Guten Tag allerseits - im Monat Mai 2019

30.05.2019

Einigen wegen der Wahlresultate in den Ost-Bundesländern fast bis zur Hysterie aufgeregten Zeitgenossen da draußen würde ich gerne zurufen: Kinners bleibt auf dem Teppich! Die General-Aburteilung dieser Landesteile als "Dunkeldeutschland" oder "Rechtsdeutschland" ist ziemlich daneben. Auch wenn die relativ hohen AfD-Ergebnisse dort kein Spaß sind, so haben in Brandenburg doch 80% der Wahlbeteiligten NICHT AfD gewählt und selbst in Sachsen waren es noch 75%. Der deutsche Osten ist also alles andere als "verloren".


29.05.2019

Zwei Zitate und ein Wahlergebnis nahm ich heute in der Frühstückszeitung mit besonderem Interesse zur Kenntnis. An drei ganz verschiedenen Stellen gefunden, ergeben sie zusammengenommen m.E. doch exemplarisch einen ausgezeichneten Befund der derzeitigen (politischen) Lage.

1. Zitat UN-Generalsekretär Guterres gestern auf dem NGO-Gipfel in Wien, das die ganze Malaise bisheriger Klimapolitik auf den Punkt bringt: "Wir machen zu wenig von dem Vereinbarten, von dem wir schon jetzt wissen, das es überhaupt nicht ausreichen wird."

2.Die Antwort darauf geben für die junge Generation die Schüler der Klassen 9 bis 12 am Musikgymnasium Montabaur mit ihrer "Testwahl" parallel zur EU-Wahl. Ergebnis: 55,7 % für die Grünen, 10,7 % FDP, 7,4% SPD, 6,7% DIE PARTEI, je 3,6% CDU und Tierschutzpartei, je 2,0% Linke und FW, 0% (!) AfD.

3. Was die britische Zeitung "The Guardian" über das EU-Wahlergebnis auf den Inseln schreibt, skizziert (jenseits der Farage-Hysterie) das Verhältnis zwischen altem Nationalismus und moderner Weltoffenheit. Zitat: "Es stimmten mehr Wähler für Parteien, die sich für einen Verbleib in Europa aussprechen, als für jene, die sich für einen Austritt starkmachen."

Darauf kann sich nun jeder selbst einen Reim machen. Ich darf mich für ein verlängertes Wochenende in Garten, Wald und Flur verabschieden und allseits angenehme Vater- und sonstige Tage wünschen.


28.05.2019

Mal ein Blick auf den hundsgewöhnlichen Irrsinn. Neulich las ich, es stünde uns zeitnah ein Generalangriff auf Volksgesundheit und Gesundheitswesen bevor - in Form einer regelrechten Springflut von deutschlandweit alsbald 20 Millionen Diabetes-Neuerkrankungen. Hauptursache: Zu wenig Bewegung und überzuckerte Ernährung. Nun lässt sich feststellen, dass zeitgleich einer der am stärksten forcierten Wachstumsmärkte jene Gerätschaften sind, die auch noch das letzte bisschen Bewegung aus dem privaten Lebensumfeld vertreiben sollen: Robotstaubsauger, Robotrasenmäher, ferngesteuerte Rolladenöffner, ganz neu: Robotfensterputzer. E-Scooter für "die letzte Meile" etc.pp. Mir kommt das ziemlich bekloppt vor. Völlig abstrus mutet schließlich an, dass wiederum zeitgleich der Markt für Sportivgeräte und -dienstleistungen ebenfalls auf nie erreichte Höhen gepuscht wird. Rätsel über Rätsel in der Menschenwelt.


