Zum Erscheinen meines Buches über die 210-jährige Geschichte des Musik-Instituts Koblenz
Das Vorwort zur Orientierung und als Appetitmacher
Freude, Spannung. Jetzt endlich geht das Ergebnis einer Arbeit an die interessierte Öffentlichkeit, die mich mehr als drei Jahre neben dem normalen Journalistengeschäft auf Trab hielt. Am heutigen Abend beim ersten Saisonkonzert 18/19 des Musik-Instituts Koblenz: Erstverkauf meines Buches "Aus Liebe zur Musik. Das Musik-Institut Koblenz im Lauf der Zeiten 1808 bis 2018" (Hardcover, 200 S., 25 Euro).
Morgen (Sa, 22.09.) beginnt dann der Buchhandelsvertrieb über die Niederlassungen und den online-shop der Koblenzer Buchhandlung Reuffel.
Nachfolgend das Vorwort des Buches zur Orientierung und als Appetitmacher.
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Vorwort:
Bevor ich mit der Arbeit am vorliegenden Büchlein begann, war in Gesprächen mit dem Intendanten des Musik-Instituts Koblenz (MI) die Frage zu klären: Was für eine Art Publikation soll es werden. Schon der Umstand, dass Dr. Olaf Theisen in meiner Person einen örtlichen Kulturjournalisten um die Autorenschaft ersucht hat und keinen Kulturwissenschaftler oder Musikhistoriker, gibt einen ersten Richtungshinweis. Gedacht war nicht an eine wissenschaftlich-historische Forschungsarbeit und deren nachher akribische Abhandlung für ein kleines spezielles Fachpublikum. Der Intendant und der das MI seit einem viertel Jahrhundert begleitende Konzertkritiker waren sich vielmehr schnell einig, dass es um eine allgemeinverständliche, kompakte, für jeden Interessierten mit Gewinn und auch etwas Vergnügen zu lesende Publikation gehen solle. Um eine „erzählerische“ Darstellung der Geschichte des anno 1808 gegründeten Instituts, deren Lektüre man an zwei entspannten Nachmittagen bewältigen kann.
Damit wurde auch die ursprüngliche Idee hinfällig, die von Prof. Dr. Hans Schmidt erarbeitete und 1983 vom MI in Buchform herausgegebene Dokumentation „Musik-Institut Koblenz“ bis in die Gegenwart einfach fortzuschreiben. Seine Herangehensweise, Darstellungsart, Schwerpunktsetzung unterscheiden sich doch so sehr von dem, was mir als Autor einer anderen Generation vorschwebte, dass wir uns entschieden, eine gänzlich neue Gesamtdarstellung der MI-Geschichte zu fertigen. Schmidts fabelhaftes Buch trägt eine gewaltige Fülle von Material vor allem über die ersten 150 Jahre der Instituts-Geschichte zusammen, erhellt mancherlei Zusammenhänge – und war für meine eigene Arbeit ein schier unerschöpflicher Quell an Fakten und Daten. Gleiches gilt für das wunderbare Werk von Dr. Uwe Baur „Bürgerinitiative Musik – 250 Jahre öffentliches Musikleben in Koblenz“. 2008 im Verlag Klettermann + Schmidt erschienen, darf es wohl als das bis dato umfassendste und fundierteste Ergebnis systematischer Erforschung des gesamten musikalischen Kulturlebens in Koblenz und am Mittelrhein vom 18. Jahrhundert bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gelten.
2018 besteht das Musik-Institut Koblenz seit stolzen 210 Jahren. Das ist ein gewaltiger Zeitraum, der etliche Epochenumbrüche einschließt, den man nie und nimmer vollständig auserzählen kann. Diese Geschichte in gebotener Kürze und Kompaktheit zu behandeln, warf Kapitel um Kapitel stets aufs Neue die manchmal quälende Frage auf: Was muss, kann, darf man weglassen? Welche Aspekte sind unerlässlich, typisch und/oder besonders interessant für das Verständnis der MI-Entwicklungen in der jeweiligen historischen Phase sowie übers große Ganze. Dabei war es mir wichtig, die Institutsgeschichte stets auch zu betrachten als Teil der allgemeinen Geschichte. Schon Uwe Baurs Buch stellt immer wieder Abhängigkeiten des Musiklebens von gesellschaftlich-politischen Umgebungsentwicklungen dar. Diesen Ansatz verfolge ich in noch stärkerem Maße. Denn allzu oft haben mich in früheren Jahren Kulturpublikationen geärgert, die so tun, als wären Kunst- und Musikgeschichte von der übrigen Welt getrennte, ganz eigene Welten.
