Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Gegen das Getrumpel: Vivat free Europe! („Quergedanken“)

   Monatskolumne 237, 28. März 2025

Kreuzdonnergewitter, jetzt muss ich schon wieder politisieren, obwohl mir das zum Halse heraushängt. Aber es nicht zu tun, käme völliger Ignoranz gleich in diesen Tagen, da die Weltordnung von Grund auf umgekrempelt wird wie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Und ginge es nach den Trumps keineswegs nur die politische Weltordnung, sondern Sprache, Wissenschaft, Kultur, ja die Wahrnehmung der Realität insgesamt: Lüge sei fortan Wahrheit, X sei U, oben sei unten, queer sei pervers, Kritik an der Trumpelei sei illegal, Renitenz gegen Musks Staatszerstörung sei ein Verbrechen; Forschungen zu Klimawandel, zu Seuchen, neuen Impfstoffen seien bloß „dreckige woke Ideologie“ wie auch Naturschutz, Menschlichkeit, Anstand.

Kurzum: Fortan solle nur noch als Wirklichkeit gelten, was die neuen Herrn in White House als wirklich dekretieren. Es ist, als seien der Heilige Stuhl und die vatikanische Glaubenskongregation des Mittelalters ins 21. Jahrhundert und von Rom in die USA umgezogen, verkünden nun von dort aus verbindlich: Die Sonne kreist um die Erde und jede andere Ansicht ist Ketzerei wider den von Gott erwählten GröPaZ („größte Präsident aller Zeiten“). Da stehst du nun als aufgeklärter, rationaler Europäer und überlegst: Sind Trump, sein bigotter Sittenwächter Vance und sein Kettenhund Musk einfach nur Irre oder verfolgen sie einen raffinierten Plan. Ich fürchte, beides; ausgetüftelt von der neufaschistischen MAGA-“Elite“ im Hintergrund: Irrsinn als politische Strategie.

Was tun, da nun die Neufaschisten im Weißen Hause (für eine Weile) den Schulterschluss mit dem Neozaren im Kreml suchen, um die gewohnten Regeln internationaler Politik auf den Müll zu schmeißen und die Welt nach alter Kolonial-Methode unter sich neu aufzuteilen? Und wie verhalten sich die Chinesen bei diesem todernsten Spiel? (Erstmal sind sie mürrisch, weil ihnen das jetzige Durcheinander so gar nicht zur Langfriststrategie der stillen Seidenstraßen-Expansion passt.) Trump und Putin jeweils daheim vom Thron holen, das müssten schon die US-Amerikaner und die Russen selber machen. Aussichten dafür? Im Moment nicht gut. Was also können, sollen, müssen wir tun, um unsere Freiheit, Selbständigkeit, aufgeklärte Lebensweise zu verteidigen, sie zu behaupten? Machen wir uns nichts vor: Das freie demokratische Europa steht auf dem Spiel. Es ist Trump und Putin – nebst ihren braunen „fünften Kolonnen“ hierorts – ein Hindernis.

Eigentlich ist es ganz einfach: Unterwerfung unter die Großmächtigen oder zügige Herstellung der Unabhängigkeit des freien Europa auf allen Ebenen. Also, wenn ich bitten darf, Letzteres! Gewiss, gewiss, die Probleme dabei erscheinen unendlich. Aber wenn je etwas alternativlos war in den vergangenen Jahrzehnten, dann das. Und es gibt keinen Grund für Verzagtheit, Kleingeistigkeit, Mutlosigkeit. Was Kanada sich mit seinen 40 Millionen Einwohnern traut, sollte die EU mit fast 500 Millionen auch hinkriegen. Rechnet man Großbritannien, Norwegen, die Schweiz und die Ukraine hinzu, bringt es Europa schon auf 600 Millionen, die Mehrzahl davon in potenten Industrieländern. Von möglichen Verbündeten in Lateinamerika, Asien, Ozeanien, selbst Afrika mal ganz abgesehen.

Die USA sind nicht länger „Land of the Free“, der Hort der Freiheit. Diese Rolle fällt von nun an Europa und seinen Freunden zu. Wir sollten sie entschlossen und, ja, auch mit Stolz annehmen.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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