27.05.2019

„Aha, die Nationalisten kriegen Prügel“, freut sich Walter, als er die Überschrift "Strodumm, aber brandgefährlich" meiner jüngsten Quergedanken-Kolumne sieht. Ich winke ab: „Nö. Das tät zwar aktuell passen, aber ich hab‘s diesmal mit der Zukunft. Und da spielt die Bagage der Umvolkungs-Krakeeler keine Rolle.“ Jetzt glotzt der Freund, japst nur noch „häh?“. Etlichen Lesern*innen mag es ähnlich ergehen angesichts der Renaissance, die die Nationalreaktionäre seit ein paar Jahren in vielen Ländern erleben.... Der weitere Text erhellt die Sache etwas - um dann bei jener Strohdummheit zu landen, die sich hinter dem Kürzel KI verbirgt.

Quergedanken Nr. 171 hier (freier Lesetext) 

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An Wahlergebnissen und Wählerforschung interessiert mich seit jeher in erster Linie, was sie eventuell über Entwicklungen der großen Meinungs- und Haltungsströme in der Bevölkerung verraten. Bei einem ersten Blick auf das gestern und am heutigen morgen Vorgestellte zur Europawahl ergeben sich u.a. diese ersten Anhaltspunkte:

Meine kurzen Anmerkungen (freier Lesetext)


26.05.2019

Um es gleich zu sagen: Mein Urteil über das am Wochenende uraufgeführte Theaterprojekt „House of Horror“ am Schauspiel Bonn fällt sehr zwiespältig aus. Was Christine Lang und Volker Lösch da projektiert, dokumentiert, geschrieben, inszeniert haben, ist geradezu ein Aufruf zur feministischen Revolution. Diese richtet sich nicht zuletzt gegen die Dominanz des Patriarchats in der Theaterwelt von einst bis noch immer. Doch wie das so gehen kann, wenn die Kunst sich als Speerspitze politischer Bewegung geriert: Die losgelassenen Pferde stürmen bisweilen gar zu wild durchs Gelände.

Meine Premierenkritik (3900 Anschläge, RZ-Text)

 


25.05.2019

Nun denn: Morgen also Wahlsonntag. Wer nicht schon daheim gekreuzelt hat, der/die darf, soll, muss einen Spaziergang ins Wahllokal machen. Unsereiner wird dort eine wahre Papierschlacht zu schlagen haben. Denn für Rheinland-Pfälzer gilt es, über gleich vier Parlamente zu befinden: EU, Kreis, Verbandsgemeinde, Kommune. Da passt es gut, dass unser Lokal hier auf dem Dorf ein echtes ist, und man nachher am Tresen wieder Kraft "tanken" kann. Mal hoffen, dass, und schauen, ob die Wähler in Deutschland einen ordentlichen Teil beitragen können, das Ergebnis der nationalreaktionären Demokratiefeinde in Grenzen zu halten. Glück auf! Lasst uns wählen gehen, aber gewiss kein braunes Gesocks.

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Es entsteht nun gewaltiger Druck im deutschen Politkessel: Rund 300.000 Teilnehmer deutschlandweit gestern bei Aktionen von Fridays for Future PLUS das Phänomen Rezo PLUS der Aufruf von 70 Internet-"Influenzern" mit Millionen jungen Followern, nicht für die Groko-Parteien und sowieso nicht für die AFD zu stimmen. Überraschung: Die Generation der heutigen Teens und Twens mischt plötzlich zuhauf laut im Politgeschehen mit - und die Karten also auf noch gar nicht absehbare Weise neu.


24.05.2019

Und da hat's "rumms" gemacht. Entgegen vieler Unkenrufe zeigt die Bewegung Fridays for Future am heutigen 2. internationalen Aktionstag (24. Mai) jedenfalls in Deutschland keinerlei Ermüdungserscheinungen. Die Teilnehmerzahlen sind überwiegend hoch, teils sehr hoch. Erfreulich: In vielen Städten haben sich Studierende und Erwachsene eingereiht. Der schnelle Rundblick im Netz hat zu folgenden Funden geführt:

Mit Teilnehmerzahlen: Hamburg (20.000), Köln (12.000), Freiburg (11.000), Berlin (15.000), Hannover (10.000+), Münster (7.000+), Düsseldorf (6.000+), Karlsruhe (5.000), Bonn (5.000), Frankfurt/M. (5.000), Bremen (6.000), Bermerhaven (1.300), München (3.500+), Regensburg (1.000+), Stuttgart (2.500), Mainz (1.400), Koblenz (500+), Bad Kreuznach (300+), Saarbrücken (1.400+), Hamm (1.000+), Kaiserslautern (900), Zweibrücken (350), Fulda (350), Rostock ("hunderte"), Chemnitz ("hunderte"), Greifswald (300) .....

Aktionen bis dato ohne Angabe von Teilnehmerzahlen: Trier, Koblenz, Bad Kreuznach, Bingen, Speyer, Ludwigshafen, Worms, Stralsund, Usedom, Schwerin, Dresden, Leipzig, Bautzen, Freiberg, Annaberg-Buchholz, Plauen, Herrenberg, Coburg, Xanten, Bamberg .... > nebenan: Wien, Zürich, Brüssel, Straßburg, Luxemburg Stadt ....

Meldung am Abend: Deutschlandweit haben sich rund 300 000 Menschen an den FfF-Aktionen dieses Tages beteiligt.

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Die nachfolgenden Bemerkung beziehen sich auf ein paar Strömungen am äußersten linken Rand des politischen Spektrums (ist mithin zur allgemeinen Diksussion eher ungeeignet).

Schlimm ist, dass einige Zeitgenossen noch immer partout nicht begreifen WOLLEN, was längst erlebbarer und wissenschaftlicher Goldstandard ist: Der menschengemachte Klimawandel läuft. Am schlimmsten aber ist es derzeit, wenn gerade Leute, die von sich meinen, in marxistischer Tradition zu stehen, in völliger Abkehr von der Untersuchungsmethodik des historischen Materialismus die jüngeren objektiven Bedingungen für die Gesellschaftsentwicklung mit der banalen Ignoranz kleinbürgerlicher Stammtische einfach abtun....

Link zum ganzen Artikel (freier Lesetext, 2400 Anschläge)


22.05.2019

Es mag zwei Jahrzehnte her sein, dass Robert Musils Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von 1906 am Staatstheater Wiesbaden als Bühnenbearbeitung gezeigt wurde. Das Stück spielte damals im nachgebauten Waschraum eines Jungeninternats. Es war inszenatorisch auf die zwar extrem verkürzte, aber eine die Kernthematik des Romans wiedergebende realistische Darstellungsart konzentriert. Am Staatstheater Mainz verlegt nun Regisseurin Lucia Bihler das Geschehen in einen düsteren Wald, verwandelt Musils Internatsbuben in Vampire und lässt sie obendrein allesamt von Frauen spielen. Dieser Zugriff wirft eine Menge Fragen auf.

Meine Kritik (RZ-Text, 3900 Anschläge)


21.05.2019

Seit einiger Zeit nehme ich eine neue Hosenmode in der Damenwelt wahr, der mein Auge mit gebührendem Anstand, aber beträchtlichem Wohlgefallen folgt. Ich nenne die Modelle dieses Trends "Hochwasserhose", weil: Unten enden sie oberhalb des Knöchels; dafür ziehen sie sich am anderen Ende hoch hinauf bis zum Bauchnabel oder noch darüber.

Launige Anmerkung dazu (Freier Lesetext, 2000 Anschläge)

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Einer der angenehmsten Aspekte von Kulturfestivals nahebei ist: Sie bringen einem häufig Ensembles und Produktionen aus der großen Kunstwelt vor die Haustür, die zu erleben man ansonsten sehr weit reisen müsste. Im Tanzfach fiel unsere Wahl beim Programm der diesjährigen Maifestspiele Wiesbaden auf den Gastspielabend der Eastman-Compagnie aus Antwerpen mit dem Stück „Puz/zle“ vom flämisch-marokkanischen Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui.