Aus diesem Grunde beginnt jedes der nachfolgenden elf Kapitel mit Ausführungen über markante internationale, regionale und/oder lokale Aspekte aus Politik und Gesellschaft, aus Technik und Wirtschaft, aus Geistesleben und Kultur eben jener Zeit, in der die jeweilige Phase der MI-Geschichte spielt. Die Leserschaft soll wissen, in welchem historischen Umfeld geschah, was da gerade über das Musik-Institut erzählt wird. Manchmal geht es nur darum, einen ungefähren geschichtlichen Hintergrund zu skizzieren. Sehr oft jedoch zeigen sich direkte, teils erstaunliche Zusammenhänge zwischen großem Weltgeschehen und den Geschicken des Instituts am Rhein-Mosel-Eck. Bereits dessen Gründung darf, wie nachher gezeigt wird, in mehrfacher Hinsicht als unmittelbarer Ausfluss der Französischen Revolution gesehen werden. Die nachfolgenden Kriege hatten allesamt stets direkten Einfluss auf Aktivitäten und Zustand des MI. Der Wiener Kongress brachte Koblenz unter die Herrschaft Preußens und konfrontierte das Institut unter anderem mit dem Wohl und Weh der preußischen Bürokratie.
Oder: Zur Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten plötzlich vermehrt internationale Solisten in den hiesigen Konzerten auf. Die Ursache dafür findet sich in der technischen Entwicklung jener Zeit: Koblenz wurde ans europäische Eisenbahnnetz angeschlossen. Ebenfalls im 19. Jahrhundert wird infolge einer global sich durchsetzenden neuen Geistes- und Kulturströmung, der Romantik, auch eine epochale Änderung der Hörgewohnheiten und Vorlieben des Publikums bis nach Koblenz spürbar: der romantische Gefühlshörer ersetzt den vormaligen Strukturhörer. Oder: Wie einerseits der Ausbau von Koblenz zu einer der größten Militärgarnisonen des Deutschen Reiches über viele Jahre direkten Einfluss sogar auf die Zusammensetzung des MI-Orchesters hatte, so hatte andererseits die Entfestung der Stadt um die Wende zum 20. Jahrhundert und der damit einhergehende zivil-bürgerliche Bauboom das Musikleben nachhaltig verändert.
Nur auf den ersten Blick scheint die MI-Geschichte wie ein ruhiger Fluss, der nach gänzlich eigenen Werten, Maßstäben und Traditionen 210 Jahre lang durch die Zeiten bis in die Gegenwart strömt. Bei näherem Hinschauen ergibt sich ein völlig anderes, von unzähligen Wechselfällen, Wendungen, Brüchen, Hochs und Tiefs schillerndes Bild, das meist auch ein Spiegel sich ändernder Epochenumstände ist. Das erste MI-Jahrhundert kann gelesen werden als örtlich wichtiger Teil des vielgestaltigen Prozesses der Loslösung von Kunst und Kultur aus der Trägerschaft feudaler Höfe sowie Übernahme der Verantwortung für das städtische Kulturleben durch das Bürgertum. Im zweiten Jahrhundert entfaltet sich dann ein stetes Ringen um die Stellung von Kunst und Kultur in der bürgerlichen Gesellschaft sowie unter dem Dach postfeudaler Staatswesen von Diktatur bis Demokratie. Schließlich geht dieses Ringen über in den Wettstreit zwischen Kultur als Gemeinwohlgut und als kommerzielle Massenware.
Das Besondere am Koblenzer Musik-Institut ist wohl, dass es diese sehr lange und wechselhafte Geschichte tatsächlich überlebt hat. Der wesentliche Grund dafür dürfte sein: All die Jahre hindurch hat eine stets kleine Gruppe die Musik liebender Männer und späterhin auch Frauen aus dem örtlichen Bürgertum sich letztlich einzig zum Zweck der öffentlichen Musikpflege am Ort zusammengetan und engagiert. Als dem MI während der NS-Zeit außermusikalische Zwecke übergestülpt wurden, stand sein Fortbestehen rasch infrage. Die eigentümliche Struktur des Instituts, dass es nämlich nur aus dem Vorstand besteht, machte seine gesamte Existenz stets abhängig von der individuellen Einsatzbereitschaft und dem Zusammenwirken der Persönlichkeiten in diesem kleinen Kreis.
Von Urbanität kann nur die Rede sein, wenn eine Stadt auch eine Seele hat. Die Seele aber, das ist ihre Kultur – mit dem klassischen Konzertleben als einem der Grundpfeiler. In diesem Sinne darf die Geschichte des Musik-Instituts verstanden werden als bedeutendes Element des Weges, auf dem Koblenz von der Fürstenresidenz zur bürgerlichen Kleinstadt zur modernen Großstadt geworden ist.
Andreas Pecht