Fröhöliches Anpacken überall

Quergedanken Nr. 10

Schluss mit der Nörgelei, jetzt wird angepackt! Zwar ist unsereins, wie das letzte Mal besprochen, nicht Deutschland. Deshalb ist Deutschland aber noch lange nicht nichts. Der Schluss wäre so absurd wie die Folgerung aus den französischen Brandnächten: Integration gescheitert. Quatsch! Gescheitert ist bloß jene Hirnrissigkeit, Franzosen mit Migrantenstammbaum in marode Vorstadtghettos abzudrängen, auf dass sie dort verfaulen oder sich wundersam zu „guten Franzosen“ wandeln mögen. Gewünschter Verlauf der Wandlung: Jussuf lässt sich taufen und heißt fortan Jacques, er wechselt die Hautfarbe von braun nach weiß, verpflichtet sich auf zehn Jahre in die Legion und nachher für den Winter als Treppenkehrer auf Spendenbasis zur Metro. Wer das nicht will, der hat gewollt und soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Vive la France!
 
Pardon, wir wollten ja anpacken, und zwar in Deutschland. So wie Platze jetzt anpackt, weil zuvor die eifelanische Rosa Luxemburg (zuviel der Ehre für ein Juso-Schlachtrösslein?) zwischen Frühstück und Mittag den Münte ... Schnee von gestern. Ad hoc heißt anpacken erstmal einpacken: Weihnachtsgeschenke. Nehmet heuer reichlich, denn – hosianna – billiger wird´s nimmer. 16 Prozent Mehrwertsteuer sind geil, ein – hallelujah –  Schnäppchen sozusagen, eine regierungsamtlich erwünschte Steuerflucht auf Zeit vorm 19-Prozent-Regelsatz.

Sie zaudern? Glauben noch immer die Mär vom Gürtel-enger-schnallen? Miesmacher, Wachstumsverhinderer! Begreifen Sie doch: Sind Rock wie Hose erst gefallen und die Sparstrümpfe ausgewrungen, kann endlich der frische Marktwind richtig packen – eisig zwischen die dann nackten Backen. Sie wissen nicht, was Sie kaufen sollen? Ist wurscht, völlig wurscht. Die Welt quillt sowieso über von unnützen Dingen. Wen interessiert schon der Gebrauchswert, der realisierte Mehrwert ist das ultimative Maß. Kaufen auf Teufel komm raus, heißt die Devise. Mehr kaufen, aber weniger verdienen, lautet der kategorische Imperativ zeitgenössischer Leitkultur für Normalsterbliche. Der ist freilich so logisch wie nebenan das Scheitern einer Integrationspolitik, die es gar nicht gibt. Ach Immanuel, wie konnte es dahin kommen?

Schon wieder in die Philosophie gerutscht, wo´s doch ums Weltverändern, eben ums Anpacken geht. Wer packt denn nun an? Koblenz. Ohne Jux. Wer Oberzentrum sein will und Verbindungsglied zweier Welterbe-Gebiete (Loreley-Tal und Limes), wer Buga-Domizil werden und sich obendrein als Kulturmetropole zwischen Köln-Bonn und Rhein-Main behaupten will, der kann schließlich nicht selbstvergessen am Deutschen Eck sitzen und Schiffchen zählen. Zumal alsbald die große Landflucht einsetzen soll, und Millionen ehemaliger Häuslebauer, vorweg deren Single-Sprösslinge, den Lebensraum Stadt zurückerobern wollen. Sagt die Wissenschaft voraus. Nur leider sind die Binnen-Migranten wählerisch: Sie wenden sich den attraktivsten Städten zu, denen mit hoher Lebens- und Freizeitqualität. Sagt die Wissenschaft auch.

Womit wir wieder  beim Anpacken wären und also einmal mehr beim großen Koblenzer Loch, dem Zentralplatz. Unlängst war hier zur ideellen und zweckdienlichen Füllung desselben die Errichtung eines Kulturbahnhofes (mit Park und Kammertheater) als Teil eines neuen S-Bahn-Netzes am Mittelrhein vorgeschlagen worden. Die Koblenzer Ratsparteien legten nun einen anderen Plan vor, der als Idee über Jahre stille vor sich hin reifte: Auf den Zentralplatz, also ins Zentrum der Stadt, kommt ein „Kulturbau“. In dem finden sich als zugkräftiges Dreigestirn zusammen: Mittelrhein-Museum, Stadtbibliothek (neudeutsch: Mediathek) und zentraler Touristen-Service (neudeutsch: Mittelrhein-Erlebnisforum). Es wurden manche Löcher schon schlechter gestopft – weshalb der Querdenker-Vorschlag zugunsten dieses quasi großkoalitionären Modells hiermit zurückgezogen wird. Macht das. Aber macht es auch! Und die S-Bahn fällt hinten runter? Mitnichten. An der führt auf Sicht sowieso kein Weg vorbei: Andernfalls blieben die Landflüchter aus,  und unsere kleine Großstadt dürfte fortan in Ruhe ihre allmähliche Schrumpfung zur Kleinstadt genießen.
Be-sinnliches Einpacken, Auspacken und natürlich Anpacken sei zum Fest gewünscht.

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