Mit Schmackes: Helolaulaaf!

Quergedanken Nr. 168

ape. Doch, ja: Ich war mal begeisterter Fasenachter, Karnevalist, Jeck, oder wie ihr die Dollerei-Aktivisten nennen mögt. Ist lange her und hatte mit einem richtig ernsten Kinderwunsch zu tun. Endlich durfte ich mal äußerlich der werden, der ich in meiner Fantasie immer war: ein Indianer. Mit Federschmuck, Fransenanzug und Kriegsbemalung konnte ich für ein paar Tage der Umgebungsbagage die stolze Verachtung des Apachen entgegen schleudern; konnte dem knurzigen Nachbarn die Flinte unter die Nase halten und ihn mit einem „weißer Mann ist böser Mann“ verknurren.

Vielleicht rührt von diesem kindlichen Ernst für die Verkleidung jene giftige Opposition gegen alles Karnevalsgehabe, die mich nachher im Jugendalter befiel. Obwohl man als Pubertierender ja die Augen nicht lassen konnte von den gleichaltrigen oder älteren kurzberockten Funkenmariechen, galt einem doch das ganze Garde- und Uniformgedöhns als Ausbund von Militarismus. Hinzu kam, dass seinerzeit die Sitzungen der Saalfastnacht dem Jüngling vorkamen wie Standesversammlungen der klein- und großbürgerlichen Hautevolee. Und lange dominierten ja auch dementsprechende Büttenreden die Szenerie. Protokoller, Till, dä Schutzmann, Rumpelstielzchen und Co. – es war für unsereinen ein Graus, wenn die Honoratiorenstammtischler in bemühten Reimen philosophierten, politisierten, gar den Dadaisten gaben.

Erst sehr viel später erklärte mir ein Professor für Volkskunde, was es mit der Jeckerei ureigentlich auf sich hat. Schon vor 5000 Jahren wurde etwa in Babylon Fastnacht gefeiert. Und zwar als ausgelassenes Fest der Gleichheit, wie eine alte Inschrift bezeugt: Für die betreffenden sieben Tage „sind Mächtige und Niedere gleich“. Der hohe Amtsrat geht zum Schwof in die Bauernkneipe, die Bauern bringen mal Schwung in den Ratskeller. Und vor allem auf den Straßen vermischen sich Klassen, Geschlechter, Generationen zum lustvoll-bukolischen Treiben. Aus jener fernen Epoche hat sich einiges erhalten, trotz mehrfachen Verbots der Fastnacht in Mittelalter und Neuzeit.

Im 19. Jahrhundert kam am Rhein die närrische Uniformhuberei auf, gedacht als Vorhohnepipelung mal der französischen Besatzer, mal der Preußen – in der Straßenfastnacht meist jedwede Obrigkeit deftig verarschend. Sobald ich diesen ursprünglich renitenten Charakter des rheinischen Mummenschanzes begriff, wandelte sich meine Einstellung zur Fastnacht beträchtlich. Was allerdings nichts änderte an der bald leidigen Erfahrung, dass viele Karnevalisten von dieser Tradition gar nichts wissen oder anzügliche Witzchen, schunkelfreudige Liedchen und den besoffenen Kopp schon für Renitenz halten.

Übrigens: Wegen dunnemals überbordender Feierlaune bis hin zu „Massenrüpelei und Sittenlosigkeit“ bei der volkstümlich-anarchischen Straßenfastnacht gründete in Köln das Bürgertum 1823 ein „Festordnendes Comite“. Andere Städte zogen nach mit Bemühungen, die Fastnacht in geordnete Bahnen zu zwingen. Zwei Mittel wurden vor allem eingesetzt: die Erfindung der Saalsitzungen mit ihrer ritualisierten Vergnügungsorganisation sowie die Einführung reglementierter Offizialumzüge. Macht das noch Spaß? Die einen sagen so, die andern so. Freund Walter jedenfalls wird wieder eintauchen in lüstliche Narrenanarchie. Und ich? Ich werde mir via TV manche Sitzung reinziehen, dem Bürgertum aufs Maul schauen, mich oft grün und blau ärgern, gelegentlich aber auch Schreien vor Vergnügen.   

(Erstveröffentlichung außerhalb dieser website 4./5. Woche im Januar 2019)

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