Guten Tag allerseits - im Februar 2017
28.02.2017
Ein Gedanke am Rande der "tollen Tage", in den Sinn gekommen nach Betrachtung diverser TV-Übertragungen und Zeitungsberichte über Karnevalsveranstaltungen:
Den Begriff "Heimat" verbinden die meisten Zeitgenossen offenbar primär mit ihrer nahen Lebensumgebung und kaum mit ihrem Bundesland oder gar der Nation. In den großstädtischen Karnervalshochburgen meint Heimat die jeweilige Stadt - Düsseldorf, Köln, Mainz, Koblenz oder Trier. Je kleiner die Veranstaltungsorte aber sind, umso mehr steht häufig Heimat für die UmgebungsREGION - zB Westerwald, Unterfranken etc.
27.02.2017
Wie der kalendarische Zufall es will, erscheint meine Monatskolumne "Quergedanken" am Rosenmontag bzw. Veilchendienstag. Das passt ganz gut, geht es in der Folge 145 u.a. doch um Unbilden, die sich gerne auch via Küsschen, Kuss, Geknutsche und anderen Humankontaktierungen unter den Menschen ausbreiten. Selbiges möchte man sich vom zweiten Aspekt des Textes nicht mal in den düstersten Momenten vorstellen. Kaum auszudenken, wäre Trumpismus auf gleiche Weise übertragbar wie grippale Infektionen.
Quergedanken 145: Von Grippeviren und Trumpeltieren
(freier Lesetext, 3300 Anschläge)
25.02.2017
Hoch oben im Westerwald wächst unter der Ägide des Bildhauers Erwin Wortelkamp (78) seit 30 Jahren ein bemerkenswertes Kunstprojekt heran: Peu a peu ist eine elf Hektar große Talmulde zwischen den Dörfern Hasselbach und Werkhausen (Kreis Altenkirchen) Heimstatt für 50 eigens in die Landschaft hineingearbeitete Werke fast ebenso vieler Gegenwartskünstler von Rang geworden. Das in Anlehnung ans Prinzip englischer Gärten gestaltete Areal wurde darüber selbst zum Gesamtkunstwerk. Ich hatte unlängst Gelegenheit, gemeinsam mit Wortelkamp das "Im Tal" genannte und in Rheinland-Pfalz solitäre Projekt bei einer dreistündigen Wanderung intensiv zu erleben.
Artikel "Kunst und Natur im Dialog" darüber hier
(5200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)
24.02.2017
Heute mal eine gar nicht gewagte Prognose:
Es dauert eher nur 5 als 10 Jahre bis Heerscharen deutscher Politiker sich in einer Sache um 180 Grad wenden werden: Fast alle, die heute Fernhalten und Abschieben von Migranten/Flüchtlingen für ihre vordringlichste Aufgabe halten, werden dann millionenschwere Anwerbe-Kampagnen für Neubürger aus dem Ausland auflegen wollen - um dem hierzulande stetig wachsenden Nachwuchs-, Fachkräfte- und Konsumentenmangel entgegen zu wirken. Und sie werden dann bedenkenlos den Entwicklungsländern jene fertig ausgebildeten Leute abwerben, die diese am nötigsten brauchen: Ärzte, Lehrer, Ingenieure, IT-Spezialisten, Facharbeiter, Handwerker. Gescheiter wäre, die jetzt schon hier befindlichen Migranten/Flüchtlinge gleich hier selbst ausbilden.
23.02.2017
Am Staatstheater Mainz gibt es jetzt eine Inszenierung der vor 2425 Jahren von Euripides geschriebenen Tragödie "Orestes". Wieder einmal ist es faszinierend, wie aktuell und interessant so ein Uraltstück für uns Heutige sein kann. Denn es geht da um zwei zornige junge Leute, die in einem krisenhaften Gemeinwesen aus Untaten und Schuld der Altvorderen und Elterngeneration die Selbstlegitimation für Angehörigenmord, Geiselnahme, Brandtsiftung ableiten, also quasi für blanken Terrorismus.
