Des Koblenzer Staatsorchesters guter Freund und Helfer

Portrait

Eine Begegnung mit Herbert Grohe, seit vielen Jahren Vorsitzender des Freundeskreises sowie des Stiftungsrates der Stiftung Rheinische Philharmonie

ape. Ohne sie würde vieles nicht gehen in der Kulturlandschaft: ohne die meist vereinsmäßig organisierten Freundeskreise der diversen Institutionen. Museen, Theatern, Kleinkunstbühnen, Soziokulturzentren, Festivals und eben auch Orchestern stehen heutzutage derartige Vereinigungen kunstsinniger Bürger und Förderer zur Seite. Mal größer, mal kleiner, mal mehr, mal etwas weniger rührig unterstützen sie jeweils eine ausgewählte Kultureinrichtung ideell und materiell, mit Sympathiebekundungen und Anerkennung, mit Mund-zu-Mund-Werbung und Netzwerkerei. Die Freundeskreise sind meist der treueste Publikumskern, manchmal fungieren sie sogar als politische Lobby im Interesse der Kunst. Und immer wieder helfen sie mit Finanzmitteln aus, wenn Not am Mann ist oder Außerordentliches zu stemmen.

In Deutschland sind die meisten dieser Unterstützerkreise in der fortgeschrittenen zweiten  Hälfte des 20. Jahrhunderts und danach entstanden. Nur in kleinerer Anzahl blicken sie auf eine bisweilen viel längere, teils bis ins 19. Jahrhundert reichende Geschichte zurück. Der Koblenzer Verein „Freunde der Rheinischen Philharmonie e.V.“ wurde zwar erst 1988 auf Intitiative von Karl Darscheid – damals Geschäftsführer der IHK-Koblenz und Direktor des Casino zu Koblenz – aus der Taufe gehoben. Doch hatte bereits von 1959 bis 1982 ein Vorgänger existiert: die „Gesellschaft zur Förderung der Rheinischen Philharmonie“.

Die neuzeitliche Herausbildung all solcher Freundeskreise war häufig eine Reaktion auf Sparmaßnahmen bei den Kulturhaushalten von Bund, Ländern und Kommunen. In diesem Sinne dürfen sie auch verstanden werden als moderne Anknüpfung an jene große, im frühen 19. Jahrhundert begründete Tradition freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements für Erhalt und Pflege des örtlichen Kulturlebens. Seit jener Zeit sind sie nach ihren Möglichkeiten eingesprungen, wenn der hoheitliche Kulturträger schwächelte oder gar ganz wegfiel. Solchem Engagement verdankt etwa das Musik-Institut Koblenz sein jetzt 210-jähriges Dasein ebenso wie das Koblenzer Orchester über den gleichen Zeitraum das Durchstehen so mancher Existenzkrise. Denn es waren Koblenzer Bürger und hiesige Kulturschaffende, die nach dem Verfall der kurfürstlichen Ordnung infolge der Französischen Revolution das herrenlos gewordene Kultur- und Musikleben 1808 in eigene Regie übernahmen und durch wechselvolle Zeiten führten.

Wie das so ist im Vereinsleben, heute womöglich mehr denn je: Sein Funktionieren hängt wesentlich ab vom kontinuierlichen Engagement einzelner Persönlichkeiten und kleiner aktiver Kerngruppen – denen Naturell, Geschick, Möglichkeiten und Bestreben eigen sind, das Interesse der Vereinsmitglieder zu bündeln und in wirksames Handeln umzusetzen. Eine solche Persönlichkeit ist Herbert Grohe, seines Zeichens seit 2002 Vorstandsvorsitzender des „Freunde der Rheinischen Philharmonie e.V.“ sowie Vorsitzender beim Stiftungsrat der 2006 eingerichteten „Stiftung Rheinische Philharmonie“.  Der während des Krieges im Bunker der Koblenzer Marienhof-Klinik Geborene ist ein echter Schängel; einer von jenen Menschen, die ihrer Elternstadt zeitlebens privat und beruflich die Treue hielten, zugleich aber auch allerhand Weltläufigkeit entwickelt haben. Als wir uns bei der Recherche für diesen Artikel in Grohes Arenberger Haus zum Gespräch treffen, kommen er und Gattin Ludmilla gerade von einem Konzertbesuch in der neuen Hamburger Elbphilharmonie zurück.

