Hilfe ist richtig, Abschottung inhuman und nutzlos

Zur aktuellen Lage in der Flüchtlingsfrage / Kommentar

ape. Außerordentliche Situationen erfordern außerordentliche Maßnahmen. Es ist gut und richtig, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung jetzt auch Besitzer von größeren Gewerbehallen und Freiflächen aufgerufen hat, solche sehr schnell zur Erweiterung der primären Notaufnahmekapazität für Flüchtlinge im Land zur Verfügung zu stellen. Gerne sei deshalb auch an dieser Stelle die Meldeadresse für derartige Hallen und Flächen bei der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz weitergegeben: unterkunft@ea.rlp.de

Denn wir haben eine Lage, die eine seit Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht mehr gewohnte Stufung der Hilfe auf breitester Front erfordert. Erstens Akuthilfe: Notdürftige Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge für die ersten Tage. Das scheint aktuell die noch schwächste Stelle im deutschen System zu sein, die auch binnen Tagen beseitigt werden muss. Zweitens kurzfristige Hilfe: Unterbringung und Versorgung für die nächsten Wochen oder ein paar Monate. Drittens  mittelfristige Hilfe: Unterbringung und schrittweise Eingliederung in das Normalleben hierzulande. Viertens langfristige Notwendigkeit: Höchste internationale politische Anstrengungen, die Ursachen der Völkerwanderung in den Herkunftsländern zu beseitigen. Die ganz große Herausforderung ist, all diese Stufen jetzt sofort gleichzeitig in Angriff zu nehmen.

Die jüngste Wiedereinführung der Grenzkontrollen an der deutsch-österreichen Grenze sowie die Einstellung des Zugverkehrs dort ist ein falsches Vorgehen. Weil: Die deutschen Organisationsprobleme bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen werden so einfach auf schwächere Glieder der Fluchtkette verschoben und treffen schließlich jene Menschenmassen am härtesten, die noch außerhalb unserer Grenzen auf dem Marsch sind. Ich halte diese und alle anderen offenen oder versteckten oder hilflos auf Verzögerung abzielenden Abschottungsversuche auch für falsch, weil sie nicht nur inhuman sind, sondern letztlich - egal wie man dazu steht - objektiv vollkommen nutzlos.

Denn solange die Ursachen dieser neuzeitlichen Völkerwanderung fortexistieren, werden die Menschen immer neue Wege und Möglichkeiten finden, in jene Weltgegenden zu gelangen, auf die sich ihre Hoffnungen richten. Wer jetzt in Ungarn, Serbien, Mazedonien, Deutschland oder sonstwo die Hauptfluchtrouten und offiziellen Grenzübergänge versperrt und/oder die Flüchtlingsaufnahme verweigert, wird es rasch und alsbald mitten im Winter zu tun bekommen mit Elendszügen, die vielfach verzweigt über Europas "grüne Grenzen" von Nebenwegen und querfeldein ziehen. Diese „Wanderungen” werden noch mehr Menschenleben kosten und dann noch viel, viel schwerer zu kontrollieren, zu kanalisieren, zu versorgen sein.
                                   
Andreas Pecht

 

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