GeldGedlGeldGeldGeldGeld
Quergedanken Nr. 80
Sagen die Fachleute: Was die Börse bewegt, sind Ahnungen, Ängste, Süchte. Psychologie sei die Haupttriebfeder fürs Handeln der Börsianer respektive ihrer geheimnisvollen Auftraggeber, genannt Anleger. Schließt man vom Erscheinungsbild der Börse in jüngerer Zeit auf die Psyche besagter Akteure, fragt sich der Laie: Wieso gibt es in dieser Anstalt keine Therapeuten und Aufsichtspersonen, um die regelmäßig außer Rand und Band geratenden Irren dort wenn nicht zu heilen, so wenigstens von gemeingefährlicher Randale abzuhalten?
Mehr noch: Wie kann es sein, dass man derart labilen Patienten die Weltfinanzen, ja selbst die Richtliniengewalt für Staats- und Gesellschaftspolitik überlässt? In welche Zustände zwischen Euphorie und Depression die Insassen der Anstalt sich auch immer steigern: Sie genießen Narrenfreiheit, und die Politik spendiert treulich zu jedem ihrer Feixtänze die Musike. Noch mehr: Die uralte Frage, ob die Verrückten verrückt seien oder eher die „normale“ Welt, ist zugunsten der Irren entschieden. Anders lässt sich kaum erklären, dass jetzt sämtliche über Jahrtausende entwickelten Weisheiten, Werte, Qualitäten, Ziele des menschlichen Lebens verdrängt werden durch die höchste Norm des börsianischen Irrenhauses: Der Zweck allen Daseins ist das Wachstum der Finanzrendite.
Als Manfred Krug vor Jahren warb, Hinz und Kunz mögen ihre Spargroschen in die Telekom stecken, beschlossen Walter und ich: Hätten wir Geld übrig, wir würden es nie in Aktien anlegen. „Stell Dir vor, die Kollegen bei der Telekom streiken für mehr Lohn oder gegen Entlassungen. Dann müsstest du als Aktienbesitzer die Daumen drücken, dass sie verlieren. Wie furchtbar.“ So hatte Walter unseren Anschluss an die Mehrheit der Nichtaktienbesitzer begründet. 90 Prozent sind das heute in Deutschland. Für die übrigen 10 Prozent nudeln die Medien endlos das Innenleben der Finanzmärkte durch. Blöd nur, dass auch unsereins sich für den unsagbar drögen Stoff interessieren muss. Denn die Irren hauen nicht nur die eigenen Köpfe an die Wand. Wenn ihnen keiner Einhalt gebietet, verheizen sie noch die Staatskasse, ja selbst mein kleines Genossenschaftssparbuch.
Aber wer sollte Einhalt gebieten – wo doch das Gefühl fürs Lebenswerte aus den Hirnen gewaschen und durch Geldsucht ersetzt ist? Kindheit, Schule, Freizeit, Kultur, Natur...: Nichts gilt mehr als Zweck an sich, alles nur noch als sinnvoll, sofern es am Ende Geld anschafft. Walter fährt ein aktuelles lokales Beispiel auf, wie weit es damit gekommen ist: „Die Koblenzer Sozialdemokratie lässt sich von einem königlich-preußischen Gartenbaudirektor links überholen. Denn während jener Herr Lenné schon im 19. Jahrhundert quer durchs Rheinland eintrittsfreie Bürger- und Volksparks schuf, plädieren hiesige Sozis im 21. Jahrhundert dafür, dem Volk Eintritt abzuknöpfen, wenn es nach der BUGA durch den Schlosspark seiner Stadt spazieren will.“
Es müsste doch gerade für Sozialdemokraten zu begreifen sein, was selbst Augusta, Gemahlin von „Kartätschenprinz“ Wilhelm I., begriffen hatte: „Es soll dem Volke geboten werden ein Aufenthalt außerhalb der kleinen Wohnung und des Wirtshauses: reine Luft in jenem Sinne, auf dass die gottgesegnete Gegend auch diese Menschen zu erhöhtem und warmem Daseinsgefühle erhöbe.“ Also, liebe Freunde von der SPD Koblenz: Die Fürsten sind weg, gebt uns nun ihren Garten als freien Volkspark! Bebel will es.