Aufführungsbesprechung hier
(3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)
22.02.2017
Shakespeares „Ein Sommernachtraum” ist auch für das Ballett ein wunderbarer Stoff. Denn es geht darin vor allem um Verzauberung durch Erotik, Liebeslust, Triebentfesselung. Wo das Körperliche solches Gewicht hat, ist die Tanzkunst ein naheliegendes Darstellungsmedium. Viele Choreografen haben sich des Stoffes schon angenommen, jetzt auch Tim Plegge, Chef des Hessischen Staatsballetts. Zur Premiere kam in Wiesbaden eine opulente Produktion, die stark auf märchenhafte Verspieltheit setzt, sich hart an der Grenze zur kulinarischen Nettigkeit bewegt - das Abdriften darüber hinaus aber durch mehrfache Bezugnahme zu Shakespeares Tiefenschichten vermeidet.
Premierenbesprechung hier
(3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)
20.02.2017
Meine Besprechung des 6. Anrechtskonzert beim Koblenzer Musik-Institut beginnt etwas unüblich: mit einem Lob für die Konzertbesucher. Denn das jeweils mehr als 1000-köpfige Auditorium hält in diesem Herbst/Winter während des Musizierens bemerkesnwert aufmerksam und diszipliniert Ruhe. Auch die vielen erkälteten Zuhörer verschieben lautes Schnäuzen und Husten auf die Pausen zwischen Stücken und Sätzen. Das ist durchaus keine Selbstverständlichkeit im klassischen Konzertbetrieb.
Ganze Besprechung des Abends mit spanischem Programm, Rheinischer Philharmonie unter Gastdirigent Rubén Gimeno sowie der wunderbaren Sologeigerin Tianwa Yang hier
(3700 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)
20.02.2017
Das werden jetzt, vor allem am Rhein, eineinhalb anstrengende Wochen. Anstrengend fürs fastnachts- bzw. karnevalsselige Freudenvolk. Anstrengend aber auch für davon weniger entzündliche Mitmenschen, erst recht für passionierte Verächter der närrischen Kost. Die Lokalteile der Regionalzeitungen laufen ebenso karnevalistisch zu bis über wie die lokalen und regionalen TV-Sender oder die Timelines bei Facebook. Es kommt arg dick. Doch obwohl ich mich selbst schon eine gehörige Weile nicht mehr mit Pappnas' und Narrenkapp' ins Getümmel stürze, habe ich keinerlei Einwände gegen den Mummenschanz.
Das gilt zumindest dort, wo die Narretei betrieben wird mit ausgelassenem bis augenzwinkerndem Spaß an der Freud' sowie eingedenk ihrer anarchischen Renitenztradition wider böse Geister, ungeliebte Obrigkeiten und verbiesterte Zeitgenossen. Ich werde es heuer wieder halten wie seit vielen Jahren: Via TV den Büttenfastnachtern amüsiert bis kopfschüttelnd aufs Maul schauen, egal ob sie den literarisch-politischen Meenzer Stil pflegen oder die Kölsche Art des Witz-Verzählches. Ich werde mich am Esprit der Gardetänze laben, beim Männerballett und süßen Schunkelballaden indes wegzappen. Man muss ja nicht alles mögen. Und ich werde wieder allerhand Spaß haben an sinnenfrohen bis gruseligen Schnappschüssen, die Kameraleute mit Gespür ebenso fürs Hübsche wie fürs Abstruse im Publikum einfangen.
In diesem Sinne: Helolaulaaf! (= mein Friedensvorschlag an die Parteien des rheinhessisch Meenzer "Helau", mittelrheinisch Koblenzer "Olau" und des rheinisch Kölschen "Alaaf")
19.02.2017
Trump hat jetzt den TV-Sender CNN und die New York Times als "Feinde des Volkes" gebrandmarkt. Es sei daran erinnert, dass seit jeher jedes autoritäre Regime und jede Diktatur mit der Propaganda von den "Feinden des Volkes, des Staates, der Nation, der Ordnung, der Kirche..." erst die Einführung der Zensur, dann die völlige Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit vorbereitet/begründet hat. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass Trump den Sturm, den er da sät, nicht unbeschadet überstehen wird. Denn allmählich beginnen selbst konservative Verfassungspatrioten in den USA zu begreifen, welch faules Ei sie sich ins Nest gelegt haben.
