Monatskolumne Nr. 233, 29. November 2024
Nein, nein , nein, das will ich nicht. Ich will nicht in der Weihnachtsausgabe über aktuelle Politik in der Welt und hierzulande schreiben. „Musst du aber“, verlangt Walter, „denn es reden ja alle von kaum was anderem“. Wenn das alle tun, braucht es mich nicht auch noch. „Himmelarschundzwirn,“ wettert der Freund, „du kannst doch nicht unkommentiert lassen, dass die Amis sich einen kriminellen Irren mit Diktatoren-Fantasien zum Präsidenten gewählt haben. Und dass dieser völlig unberechenbare Typ sich ein Gruselkabinett zusammengeschustert hat aus durchgeknallten Verschwörungserzählern, Klimawandelleugnern, Rassisten, Religionsfundamentalisten, Waffennarren, Toleranzfeinden, Profitrittern. Du kannst doch nicht schweigen zum planmäßig herbeigeführten Zusammenbruch der deutschen Ampelregierung und der unmittelbar bevorstehenden Bundestagswahl mit all ihren unwägbaren bis schrecklichen Potenzialen.“
Doch, mein Lieber, das kann ich. Und das mache ich auch. „Ach, der Herr seien trotzig?!“, giftet Walter. Yes, genau das. Ich trotze dem traurigen Umstand, dass die Menschenwelt offenbar in erheblichem Ausmaß von allen guten Geistern eines vernünftigen Fortschritts verlassen ist und sich viele Zeitgenossen offenbar nichts sehnlicher wünschen als die Rückkehr zu den schlechten Geistern schon überwunden geglaubter Vergangenheit bis hin zum Mittelalter – inklusive der barbarischen Unsitten, Kriege wieder als hundsgewöhnliches Element der Politik zu betrachten sowie die Natur als bloß nach Belieben ausnutzbare Quelle für profitables Wirtschaftswachstum und Wohlstand bei einem Teil der menschlichen Erdengemeinde.
Ich trotze, indem ich dazu aufrufe, dieses Weihnachten als Fest des Friedens, der (Nächsten-)Liebe, der Stille zu feiern. Ich weiß, dass das naiv ist. Denn die Trumps, Putins, Höckes und sonstigen Finsterlinge unseres Zeitalters scheren sich einen feuchten Kehricht darum – mögen sie unter weihnachtlichem Lichterglanz auch noch so leutselig für die Kameras posieren. Daran etwas zu ändern, liegt nicht in meiner Macht. Doch was bliebe vom Hoffen auf Besserung irgendwann, gäbe es keine Naivität mehr und verlören wir die Fähigkeit vollends, selbst im kleinen Kreis Weihnachten nach genannter schöner Art zu begehen?
Dieser Gedanke lässt mich wenigstens gegenüber den hiesigen Politparteien und Wahlkämpfern die Forderung erheben: Gebt Ruhe über die Feiertage, Waffenstillstand, temporärer Burgfriede! Stört nicht! Auf dass die Christen ihr Christfest begehen können, andere ihre gewohnten Familien- und Freundesfeste feiern, wieder andere die Jahrtausende alte Tradition der längsten Nacht und damit die Freude über den Beginn länger werdender Helligkeit. Mögen die Anlässe und Gebräuche auch von Haus zu Haus verschieden sein, so eint doch alle der Wunsch nach einigen Tagen des Friedens daheim, nach Besinnung, nach Ruhe, Behaglichkeit, freundlichem Miteinander.
Ist das zu viel verlangt? Walter brummt, knurrt, knottert: „Sie werden dich auslachen, werden dich als pfäffischen Prediger oder weltfremden Spinner verspotten. Die meisten Leut’ werden sich einfach schulterzuckend abwenden, um ins Gemache des modernen Festkerns einzutauchen: Geschenke, Geschenke, noch mehr Geschenke.“ Und? Dann ist das halt so. Mein Trotz gilt auch dem. Der Freund wiegt nachdenklich den Kopf, grinst dann plötzlich und fragt: „Wann darf ich denn bei euch zum Festmahl einfallen?“