Auf dem Teppich bleiben

Quergedanken Nr. 71

Ob es nicht an der Zeit wäre, hier mal wieder etwas über BUGA-Koblenz zu schreiben, fragt ein Leser (für Auswärtige: BUGA = Bundesgartenschau). Nö, eigentlich nicht. Ist doch alles klar: Am 15. April geht die Show los, am 16. Oktober endet sie. Das Ding läuft. Worüber sich vorab noch den Kopf zerbrechen? Dass die Kaninchen am Schloss üble Gesellen sind, weil sie sich an den BUGA-Zwiebeln gütlich tun? Dass im Dezember der Winter hereinbricht und die Bau-Zeitpläne für Europabrücke,  Zentralplatz etc. über den Haufen schmeißt? Ach Gott, Karnickel fressen nunmal Blumenzwiebeln und der Dezember ist hierzulande halt ein Wintermonat. Alle Schulkinder wissen das. Wozu es kommentieren?  

Jedes bepflanzte Beet, jeden verlegten Pflasterstein feiern wie Katar seinen WM-Zuschlag? Man kann es auch übertreiben. Immerhin beobachten wir fasziniert das Phänomen der Befriedung, ja Euphorisierung der Massen. Kein böses Wort mehr gegen die BUGA. Im schlechtesten Fall Gleichgültigkeit, im Regelfall gespannte Erwartung bis Vorfreude, in offiziellen Fällen von Amts wegen enthemmtes Jubilieren. Umleitungen, Sperrungen, Staus, Fußwege als Hindernisparcours und sonstige Unbilden derzeit? Augen zu und durch – man erträgt's als Notwendigkeit auf dem Weg zum großen Ziel. Und tröstet sich damit, dass hernach eine Generation lang Ruhe herrscht: „Weil kein Geld für nix mehr da sein wird“, wie es in den Kneipen rund ums Eck heißt.

Sogar der Kolumnist sieht der BUGA mit Interesse entgegen: Freilich mehr als kulturell-ästhetisches Ereignis denn als Wirtschaftsfördermaßnahme. „Trau dich, schreib's hin!“, stichelt jetzt Freund Walter. Er spielt an auf einen Disput, den wir mit zwei Koblenzer Geschäftsleuten hatten. Thema: Wird der Einzelhandel während der BUGA satte Umsatzzuwächse verbuchen können? Walter hatte zum Verdruss der beiden so beschieden: „Quatsch. Die Besucher haben genug damit zu tun, an einem Tag die BUGA zu verkraften. Die werden müde gelaufen nicht mal eben noch zum Shoppen die Stadt fluten. Höchstens 'ne Tasse Kaffee und 'ne Stulle auf dem Weg zum Bahnhof – das war's dann.“

Der Freund fing sich damit den Vorwurf ein, er wolle die Gartenschau madig machen. Ein ungerechter Vorwurf, herrührend von einer seltsamen Stimmung bei etlichen Koblenzern: Jedes nicht jubelselige Wort über die BUGA wird als Böswilligkeit abgestraft. Mag sein, dass deshalb selbst wohlmeinende Kritiker so schweigsam geworden sind. Hallo, geht’s noch?! Ein bisschen Realitätssinn kann dem Ereignis mehr nützen als manch rauschhaftes Halleluja-Gesinge. Zwei Millionen BUGA-Besucher kommen nun mal partout nicht zum Einkaufen nach Koblenz. Sie kommen wegen der Blumenschau im „weltweit einmaligen kulturhistorischen Ambiente der Rhein-Mosel-Stadt“, würde der neue Koblenzer Oberbürgermeisters in seinem bereits sprichwörtlich werdenden Understatement wohl sagen.

Vielleicht strömen in den Post-BUGA-Jahren mehr Langzeit-Touristen an den Mittelrhein, um  ringsum in Ruhe zu erleben, was sie an ihrem knüppeldichten Gartenschau-Tag 2011 nicht schafften. Und vielleicht gehen dann einige von ihnen auch hier shoppen. Vielleicht … Manches ist möglich, doch wenig sicher und nichts garantiert, was die BUGA-Folgewirkungen angeht. Erfolg oder Misserfolg der Gartenschau nach den 2011er Bilanzen des Handels zu bemessen, wäre indes schräg. So schräg, wie die Wertschätzung fürs UNESCO-Welterbe abhängig zu machen von den Belegzahlen der Hotels am Mittelrhein. Nichts gegen wirtschaftlichen Erfolg, aber noch gibt es auch ein paar Werte und Freuden jenseits der Umsatzziffern.

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