Glücksmoment am Sonntagmorgen

Ein Verzählche

ape. Munter ausgreifenden Schrittes stapfe ich auf gewundenem Weg durch den noch winterkahlen Forst, betulich sinnend über alles und nichts. Da baut sich weit hinter mir, doch rasch näherkommend und umso lauter werdend, eine Geräuschkulisse auf: Pochen, Poltern, Trommeln, Dröhnen, schließlich Donnern - als wär's die Stampede einer durchgegangenen Viehherde, oder hätten die Apocalyptischen Reiter sich aufgemacht, just des Sonntags den einsamen Wanderer im Westerwald das Fürchten zu lehren.

Durchaus beunruhigt schaue ich über die Schulter den Waldweg zurück dem Gedröhne entgegen, das eben, keine hundert Meter entfernt, um die letzte Biegung braust: Es preschen tatsächlich heran im gestreckten Gallopp fünf prachtvolle Rösser, mit sichtlichem Können geritten von fünf lauthals lachenden, lustvoll jauchzenden Amazonen. Gestiefelt und gespornt eine jede von ihnen. Doch statt den heutzutage obligaten Reiterhelm zu tragen, lassen sie ihr Haar frei wehen in Wind und Rhythmus der wilden Jagd. Ja, ja, das mag leichtsinnig sein. Aber, Herrgott, welch wunderbarer Anblick!

Wirbelnde Hufe lassen Erdbrocken spritzen, es schnaufen die großen rasenden Tiere, knirscht das Zaumleder. Im Vorbeistürmen winken die fünf mir ausgelassen zu, rufen Unverständliches herauf zu mir - der ich mich eilends auf die obere Wegböschung in Sicherheit gebracht habe. Von dort grüße ich begeistert mit gezogener Kappe und werfe den entfesselten Damen Kusshände nach. Doch davon bekommen sie schon nichts mehr mit: Zu schnell verrauschen die Momente der Passage. Kurz in Erinnerung wird dem Amazonenquintett wohl nur ein verdattert dreinblickender weißhaariger Kerl bleiben. Der nun aber darf für einige Zeit eines der schönsten Bilder dieser Tage vor dem inneren Auge mit sich tragen.

Andreas Pecht

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