Meine Besprechung des Gastspiels (RZ-Text, 3000 Anschläge)


20.05.2019

Mit einem orientalischen Abend endete jetzt die Saison 2018/2019 der Anrechtskonzerte beim Musik-Institut Koblenz. Im Zentrum stand mit dem Violinkonzert "1001 Nights in the Harem" des 1970 geborenen Türken Fazil Say ein zeitgenössisches Werk, von Rheinischer Philharmonie unter Garry Walker zusammen mit den Gästen Niklas Liepe (Violine) und dem türkischen Percussionisten Aykut Köselerli richtig gut umgesetzt. Das i-Tüpfelchen zum Spielzeitende setzte Rimski-Korsakows "Scheherazade" mit bestechenden Sololeistungen mehrerer Orchestermitglieder sowie einer Gesamtleistung, die das Orchester als in fabelhafter Präzision pulsenden, zugleich kreativ und enthusiastisch interpretierenden Klangkörper auswies.

Meine Konzertbesprechung
(3900 Anschläge, RZ-Text, 49 Cent)

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Mal was anderes, nur so am unwichtigen Rand. Zugegeben: Ich war nie ein großer Freund dieses ESC-Zirkus', habe aber alle Jahre mit halbem Ohr hineingehört - um quasi berufspflichtgemäß mitzukriegen, was sich da tut im aufgemotzten Grenzland zwischen verpopter Folklore, einfachster Schlagerei und verzuckersüßtem Rock. Im Laufe des zurückliegenden Jahrzehnts hatte sich bei mir allmählich das Urteil verfestigt, der ESC sei die weltgrößte Veranstaltung für schlechte Musik. An diesem Wochenende aber kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus: Einen derart hohen Anteil von Mitwirkenden, die nur sehr mäßig oder gar nicht singen können sowie von Kompositionen schier unterirdischer Qualität war nach meinem Dafürhalten bei diesem Glitterevent noch nie zu erleben.


18.05.2019

Es ist lang her, dass Deutschland seinem weltweit bekanntesten Dichter und Dramatiker zuletzt eine große Ausstellung widmete. Das war 1994 in Frankfurt, der Vaterstadt des Johann Wolfgang von Goethe. Im seither vergangenen Vierteljahrhundert hat sich die Welt teils grundlegend verändert. Damit ändert sich auch das Verhältnis zu Goethe, sind Fragestellungen an sein Werden, Wirken, Nachwirken andere geworden. Höchste Zeit, dachten sich Stiftung Weimarer Klassik und Bundeskunsthalle Bonn, ihm mal wieder umfassend sowie aus manch neuem Blickwinkel näherzutreten. Das Ergebnis trägt den Titel "Goethe. Verwandlung der Welt". Die am Wochenende eröffnete Ausstellung in Bonn ist ein Hammer. Anschauen, unbedingt!

Meine Ausstellungbesprechung (4500 Anschläge, RZ-Text, 49 Cent)

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Eben zurück von der guten und wichtigen Koblenzer Demo "Für Klimaschutz! Für soziale Gerechtigkeit! Für Demokratie!" Gut, weil erfreuliche Teilnehmerzahl: zu Anfang 1000+, auf dem letzten Wegstück um 1500 (meine vorsichtige Schätzung). Wichtig, weil hier heute wie in 7 deutschen Städten und weiteren 10 im EU-Raum Umweltorganisationen inklusive Schülerbewegung Fridays for Future, Sozialverbände und Gewerkschaften den Schulterschluss gesucht haben. Insofern sind diese Demos ein wichtiger Impuls dafür, dass zusammenwächst, was im Hinblick auf die Gestaltung der nahen und ferneren Zukunft zusammengehört: Der Kampf um eine ökologische Wende, das Ringen um eine soziale Wende sowie die Verteidigung von Demokratie/offener Gesellschaft gegen Nationalismus, Rassismus, Autoritarismus.

