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2011-07-02a Dreiteiliges Essay:

Die Energiewende beginnt im Kopf  –  1. Teil


Den Mut zum Ausstieg
nicht vermiesen lassen


 
ape. Die Stilllegung aller Atomkraftwerke in Deutschland bis spätestens 2022 ist beschlossene Sache. Die zügige Umrüstung der Energieversorgung aufs regenerative Prinzip ebenso. Die Republik will die Energiewende. Das ist gut, aber kein Pappenstiel, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe von beträchtlicher Dimension. Am Ende dieses Prozesses wird das Land anders aussehen und anders funktionieren als heute. Wenn alles klappt, ist Deutschland nachher sicherer, sauberer, lebenswerter und obendrein wirtschaftlich erfolgreich.
                                  

Doch von selbst geht das nicht; die Energiewende bedarf der Anstrengung aller. Dem Staat und der Energiewirtschaft allein kann, ja soll man diesen Umbau nicht überlassen. Er braucht die Einmischung und Mitwirkung der gesamten Gesellschaft bis hinunter zum Einzelnen: um beim großen Umbau auf Sozial- und Naturverträglichkeit zu pochen; um gerechte Verteilung der Umbaukosten einzufordern; um alle Potenziale zur Energieeinsparung auszuschöpfen. Denn eines kann von der Energiewende nicht erwartet werden: Dass durch die Leitungen künftig grüner Strom fließt, ansonsten aber alles bleibt wie es war.

In den Monaten seit der Fukushima-Katastrophe war hierzulande ein eigentümliches Schauspiel zu beobachten. Je mehr sich verdichtete, dass am Atomausstieg kein Weg mehr vorbeiführt, umso herzhafter wurden die Bekenntnisse vormals prominenter AKW-Befürworter zur Energiewende – allerdings bei gleichzeitig vehementer Aufzählung von angeblich drohenden Problemen. Interessanterweise erhoben vor allem solche Zeitgenossen Bedenken, die bis dato kaum je durch Zweifel an technischem Fortschritt aufgefallen waren.

Industrialisierung der Landwirtschaft, grenzenlose Expansion des Automobil- und Luftverkehrs,  Satellitentechnik, 300 km/h schnelles  Bahnnetz, digitale Revolution, Marktliberalisierung etc.pp.: Deutschland wurde ohne weitere Bedenken seit Kriegsende technisch-strukturell mehrfach  umgewälzt. Nur bei der Energiewende soll es jetzt schier unüberwindbare Probleme geben? Mit Verlaub, wir hatten einst das dichteste Eisenbahnnetz Europas aufgebaut. Wir haben ein flächendeckendes Trinkwassersystem hingekriegt und zuletzt auch mit dem Bau tausender Kläranlagen ein fast lückenloses Abwassersystem. Wir haben das gesamte Land mit einem Straßennetz nie dagewesener Kompaktheit überzogen.

Jede dieser Maßnahmen war für die Gesellschaft in summa teurer und umfänglicher, als es die Energiewende sein wird. Und wir betreten mit ihr ja auch technisch kein unbekanntes Terrain. Die Verwandlung von Wasserkraft in Strom ist ein uralter Hut. Die Energiegewinnung aus Windkraft und diversen Solartechniken birgt seit längerem statt Geheimnissen vor allem Möglichkeiten der Effizienzsteigerung. Stromtransport über weite Entfernungen über oder unter der Erde: kein Neuland. Thermofenster und Hausdämmung: Wir wissen wie‘s geht. Strom- und Wärmegewinnung aus Müll: längst über die Testphase hinaus.

Will sagen: Die wichtigsten Technologien für eine regenerative Energieversorgung stehen serienreif zur Verfügung; und das nicht erst seit heute. Von den unzähligen Innovationen ganz zu schweigen, die jetzt dank Energiewende endlich aus dem Wartestand kommen. Technisch gesehen, könnte Deutschland beim energetischen Umbau schon viel weiter sein. Warum ist es das nicht? Erste Antwort: Weil das Land zu lange fixiert war auf das Versprechen, das Atomzeitalter löse sämtliche Energieprobleme. Zweite Antwort: Weil die beherrschende Stellung weniger Konzerne den Energiesektor auf zentralistische Stromproduktion in atomaren und fossilen Großkraftwerken festnagelt. Dritte Antwort: Weil es der Bevölkerungsmehrheit zu lange gleichgültig war, woher ihr Strom kommt und wieviel sie verbraucht, wenn nur der Preis erträglich blieb.

Mag sein, dass sich mancher Kopf noch schwer tut mit der Vorstellung, intelligente Netzwerke aus einer Vielzahl unterschiedlicher Energieproduzenten sollen demnächst das alte Monopol der schwerindustriellen Kraftwerksgiganten ersetzen. Man fürchtet um die Versorgungssicherheit, fürchtet die Umbaukosten, fürchtet um den Wirtschaftsstandort. Kurzum: Man fürchtet das „Experiment“ Energiewende. Freilich gibt es da einige Risiken. Aber was wiegen die im Verhältnis zum riskantesten Experiment der Nachkriegszeit überhaupt: dem mit den Atomkraftwerken? 

Gerade die Bedenkenträger sollten sich daran erinnern, mit welch bedenkenlosem Feuereifer vormals der Ausbau der Kernenergie betrieben wurde – obwohl es sich da um das größte Gefahrenpotenzial handelt, das je einer Technik anhaftete; und obwohl bis heute nicht mal klar ist, wohin mit den strahlenden Produktionsabfällen. Verglichen mit diesem Blindflug, glänzen die jetzigen Anfangsplanungen für die regenerative Energiewende geradezu durch Pragmatismus, Transparenz, Solidität und Risikoarmut. Deutschland hat schon größere Projekte gestemmt als die Energiewende. Den Schneid dazu sollten wir uns nicht abkaufen lassen.                                                          Andreas Pecht


2011-07-05 Essay, Teil 2:
Energiewende beginnt im Kopf - Jeder kann seinen Beitrag leisten und auch noch sparen



2011-07-07 Essay, Teil 3:
Energiewende beginnt im Kopf - Unterwegs vom Atommonopol zum Bürgerstrom

                                                                                        

(Erstabdruck Juli 2011)

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