Der 76-Jährige lebt den sprichwörtlichen Unruhestand. Nicht nur, dass er nach der Verrentung sein Engagement als vehementer Unterstützer der Rheinischen Philharmonie ungeschmälert fortsetzt. Grohe hat auch seine Mitgliedschaft in zahlreichen weiteren Vereinigungen der hiesigen Kulturszene beibehalten. „Etwa 20 dürften es sein, bei denen ich dabei bin“, meint er und zählt auf: Wagner-Verband, Jazz-Club, Freundeskreise des Theaters, der Koblenzer Museen, der Stadtbibliothek, der Villa Musica … Weshalb das alles? Warum so viele? Antwort: „Aus Interesse an jedem, aus Neigung zu den Künsten in ihrer Vielfalt. Auch, weil ich immer der Auffassung war, dass Brückenschläge und Vernetzungen zwischen den Akteuren der Kultur am Ort nützen können.“ In Gedanken darf man wohl hinzufügen: Weil dem vormaligen Vorstandsmitglied eines der größten mit Stammsitz in Koblenz ansässigen Unternehmen – der Debeka-Versicherung – eine recht breite Streuung seines Kulturengagements sinnvoll erschienen sein mochte.

Grohe, Einsatz für die Rheinische Philharmonie, Debeka: Im Gespräch fallen diese drei Aspekte mehrfach in einem Atemzug. Beispielsweise für das Jahr 2002: „Da standen plötzlich der Freundeskreisgeschäftsführer Frank Klemm und der damalige Philharmonieintendant Rainer Neumann bei mir im Büro oben im Debeka-Haus und fragten, ob ich den Vorsitz des Freundeskreises übernehmen könne und wolle.“ So erzählt Grohe, und dass er nicht abgeneigt gewesen sei – sofern seine Kollegen vom Debeka-Vorstand einer Mitnutzung der Logistik des Firmenbüros für die ehrenamtliche Tätigkeit an der Spitze des Vereins zustimmen. Die Versicherungsvorständler hatte keine Einwände gegen dies Ansinnen eines der Ihren, der von den  Lehrjahren an sein gesamtes Berufsleben hindurch dem Unternehmen diente.

Auch im Jahr darauf ließen sie Grohe freie Hand, als der ankündigte, sich mit Verve in den Widerstand gegen die damals vom Land betriebene Orchesterstrukturreform einbringen zu wollen. Verkleinerung des Koblenzer Orchesters um mindestens 20 Stellen, Aufhebung von dessen Selbständigkeit zugunsten einer gemeinsamen Intendanz mit Ludwigshafen, dazu ständiger Musikeraustausch zwischen dort, Mainz und Koblenz: „Unser Orchester und das Musikleben am Mittelrhein hätten davon keinerlei Nutzen gehabt, sondern nur unendlich viel verloren.“ Man merkt dem 76-Jährigen auch noch 15 Jahre danach den Zorn an, der ihn seinerzeit zusammen mit den Musikern, dem Freundeskreis und vielen anderen zum Protest auf Plätze und in Säle getrieben hatte sowie zu komplizierten und konfliktreichen Verhandlungen im Hintergrund.    

Herbert Grohe stammt aus sehr einfachen Koblenzer Verhältnissen, wuchs in einem ärmlichen Hinterhaus am Florinsmarkt auf. Irgendeine besonders kunstinteressierte Vorprägung durch die Familie gab es bei dem späteren Versicherungskaufmann und Diplombetriebswirt nicht. Doch zog es schon den vierjährigen Buben regelmäßig in die benachbarte Stadtbibliothek – zum Angucken von Bilderbüchern. Dort fiel er einer Bibliothekarin auf, die dem Kleinen vorzeitig das Lesen beibrachte; von dem machte er dann auch eifrig Gebrauch. 13-jährig verschlug es ihn erstmals ins Koblenzer Theater; der Jugendliche bekam den antiken Klassiker „Oedipus“ zu sehen – und war damit als lebenslanger Fan der Bühnenkunst gewonnen.

„Mich interessierte auch das Ballett schon bevor ich Ludmilla kennenlernte“, wehrt Grohe schmunzelnd die Annahme ab, erst mit der Gattin sei die Tanzkunst in sein Leben getreten. Was ein durchaus naheliegender Gedanke sein kann, hatte diese für ihre umstandslos lebhafte Art bekannte Frau doch unter dem Künstlernamen Ludmilla Petrowa einst zur Zeit Nurejews im Moskauer Bolschoi als Solistin getanzt. In den 1970ern war sie Ballettmeisterin in Budapest, gelangte auf abenteuerlichen Wegen durch den Eisernen Vorhang nach Wien, wurde Choreografin beim Ballett der dortigen Staatsoper und gründete eine staatliche Ballettschule in der österreichischen Hauptstadt. Schließlich landete sie in Koblenz, stellte dort wiederum eine Ballettschule auf die Beine. Herbert Grohe begegnete ihr erstmals bei einer Veranstaltung in der frühen Zeit der Koblenzer Kulturfabrik – vor der Kufa über eine strittige Frage des richtigen Einparkens disputierend.

