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2015-03-29 Schauspielkritik:

„Dantons Tod” am Schauspiel Frankfurt im Mahlwerk des Terreurs und nach Art des Bonner "Kohlhaas"

Die Revolution frisst ihre Kinder

 
ape. Frankfurt. „Rad des Lebens, Mahlwerk des Schicksals, Maschinerie der Macht: An Sicherheitsseile gehakt, balancieren die Schauspieler auf einer gewaltigen, sich fortwährend drehenden Walze.” So könnte die Besprechung von Ulrich Rasches Einrichtung (Regie und Bühne) des Büchner-Klassikers „Dantons Tod” jetzt am Schauspiel Frankfurt beginnen. Der Satz stammt allerdings aus unserer Kritik der Theatralisierung von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas” 2012 am Theater Bonn (∇ hier), ebenfalls aus Rasches Hand. Zwar rotieren in Frankfurt nun drei hintereinander gestaffelte Gigantwalzen statt einer. Doch sind die Parallelen in Optik, Akustik und Spielweise derart eindeutig, dass man den Regisseur entweder des Abkupferns bei sich selbst zeihen muss oder beide Produktionen als Teile eines Fortsetzungsprojekts begreifen.



Letzteres ließe sich durchaus begründen. „Kohlhaas” entstand 1810 und handelt von einem  begrenzten Aufstand im Sachsen des 16. Jahrhunderts, der sich an einem herrschaftlichen Willkürakt gegen den gleichnamigen Pferdehändler entzündet. „Dantons Tod” schrieb Georg Büchner 1835 und thematisiert darin das in Frankreich unter dem Wohlfahrtsausschuss schreckliche Ausufern der den ganzen Feudalismus erschütternden Revolution von 1789.

Aus dem Nacheinander beider Werke ist das Bild der historischen Entwicklung vom kleinen Aufruhr zur großen Revolution ableitbar. In beiden Fällen entgleitet die entfesselte Revolutions-Furie den Revolutionären, wird zum mörderischen Mahlwerk, das „die eigenen Kinder frisst” (Danton), also sie selbst und ihre Ideale. Weshalb die Verwendung der Bühnenwalzen in Bonn wie Frankfurt als naheliegendes und treffendes Sinnbild gelten kann.

Auch ansonsten wirken die beiden Inszenierungen wie aus einer Gussserie. Je zwei Musiker an den Bühnenrändern, dazu drei Sänger – die in Frankfurt auf der hintersten Walze mitmarschieren: Wummernde Rhythmen und oratorische Chorik unterstreichen mit dramatischen Klängen, was das 12-köpfige Ensemble, in wechselnden Gruppen gegen das unerbittliche Drehen der Walzen anmarschierend, erspielt. Es transferiert Büchners Text in rhythmisches Kollektivsprechen oder wuchtig skandierende Dialoge und Monologe; alles frontal dem Publikum ins Gesicht oder ins Nichts geschleudert.

Doch erleben wir, wie schon in Bonn, ein erstaunliches Phänomen: Die mehr als zweistündige, pausenlos treibend bewegte Monotonie der Großform gebiert im Verbund mit Variationen des körperlichen, mimischen, sprecherischen Spiels packende, ja erschütternde Intensität. Im Zentrum die Gegenspieler Danton und Robespierre, beide Führer der Revolution. Der eine zugleich Lebemann und Menschenfreund, dem die blutige, despotische Massenguillotinierung 1793/94 von vermeintlichen „Feinden der Revolution” unerträglich geworden ist. Der andere, Robespierre, ein puritanischer, eiskalter Machtkalkulator, der „im Dienste der Sache” nach diversen ehemaligen Mitstreitern nun auch Danton unters Fallbeil bringt.

Nico Holonics gibt Robespierre in schwarzem Gehrock als stets kontrollierten, in tugendhafter Maske zynisch geziert über die Walze trippelnden Revolutionsdiktator. Der Danton von Torben Kessler hingegen mutiert im Laufe des Abends vom saftigen Lustmenschen zum gequält seine Mitschuld am blutigen Terreur Erkennenden, der schließlich erhobenen Hauptes dem Tod entgegen geht. Tot hängen am Ende alle in der Luft, quasi zermalmt vom Walzwerk der Revolution, das sich als Mahlwerk der Geschichte ungerührt weiterdreht. Hoffnung gibt es in dieser großartigen Inszenierung so wenig wie in Büchners genialem Stück. Der Mensch, so beider düstere Botschaft, ist sich selbst stets der ärgste Feind – selbst wenn er aufbricht, die Welt vom Schlechten zum Besseren zu wandeln.

Andreas Pecht

Infos: >>www.schauspielfrankfurt.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 30. März 2015)


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