ape. Mag sein, dass dieser Trump von einem Staatsstreich träumte. Falls ja, so ist der wohl gehörig in die Hose gegangen. Stand derzeit: Der US-Senat hatte noch in der Nacht (MEZ) nach Räumung des Capitols von rechtsradikalen Krawallbrüdern seine Arbeit wieder aufgenommen und hat Biden nunmehr als neuen Präsidenten offiziell bestätigt. Seit den gestrigen Ereignissen hat sich auch die Distanzierungstendenz führender Republikaner von Trump weg zu einer allgemeinen Absetzbewegung gemausert. Obendrein, so ist zu hören, treten einst von Trump eingesetzte Spitzenbeamten im Staatsapparat reihenweise zurück. Auf den Straßen Washingtons scheint Ruhe zu herrschen.
Bleibt die Frage: Wie steht es um die Anhängerschaft Trumps? Wie stark sind da die Kräfte mit Bereitschaft die amerikanische Demokratie notfalls in Trümmer zu legen, um ihr Idol und ihre ideologische Agenda an der Macht zu halten? So gruselig die Bilder gestern vom Sturm aufs Capitol auch waren, am Gewaltakt selbst haben sich, das legen die Fernsehbilder nahe, nur ein paar Hundert Randalierer beteiligt. Wieviele Trump-Anhänger bei der Straßendemonstration mitmachten, ist unklar. Die Medien sprechen von „tausenden“, einige von „zehntausenden“. Eine wenigstens grobe Zahlenangabe, ob eher 20000, 80000, 150000 oder eine halbe Million dabei waren, ist leider nirgends zu finden. Was allerdings hilfreich wäre, um zu irgendeiner vernünftigen Einschätzungen zu gelangen, wie groß das Krawallpotenzial womöglich ist, das Trump jetzt noch mobilisieren könnte.
Nach meinem Dafürhalten ist es (inzwischen) wesentlich kleiner, als der Herr selbst glaubt und mancher hier bei uns fürchtet. Denn es macht auch für sehr konservative und auf die Verhältnisse wie das „Establishment“ sehr zornige Amerikaner einen beträchtlichen Unterschied, ob man Trump zujubelt und ihn wählt oder ob man mit und für ihn die demokratisch-staatliche Ordnung angreift und das Land womöglich in Chaos, gar Bürgerkrieg stürzt. Trotz aller vielfach extremen Spaltung und Zersplitterung der US-Bevölkerung nach Grundhaltungen, Weltanschauungen, sozialen wie kulturellen Lebensbedingungen und -arten: Die übergroße Mehrheit der US-Amerikaner mag alle möglichen Veränderungen wollen, aber eine anarchische Straßenrevolution will sie auf keinen Fall.
Weshalb ich persönlich recht zuversichtlich bin (auch zuvor schon war), dass Trump und Co. keine größere Aufstandsbewegung, erst recht keinen Putsch hinkriegen. Es mag hier oder dort noch Krawalle geben, es mögen gewalttätige rechtsradikale Sekten Terror ins Land tragen – das kann schlimm werden, ohne jedoch das US-Staatsgefüge in seinen Grundfesten erschüttern zu können.
Übrigens: Die Gleichartigkeit der Aktionsformen („Sturm“ auf Bundestag und jetzt aufs US-Capitol) spiegelt die Strategie des Rechtsradikalismus wider: Aufgeptuschter Mob drückt von außen auf die Demokratie, während von drinnen rechtsradikale Abgeordnete in Nadelstreifen am Staatswesen nagen. Solche Doppelstrategie Ist im Grunde ein alter Hut, bei dem am Ende immer die Frage bleibt: Ein wie großer Teil des Volkes tut dabei mit und wie wehrhaft sind alle anderen?
Andreas Pecht