Ist Grohe zufrieden mit dem, was in den Jahren unter seinem Vorsitz von Freundeskreis und Stiftung der Rheinischen Philharmonie an Unterstützung zuteil geworden ist? „Es könnte mehr sein, ich hatte mir auch mehr erhofft; aber es war und ist weiter sehr hilfreich.“ Zum Erhofften gehörte eine spürbare Erhöhung der Mitgliederzahl beim Freundeskreis. „Vor allem die Mitgliedschaft von mehr örtlichen Firmen mit entsprechenden Förderbeiträgen wäre wichtig“, sagt er, muss aber konstatieren, dass die Zahl der Vereinsmitglieder seit Jahren von der Marke 300 nicht wegkommt. „Immerhin werden die Wegsterbenden durch Neuzugänge ausgeglichen, aber von nennenswerten Zuwächsen kann leider keine Rede sein.“

Da wirkt, wie bei fast allen Vereinen, auch bei den „Freunden der Rheinischen Philharmonie“ der Zeitgeist: Die Menschen mögen heutzutage nur noch ungern längerfristig feste Bindungen eingehen. Doch resignieren ist Grohes Sache nicht. Weshalb der Vorstand des Freundeskreises einerseits für den Verein ein differenziertes Beitragssystem mit wahlweise Regel-Obulus, Förder-Obulus oder darüber hinausgehender Einmalspende eingeführt hat. Resultat: Die zur Unterstützung der Philharmonie einsetzbaren Geldmittel des Vereins wuchsen zwar nicht exorbitant, nahmen aber zu. Andererseits will der Freundeskreis demnächst eine kleine Offensive starten, um speziell Unternehmen in der Region als Neumitglieder zu werben.

Es sei an dieser Stelle einmal daran erinnert, wofür die Zuwendungen des Freundeskreises so segensreichs verwendet werden. Traditionell sind sie wichtiger Bestandteil der Finanzierung des Konzertbetriebes im Görreshaus selbst; seien es die Orchesterkonzerte im Domizil der Rheinischen oder die dortigen Auftritte von Kammer- und Spezialensembles aus Kreisen der Orchestermusiker. Besonders am Herzen liegt dem Verein die kontinuierliche Kinder- und Jugendarbeit des Orchesters, deshalb wird eine Konzertpädagogen-Stelle mitfinanziert. Und immer wieder mal steuert der Freundeskreis einen kräftigen Batzen etwa zur Anschaffung eines teuren Instruments bei. Zuletzt war es der Kauf einer Harfe, derzeit wird gesprochen über einen neuen Konzertflügel für das Görreshaus. Für all dies ist natürlich jeder Geldzufluss in die Vereinskasse über das normale  Beitragsaufkommen hinaus sehr willkommen. So heuer zum elften Mal aus dem jährlichen Verkauf des Freundeskreis-Adventskalenders, der regelmäßig um 10.000 Euro einbringt.

Neuerdings hat es der Verein mit einer weiteren finanziellen Herausforderung zu tun: Die Orchesterstiftung braucht seine Hilfe. Denn infolge der anhaltend verschwindend niedrigen Bankzinsen sind deren Erträge eingebrochen. Herbert Grohe rechnet vor: „Reichten die Zinserlöse aus dem angelegten Stiftungskapital in den ersten Jahren nach 2006 für die Finanzierung von drei bis vier Orchesterstipendiaten jährlich, so inzwischen nur noch für einen.“ Damit kann die Stiftung allein kaum mehr den Zweck erfüllen, der ihr ursprünglich zugedacht war: die trotz erkämpfter respektive ausgehandelter Abmilderung der Orchesterstrukturreform doch eingetretene Stellenreduktion beim Koblenzer Klangkörper durch Stipendiaten abzufedern. Wo die Stiftung aus ihren 370.000 Euro Anlagekapital und 110.000 Euro freier Rücklage nicht mehr genügend Mittel erbringen kann, springt nun der Freundeskreis ein und finanziert zwei Stipendiaten aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. „Da ist es für die nächsten drei Jahre sehr hilfreich, dass der Intendant des Musik-Instituts, Olaf Theisen, uns das Preisgeld des ihm neulich verliehenen Koblenzer Kulturpreises spendet und aus seinem privaten Geldbeutel noch ordentlich was drauflegt“, freut sich Grohe. Denn damit seien zumindest bis 2021 drei Orchesterstipendiaten je Saison gesichert.

Wo die Rede auf die 2020er-Jahre kommt, drängt sich natürlich die Frage auf: Wie lange will Herbert Grohe noch machen? Die Frage nimmt er gar nicht krumm, meint vielmehr augenzwinkernd: „Ich weiß schon, dass ich nicht mehr der Jüngste bin – aber eigentlich doch recht gut beisammen.“ Kurzum: Er will noch einmal für den Vorsitz der „Freunde der Rheinischen Philharmonie“ kandidieren, will noch eine Wahlperiode alles geben, um dann mit spätestens 80 den Stab an die nächste Generation weiterzureichen. Das Koblenzer Staatsorchester wird also einen seiner besten Freunde, Helfer, Mitstreiter noch ein Weilchen behalten dürfen.

Andreas Pecht

(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Medium außerhalb dieser website am 6./7. März 20187)

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