassen wir’s lieber. > Lebensgenuss trotz falschen Films


26.12.2023

Auch wenn man kein allzu großer Freund des Deutschen Bauernverbandes ist, und egal wie man zum Protest der Landwirte stehen mag: Das hier (s.u.) ist wichtig! Denn AfD-Gesocks und andere Rechtsradikale versuchen den Unmut der Bauern auf ihre Mühlen zu lenken – und fantasieren bereits von einem „Generalstreik“, der Anfang Januar das ganze Land stilllegen und in seinen Grundfesten erschüttern soll. Die Bauernschaft aber ist den braunen Umsturzfantasten in Wahrheit völlig gleichgültig, sie wollen der Demokratie ans Leder.



>> „Guten Tag allerseits“ in den Vormonaten


Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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