Klimawandel verändert hiesige Landschaft - jetzt schon

Eine Foto-Dokumentation aus dem Unterwesterwald

ape. Die selbst gemachten Fotos, die ich hier zusammengestellt habe, sind allesamt in der zweiten Jahreshälfte 2019 sowie in den vergangenen Tagen (Juli/August 2020) entstanden. Jedes Bild stammt von einem anderen der 2019 und 2020 in "meinem Hauswald" vorgenommenen Fichten-Notkahlschläge, zugleich steht jedes für mehrere weitere Kahlschläge und Schadplätze stellvertretend (zu einigen Bildern gibt es Bildtexte, die erscheinen, sobald der Cursor auf das entsprechende Foto gesetzt wird). "Mein Hauswald" gehört nicht mir, sondern meint ein 20 bis 25 Quadratkilometer großes Stück Unterwesterwald zwischen Breitenau/Wittgert und Wirscheid (nord/süd), Saynbachtal und Ransbach-Baumbach (west/ost). Der nordwestliche Waldrand liegt nur ein paar Schritte von meinem Wohnsitz entfernt - und seit rund 40 Jahren treibe ich mich drei- bis sechsmal in der Woche die eine oder andere Stunde in diesem Wald herum. Will quasi sagen: Ich kenne da fast jeden Baum mit Vornamen, bin mit allem Getier dort auf Du-und-Du, kann jede Entwicklung im Großen wie im Kleinen als Teil der eigenen Langzeiterfahrung in und mit diesem Raum beurteilen.

Nach meiner Zählung sind in diesem Waldstück seit Anfang 2019 insgesamt 16 Fichten-Notkahlschläge unterschiedlicher Größenordnung vorgenommen worden. Die liegen nun als kahle Inseln inmitten des übrigen Mischwaldes. Zudem gibt es mindestens doppelt so viele Areale mit noch stehenden bereits toten respektive schwerst geschädigten Fichten. Geht das Fichtensterben im bisherigen Tempo weiter, dürfte es in diesem Betreich des Westerwald in spätestens fünf Jahren überhaupt keine Fichten mehr geben. Aus der Luft betrachtet, sieht "mein Hauswald"  aus wie ein Schweizer Käse mit reichlich Löchern und noch mehr Schimmelstellen. Dieses Bild ist typisch für die hiesige Gegend, wo zumindest im dominierenden Staatswald seit zwei Förstergenerationen keine sehr großen, mehrere Quadratkilometer umfassende Fichten-Monokulturen mehr angelegt worden sind. Stattdessen herrscht laubstarker Mischwald zu etwa zwei Dritteln vor, in den (in der Summe zu rund einem Drittel) kleinere, ein bis mehrere Hektar umfassende Fichtenbestände eingelassen sind.

Die Fichtenbestände sind nun die schwächsten Stellen im hiesigen Ökosystem Wald, weil diese Baumart mit zunehmender Wärme und Trockenheit am schlechtesten zurecht kommt und infolge dessen dem Befall durch Borkenkäfer den geringsten Widerstand entgegensetzen kann. Im forsthistorischen Rückblick bleibt unzweifelhaft festzuhalten: Die massenhafte Ansiedlung der ursprünglich in nördlicheren, also kühleren Gefilden beheimateten Fichte als schnell wachsender "Brotbaum" hierzulande, war keine gute Idee. Allerdings muss ebenfalls festgehalten werden: Als Baumart kam die Fichte fast 250 Jahre mit den hiesigen klimatischen Bedingungen ganz gut zurecht. Erst der Saure Regen und nun der Klimwandel zeugen von einer Überforderung der Baumart Fichte in unseren Breiten. Dass ihre früher großflächige Monokultivierung von Anfang an eine Fatalität für die mitteleuropäischen Wälder darstellte, ist eine andere Frage. Das fortschreitende Fichtensterben unserer Tage (das selbst vor sehr kleinen Fichtenbeständen, ja sogar einzeln im Mischwald stehenden Fichten nicht halt macht) muss als Indikator für die bereits massiv einsetzenden Wirkungen des Klimawandels auf die gewohnte Umwelt verstanden werden.

Wer meinen Fotos misstraut, kann sich die mittlerweile katastrophischen Ausmaße der aktuellen Waldkrise im Unterwesterwald als Wanderer oder bei einer Landpartie mit dem Auto selbst anschauen. Man muss nicht lange suchen, die Kahl und Schadflächen springen einen auch jenseits meines Hauswaldes förmlich an. So etwa: Im oberen und mittleren Brexbachtal (Wanderweg); entlang der Straße von Höhr-Grenzhausen nach Ransbach-Baum; im gesamten Wald zwischen Ransbach-Baumbach und Montabaur (Köppel-Region), teils auch von der A3 aus oder aus dem IC Köln/Frankfurt zu sehen; im Wald auf den Gemarkungen von und zwischen Oberhaid, Mogendorf, Selters; entlang der Straße Alsbach, Kammerforst, Faulbach, Hundsdorf; entlang der Straße von Nauort nach Breitenau; entlang der Straßen von Deesen bis Dierdorf; im gesamten Wald rechts des Saynbachtales von Isenburg bis Kausen und hinüber nach Klein-/Großmaischeid...  

Ich bin überzeugt, aus etlichen anderen Mittelgebirgsregionen Deutschlands ließen sich ähnliche oder noch schlimmere Waldbefunde zusammentragen. Für die kann ich nicht sprechen, meine Doku konzentriert sich auf den Nahraum des eigenen authentischen Betrachtens und Erfahrens. Für die mäßige Qualität der Fotos sei um Nachsicht gebeten, ich bin halt nur ein schreibender Knipser und kein Fotograf.

Andreas Pecht

 

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