Total surreal: Salvador Dalí am Rhein

Vorschau: Ausstellungen 2020 im Arp Museum

Remagen. ape. So wird das vom 16. Februar an ein halbes Jahr lang sein: Besucher des Arp Museums in Remagen-Rolandseck schauen durch ein von Mediengestaltern der Fachhochschule Mainz eigens entwickeltes Fernglas auf die Landschaft am Rheinufer gegenüber – und sehen dort seltsam langbeinige Elefanten übers Siebengebirge staksen, wilde Tiger um den Fähranleger springen, brennende Giraffen durch Bad Honnef rennen. Der irrwitzige, Kunst und Gegend raffiniert vetrbindende Ausblick gehört zur Hauptausstellung der Saison 2020. Die womöglich teuerste Schau in der Geschichte des Kunstmuseums an der Nordgrenze von Rheinland-Pfalz trägt den Titel „Salvador Dalí und Hans Arp. Die Geburt der Erinnerung“ und bildet den Angelpunkt des thematischen Jahresmottos „total surreal“.

Immer wieder ganz große Vertreter der Modernekunst zu präsentieren, ist dem Arp Museum seit Eröffnung vor 13 Jahren ein Anliegen. 2016 etwa machte die Ausstellung mit Werken von Henry Moore Furore, 2020 wird mit Dalí der bekannteste aller Surrealisten Aufsehen erregen. 25 seiner Werke finden den Weg nach Rolandseck, darunter einige der berühmtesten wie „Traum der Venus“, „Metamorphose des Narziss“ oder das unverwechselbare „Hummertelefon“. Darunter auch ein Bild, das bislang noch niemals Dalís Heimatstadt Figueres verließ: ein Beethoven-Porträt, gemalt, getrampelt, gewischt aus Oktopus-Tinte und von den Spaniern nur ausgeliehen, um die rheinischen Feiern zum 250. Geburtstag des von Dalí besonders verehrten Komponisten im nächsten Jahr zu bereichern.

Dem Ausstellungskonzept haftet eine Besonderheit an, die Museumsdirektor Oliver Kornhoff sagen lässt: „Das hat es überhaupt noch nie gegeben.“ Gemeint ist die Gegenüberstellung von Werken Dalís und solchen des Hauspatrons Hans Arp. Die beiden kannten sich gut, 1929 trafen der noch junge Exzentriker aus Spanien und der bereits etablierte deutsch-französische Künstler erstmals in Paris aufeinander. Rund ein Jahrzehnt begegneten sie sich immer wieder, nahmen zusammen an Ausstellungen und diversen Aktionen teil.

Beide wurden durch das surrealistische Manifest von André Breton geprägt, das einer Kunst das Wort redet, die aus dem Unterbewussten erwächst, in der Traum und Wirklichkeit eins werden. Beide transferieren Wesen und Dinge aus der Realwelt in fantastische Darstellungen. Doch während Arp auf dem Pfad des abstrakten Surrealismus voranschreitet, entwickelt sich Dalí zum Meister der Verwandlung zwar wiedererkennbarer, aber zu träumerischer Form mutierter Gestalt.

Zeitgleich zur Dalí/Arp-Ausstellung wird eine Etage des Museums dem in Berlin lebenden Künstler Jonas Burgert gewidmet. Unter dem Titel „Sinn frisst“ schafft der derzeit international sehr hoch gehandelte 50-Jährige eigens für diese Schau und die sieben Meter breiten Wände des Meier-Baus einige monumentale Gemälde und Skulpturen  – in ihrer oft verrätselten und symbolhaften, vielfarbig und vielgestaltig Archaik, Mythologie, Zeitgeist verknüpfenden Art durchaus als heutige Fortentwicklung des Dalí‘schen Surrealismus interpretierbar. Vom 21. Juni an gesellt sich dann obendrein die klassische Abteilung des Arp Museums, die Kunstkammer Rau, zum Surrealismus Thema: mit künstlerischen Albtraumvisionen und Apokalypseprophezeiungen von mittelalterlichen Meistern über Hieronymus Bosch bis zur blutigen Gegenwartkunst eines Peter Gilles.

Wenn im September die Dalí- und auch etliche Arp-Leihgaben sich auf der Rückreise zu ihren Stammplätze in großen Museen weltweit befinden, klingt das Jahr im Arp Museum aus mit Präsentationen quasi heimischen Kunstschaffens. Von 13.9.2020 bis 24.1.2021 erinnert eine Ausstellung an das Schaffen des anno 2000 verstorbenen münsterländisch-rheinischen Bildhauers und Malers Antonius Höckelmann, der in den 1970ern für einen Studienaufenthalt im Künstlerbahnhof Rolandseck zu Gast war. Von 4.10.2020 bis 14.3.2021 stellen die diesjährigen Stipendiaten des Künstlerhauses Schloss Balmoral Bad Ems ihre Abschlussarbeiten vor. „Luxus und Glamour? Künstlerische Perspektiven in Mode und Schmuck“ lautete das der jungen internationalen Künstlergeneration heuer vorgegebene Thema. Und es wird interessant sein zu sehen, auf welche Weise die Jungen dabei in die Dimensionen jenseits der bloßen Körperverschönerung vorgedrungen sind. 

 

Archiv-chronologisch: 
Archiv-inhaltlich: