Ein Vierteljahrhundert Ludwig Museum Koblenz
Kein großes Jubiläumsfest im Deutschherrenhaus, dafür interessante Gegenwartskunst
ape. Koblenz. 2017 wird das Ludwig Museum Koblenz ein Vierteljahrhundert alt. Genauer: Am 18. September jährt sich die Eröffnung der Kunstinstitution am Deutschen Eck zum 25. Mal. Sie ist in einem der ältesten Gebäude von Koblenz untergebracht, dem anno 1250 erbauten Deutschherrenhaus, widmet sich indes vornehmlich der allerjüngsten Kunst. Bei alljährlich einem halben Dutzend Ausstellungen wird überwiegend das Schaffen noch lebender Meister und mit Erfolg nachrückender junger Künstler aus aller Welt präsentiert. Kurzum: Gegenwartskunst ist Programmschwerpunkt im Koblenzer Ludwig Museum.
Es ist quasi der Jungspund unter den Hochkultur-Einrichtungen in der Rhein-Mosel-Stadt. Landesmuseum auf der Festung Ehrenbreitstein, Mittelrhein-Museum, Stadttheater, Rheinische Philharmonie: Sie alle sind Jahrzehnte, gar Jahrhunderte älter – was die Bedeutung des Koblenzer Sprößlings der weltweiten, auf den in Koblenz geborenen Kölner Kunstsammler Peter Ludwig (1925 – 1996) zurückgehenden Museumsfamilie nicht mindert. Im Gegenteil. Mit der Konzentration auf die Bildende Kunst der Gegenwart nimmt das Haus seinen speziellen Platz von eigenem Stellenwert im Spektrum der Künste am Ort ein.
Wir sind zum Gespräch verabredet mit Prof. Dr. Beate Reifenscheid. Auch für sie steht heuer ein kleines Jubiläum an, ein Dienstjubiläum: Seit 20 Jahren bekleidet sie das Amt der Direktorin im Ludwig Museum Koblenz; damit ist sie nach eigenem Bekunden eine der am längsten dasselbe Haus leitenden Museumschefinnen im weiten Rund. Nach großen Feierlichkeiten zum Museumsgeburtstag gefragt, winkt sie ab: „Die Ressourcen sind knapp.” Eine dünne Finanzierungsdecke ist das Dauerproblem des Museums seit Gründung. Lieber steckt man 2017 Geld und Personalkraft wieder in interessante Ausstellungen. So endete Mitte März die Schau „Prague Power Boost” mit Arbeiten von Kristof Kintera, Josef Achrer und Marek Cihal, dreier bemerkenswerter Künstler der jüngeren und mittleren Generation aus der Tschechischen Republik.
Die nächste Ausstellung im Jubiläumsjahr befasst sich seit 26. März (bis 21. Mai) mit dem US-amerikanischen Maler Howard Kanovitz. Dieser Altmeister der Pop Art und des Hyperrealismus, erläutert Reifenscheid, sei eine Ausnahme im Reigen der präsentierten Künstler, denn er ist schon tot; gestorben 2009 wenige Tage nach seinem 80. Geburtstag. Die Koblenzer Schau ist die erste museale Einzelausstellung, die sich seit 1980 in Deutschland wieder mal mit Kanovitz befasst.
Mit der am 11. Juni eröffnenden Ausstellung „China Dialogue” (bis 13.8.) setzt das Ludwig Museum dann eine von Beate Reifenscheid hier ins Leben gerufene Tradition fort: besonderes Augenmerk auf die Entwicklungen in der neueren und neuesten Kunstszene Chinas. Es hat über die Jahre in Koblenz eine Reihe von Präsentationen mit Arbeiten chinesischer Gegenwartskünstler gegeben. Die 2017er steht im Zeichen des 45-jährigen Kulturaustausches zwischen Deutschland und China. Sie wird Beiträge von etwa 18 Künstlern im und ums Deutschherrenhaus versammeln, von Reifenscheid aus 28 ausgewählt, die derzeit gemeinsam in Shanghai ausstellen. Sie alle verbindet, dass sie seit 1985 in Deutschland studiert haben, später nach China zurückgekehrt sind, seither dort arbeiten und lehren.
Woher rührt dieses große Interesse in Koblenz für junge chinesische Kunst? Nun kommt die Museumsleiterin regelrecht ins Schwärmen: „China ist ein unglaublich vitales Land, was die Kunst anbelangt. Die Leute sind richtig hungrig nach Kunst, auch und gerade nach Zeitgenössischem. Es gibt dort gigantische Kunstakademien, die sehr, sehr viele Künstler ausbilden. Und diejenigen, die dann schon ein bisschen Fuß gefasst haben, werden enorm unterstützt.” Wie so oft beim Einparteien-Reich der Mitte irritieren die Ambivalenzen: Einerseits eine hochspannende, experimentierfreudige, innovative und massiv geförderte Szene junger Kunst; andererseits strenge Reglementierung und Unterdrückung regimekritischer Künstler.
Die am 27. August beginnende Folgeausstellung trägt den Titel „Tony Cragg – Sculptures and Watercolours” (bis 22.10.). Und genau darum geht es auch: Um die Beziehung zwischen den Skulpturen, für die der britische, in Deutschland lebende Bildhauer berühmt ist, und seine weniger bekannten Bleistiftzeichnungen sowie Farbaquarelle. Die Anbahnung dieser Ausstellung begann bereits vor vier Jahren mit einer von Beate Reifenscheid mitorganisierten Günther-Uecker-Ausstellung in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Damit war der Weg gespurt für Folgeunternehmungen. So wird im dortigen Museo Nacional de Bellas Artes von April bis Mitte Juni auch die Cragg-Schau gezeigt – dann sofort verladen und per Schiff Richtung Deutsches Eck auf den Weg gebracht.
Im Ludwig Museum ist man etwas nervös angesichts gleich zweier Ausstellungen, deren Exponate jeweils direkt zuvor an anderen Enden der Welt präsentiert werden – mal in Shangai, mal in Havanna – und die bis kurz vor den Koblenzer Eröffnungsterminen auf den Weltmeeren herumschippern. Übrigens, für auswärtige Liebhaber skulpturaler Modernekunst bietet sich im Spätsommer eine interessante Zwei-Stationen-Tour ins nördliche Rheinland-Pfalz an: Verbinden lassen sich Besuche der Ausstellungen „Tony Cragg” im Ludwig Museum Koblenz und „Henry Moore” im Arp Museum Remagen-Rolandseck.
Zum Jahresende hin folgen zwei Ausstellungen, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit Afrika auseinandersetzen. Am 5. November startet die Schau „Wanderer zwischen den Welten” mit Arbeiten des algerisch-französischen Installationskünstlers und Fotografen Kader Attai. Sein Oeuvre ist ein hochpolitisches, untersucht die Verwundungen und Verletzungen, die der Kolonialismus nicht-westlichen Kulturen, aber auch den eigenen westlichen geschlagen hat. Ethik und Ästhetik verbinden sich bei Attai zu einer Konzeptkunst, die Begriffe wie Würde und Identität mit durch Krieg, Hunger, Flucht geprägten Menschenschicksalen verbindet. Ab 12. November wird parallel zu dieser Ausstellung eine Werkauswahl aus Ruth Baumgartes farbgewaltigem Afrika-Zyklus gezeigt. Farbe und Licht sind die wesentlichen Elemente ihrer figurativen Bilder, die eigenes Erleben Afrikas und dazu Imaginiertes verweben. Beide Präsentationen dauern bis Mitte Januar 2018.
Andreas Pecht
Infos: www.ludwigmuseum.org
(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 13. Woche im März 2017)