Ach Leute, ist jetzt mal gut: Ein Virus stellt eine komplette Gesellschaft auf die Probe. Eine Herausforderung, der wir uns nur gemeinsam und mit einigen unbequemen Einschränkungen stellen können. Wir sind bislang im weltweiten (!) Vergleich glimpflich davongekommen: Weder ist unser Gesundheitssystem zusammengebrochen noch müssen bei uns Kühlwagen die Toten wegkarren zum Massengrab.
Ihr fordert immer so gerne Solidarität mit sonstwem – und jetzt? Offenbar ist für viele von Euch immer noch wichtiger, noch so abstruse Verschwörungstheorien zu verbreiten, anstelle auf sachliche Information zu setzen. Und Euch tatsächlich solidarisch zu verhalten, scheint Euch nicht wichtig zu sein: zu Älteren, zu Menschen mit Vorerkrankungen, zu Euren Freunden, Verwandten und Lieblingsmenschen beispielsweise. Das Virus macht keinen Unterschied zwischen uns allen. (Lieber Klopapier hamstern – und Mehl und Hefe.)
Ihr fordert Verantwortungsbewusstsein – überwiegend von anderen. Gebt Eure Eigenverantwortung an »den Staat«, »die Politik« oder »die Politiker« ab. Fühlt Euch von »der Politik« in Eurer Freiheit unzumutbar eingeschränkt. Wollt Masken zur Verfügung gestellt haben. Wollt sie nicht tragen, weil eh alles Unfug. »Soll ich das finanzieren? Das seh ich nicht ein!« schreibt eine Nutzerin drüben bei Malu Dreyer. (Dann näht halt selber. Oder lasst Euch von jemandem, der das kann, Masken nähen. Nehmt Schals, Bandanas oder Halstücher, das Netz ist voller hilfreicher Tipps dazu und die Suchmaschine ist euer Freund.)
Manche von Euch beschweren sich, sie seien nach zwei Wochen Lockdown und Home Office völlig am Ende. Und posten Bilder vom Angrillen im eigenen Garten. Sagt das doch bitte mal z.B. einer Familie, die mit Kindern in einer Hochhaussiedlung wohnt. Oder der Krankenschwester, die arbeiten muss. Der Alleinerziehenden ohne Betreuung für ihr(e) Kind(er) – die Liste könnte man beliebig fortsetzen. (Merkt Ihr selber, oder?)
Sind die furchtbaren Bilder und Nachrichten aus Italien, aus Belgien, aus den USA an Euch vorbeigerauscht? Ignoriert Ihr das alles vorsätzlich? Wollt Ihr das auch hierzulande riskieren, durch unbedachtes Verhalten, durch Bequemlichkeit, durch Euren Egoismus? Ist Euch das nächste Popkonzert, die nächste große Sause, der nächste Urlaub soviel wichtiger als gesund durch diese Situation zu kommen? Wen wollt Ihr verantwortlich machen, wenn sich auch bei uns Szenen wie in New York City, in Bergamo oder anderswo abspielen?
»Die Politik«?
Politiker wissen (wie wir alle) auch nicht wirklich, wie das weitergeht. Sie versuchen allerdings, nach bestem Wissen und Gewissen das Schlimmste zu verhindern. Das ist ihr Auftrag, dafür sind sie gewählt worden. Diese Verantwortung ist schwer zu tragen, ich beneide in der derzeitigen Situation keinen Politiker. Und bin sehr froh – mit Blick auf andere Länder und dort sinnfrei polternde Staatsoberhäupter – hier zu leben.
Ja, Einschränkungen sind unbequem. Ja, sie sind für uns alle anstrengend, sehr belastend, gefährden viele Existenzen von Freiberuflern und Unternehmen. Ja, sie sind grenzwertig, ob Maskenpflicht, Beschränkungen des sozialen Lebens oder Tracking-Apps. Sie sind möglicherweise notwendig und hoffentlich hilfreich, um diese komplexe Situation in den Griff zu bekommen.
Nein, sie dürfen NICHT zur Dauereinrichtung werden – auch das ist UNSER gemeinsamer Job, dazu beizutragen.
Und überhaupt bleibt die Hoffnung, irgendwann sagen zu können, man habe das Virus überschätzt. Besser allemal, als eingestehen zu müssen, dass man sich selber überschätzt und das Virus unterschätzt hat und deswegen mitverantwortlich für Tausende Tote ist.
»Frage nicht, was dein Land für dich, sondern was du für dein Land tun kannst.« sagte J.F. Kennedy. Es passt grade ganz gut, finde ich.
Heike Rost (Mainz)