17.02.2017
Freude! Sie sind wieder da. Riesige Kranichschwärme ziehen mit himmlischem Gesang von Südwesten heran über den Westerwald. Frühling kommt.
13.02.2017
Der Bundestagswahlkampf fängt nicht gut an. Es wird vor allem zwischen den beiden großen Parteien vom Start weg zu viel mit Polemikschlamm auf Personen geschmissen. Die Herrschaften sollten sich vergegenwärtigen, dass dies eine der schwierigsten Wahlen seit Bestehen der Bundesrepublik wird. Denn es geht um wesentlich mehr als nur die Frage, ob am Ende Merkel oder Schulz die Nase vorn hat. Es geht ZUGLEICH um die Glaubwürdigkeit und den Rückhalt der Demokratie im Volk.
Eine Dreckschlacht nach US-Muster würde diesem Ziel schaden und nur der AfD nutzen. Ihr sollt deshalb durchaus keinen Burgfrieden halten. Aber es wäre gut und hilfreich, wenn die demokratischen Parteien ihren Wahlkampf diesmal mit Augenmaß und Anstand auf einen beispielhaft gehaltvollen Wettbewerb ihrer POLITISCHEN Ideen, Vorstellungen, Pläne, Absichten konzentrieren würden. Bloßen Theaterdonner braucht kein Mensch.
18.02.2017
Sah der große US-Schriftsteller Philip Roth einen wie Trump kommen? Während derzeit in den USA die Verkaufszahlen für Orwells SF-Klassiker "1984" durch die Decke gehen, kam mir Roth' "Verschwörung gegen Amerika" aus dem Jahr 2004 wieder in den Sinn. Bei Kritik und Publikum war das kein sehr erfolgreicher Roman, man hielt vor 13 Jahren allgemein die Rahmenkonstruktion dieser Familiengeschichte für gar zu abwegig: Statt 1940 zum dritten Mal Franklin D. Roosevelt zum Präsidenten zu machen, wählen die Amerikaner völlig überraschend den populären Fliegerhelden und Nazi-Sympathisanten Charles A. Lindbergh ins Weiße Haus. Was einem damals wie eine recht abstruse literarische Fiction vorkam, erzeugt jetzt beim Wiederlesen beklommenes Staunen. Denn Roth schildert einen schleichenden Prozess der Entdemokratisierung des Landes, der subkutanen Verdummung und rassistischen Durchseuchung der Gesellschaft, wie wir ihn eben jetzt teils mitansehen müssen.
05.02.2017
Auch wenn sie in den zurückliegenden zweieinhalb Jahrzehnten am deutschsprachigen Theater ein überbordender Megatrend geworden ist, so bleibt die Prozedur doch jedesmal ein hochriskantes Unterfangen: Literarische Werke, die geschaffen wurden für die intime Zweisamkeit von Leser und Buch, in Bühnenstücke zu verwandeln. Das Theater Koblenz hat sich nun einen Gegenwartsroman vorgeknöpft:
Michael Köhlmeiers „Die Abenteuer des Joel Spazierer”, 2013 von der Literaturkritik begeistert aufgenommen. Die jetzige Uraufführung der Koblenzer Theatralisierung hinterlässt beim Theaterkritiker hingegen vor allem Ratlosigkeit.
Premierenkritik hier
(4200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)
01.02.2017
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Tilt, Systemabbruch, Maschin' kaputt = Männergrippe reloaded. Am Montagabend zur FSJ-Seminarwoche auf Jugendburg Hohensolms angereist, am Dienstagmorgen nach friebriger Nacht frustriert fluchend wieder abgereist. Bleiben wäre sinnlos gewesen wg. Hirnvermatschung und Leibesauflösung. Ich wollte auch nicht der Seuchenherd sein, dem nachher sämtliche Kultureinrichtungen in Rheinland-Pfalz Krankmeldung ihrer Freiwilligen verdanken. Delirierend von allem möglichen, hüte ich nun daheim das Krankenlager - und warte ergeben auf das Ende des Anfalls.