Mein seltsamer Freund Walter

Quergedanken Nr. 155

ape. Tja, lieber Walter, jetzt hat es dich doch erwischt. Du magst dich noch so sehr in den Schatten des Inkognito herumtreiben: Künftighin bist du nicht mehr nur ein bisschen berüchtigt, sondern den Mittelrhein rauf und runter richtig berühmt. So sprach ich jüngst zum besten meiner Freunde und eröffnete ihm: Es hat jemand ein Schauspiel über dich geschrieben, das demnächst im Theater Koblenz auf die Bühne kommt. Natürlich zeigt Walter mir den Vogel und knurrt: „Verarschen kann ich mich selber.“ Worauf ich den offiziellen Programmprospekt des Theaters hervorkrame. Dort steht schwarz auf weiß gedruckt für den 16. Januar 2018: „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter. Stück für junge Menschen von Sibylle Berg. Premiere.“ Und siehe, mein alter Kumpel entsetzt sich derart, dass ihm die Kaffeetasse aus der Hand fällt.

Kleinlaut fragt er: „Du hast bestimmt das Textbuch schon gelesen: Was steht drin über mich?“ Das, mein Lieber, was ich schon immer befürchtet hatte, wird hier bestätigt. Du bist in Wahrheit ein Außerirdischer namens Klakalnamanazdta und ein uralter Knacker mit 345 Erdjahren auf dem Buckel. Meist wandelst du unsichtbar unter uns Menschen und gehörst obendrein zu einer geschlechtslosen Alien-Spezies – ähnlich jenem Riesenhasen Harvey, der als unsichtbarer Filmfreund von James Stewart die Welt narrt. Das Attribut „geschlechtslos“ provoziert des Freundes aktuelle Lebensabschnittsgefährtin zu einem wissenden Prusten. Was ihn sichtlich irritiert. Noch mehr beschäftigt ihn allerdings die Sache mit dem Namen. „Klakakladingsbums soll ich heißen, heiße doch aber sogar im Stück Walter. Wie denn nun?“

Klar, ich musste ihm dann die ganze Story erzählen – von der neunjährigen Lisa, die Klakalnamanazdta einfach Walter nennt, weil eben Opas so heißen und die Kleine sich nach einem guten Opa sehnt. Denn ihr Leben als Außenseiterin und Kind erst arbeitslos, dann antriebslos und lieblos gewordener Eltern ist schwierig. Mehr will ich hier über das humorig-nachdenkliche Belehrstück nicht verraten. Schließlich sollen junge Menschen es im Theater anschauen und noch was davon haben. Vielen Erwachsenen könnte ein Besuch übrigens ebenfalls nicht schaden. Stößt einem doch Walters oft sonderbare Außerirdischensicht – wie Leser meiner Kolumne seit Jahren erleben – die Nase in manchen Matsch und Quatsch der menschlichen Verhältnisse.

„Was lässt dich so sicher sein, dass das Stück mich meint?“, fragt Walter. Na ja, weil dieser Alien ständig Sachen sagt, auf die außer dir niemand käme. Zum Beispiel: Das wirklich Wichtige im Leben sei „kuscheln und spazieren gehen“. Was die kleine Lisa arg irritiert. Denn die kennt Erwachsene vor allem als Leute, die immer Geldsorgen haben, dauernd arbeiten und gestresst sind – sofern sie nicht mit Geldnöten arbeitslos auf Sofas sitzen. Und wie du, mein Freund, kommt auch der Walter im Stück mit dem irdischen Konzept des Geldes nicht klar. Beide haltet ihr die Ansicht für Humbug, wonach Geld das Allerwichtigste auf Erden sei, neben der Arbeit, mit der man es verdiene.

Und da wäre als letztgültiger Idenditätsbeweis eben die Sache mit der Unsichtbarkeit. Es besteht nun kein Zweifel mehr, dass du es bist, der mich regelmäßig unsichtbar heimsucht – und aus purer Bosheit Hausschlüssel oder Geldbörse versteckt, Weinvorräte aussäuft, das Klopapier aufbraucht und ständig Staub über die Bücherregal streut. Bursche, dank des Theaters bin ich dir nun auf die Schliche gekommen!    

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 52. Woche im Dezember 2017)

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