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Mein Eindruck vom Strache-Video: Da hockt eine Bagage von Mafiosi beisammen, die hemdsärmelig und kaltschnäuzig mal eben auspaldowert, wie sie den Staat über den Löffel barbieren, das Volk betrügen, die Presse einsacken, sich selbst mächtiger und dabei die Taschen voll machen kann.


17.05.2019

Ruhe – dieses so wichtige, heute indes selten werdende Lebenselixier spielt im Landesmuseum Mainz derzeit eine große Rolle. Nicht allein, weil es in Museen ohnehin meist weniger turbulent zugeht als in der Außenwelt. Die aktuelle Ausstellung „Emy Roeder – Das Kosmische allen Seins“ verbreitet per se Ruhe. Mehr noch: Fast jedes Exponat hat das Potenzial, aufmerksame Betrachter in einen Zustand sinnender Kontemplation zu versetzen.

Meine Ausstellungsbesprechung (4200 Anschläge, RZ-Text, 49 Cent)


16.05.2019

Hallo Leute in Koblenz und drumrum. Wer meinen Vortrag "Heimat - Sehnsuchtsraum, Kampfbegriff, Utopie" hören will, hat diesen Freitag (17. Mai) dazu in Koblenz Gelegenheit. Dort werde ich ihn im Rahmen der Veranstaltung "Speakers Corner zu Heimat und Europa" des Weiterbildungsinstituts ISSO von 17 bis 18 Uhr halten. Die Veranstaltung im Lichthof des Dreikönigshauses in der Kornpfortstraße 15 (ehemalige Stadtbücherei) ist öffentlich und eintrittsfrei.

Mehr zur insgesamt von 16 bis 20 Uhr bespielten Speakers Corner > hier  und zu ISSO > da


15.05.2019

Jesses, was eine Aufregung über das EUGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung. Dabei hat das Gericht eigentlich nur das Selbstverständlichste vom Selbstverständlichen unterstrichen. Ein Unternehmer kauft ja nicht den ganzen Arbeiter und dessen gesamtes Leben, denn das wäre eine Form von Leibeigenschaft oder Sklaverei. Vielmehr schließen Unternehmer und Arbeitnehmer einen Kontrakt über die Nutzung der Arbeitskraft innerhalb definierter Zeitfenster. Wie soll dieser Kontrakt ordentlich eingehalten werden, wenn die vom Arbeiter verausgabte Arbeitszeit nicht ordentlich festgehalten wird? Arbeitszeit ist zu bezahlen und Mehrarbeit durch mehr Geld und/oder Freizeit auszugleichen. Fertig.

Mag sein, dass die Unternehmenskultur in einigen Bereichen sich inzwischen von diesem Grundsatz verabschiedet hat. Umso nötiger ist die Besinnung darauf. Ob daraus ein "bürokratisches Monster" wird, hat nichts mit dem legitimen Grundsatz zu tun, sondern hängt wesentlich davon ab, was der Politik an Umsetzungsregular und Ausnahmengeflecht einfällt. Eine praktikable Realisierung sollte im Zeitalter von Smartphone und Apps indes nicht schwieriger sein als vor 100 oder noch vor 25 Jahren der Umgang mit Stechuhren in der Industrie und Taglohnzetteln selbst im ehrwürdigsten Handwerk.


13.05.2019

Nach der Lektüre eines langen Textes über jüngere Forschungserkenntnisse der Neurowissenschaft verschalten sich meine Synapsen unaufgefordert zu diesem Spontangedanken: Die Individuen betrachtet, ist der Homo sapiens ein faszinierendes Wunderwerk; als Spezies aber ist er eine Katastrophe.

Nachtrag: Dazu passt eine eben aufgetauchte Meldung des amerikanischen Infodienstes Science Alert, wonach Wissenschaftler am 10. Mai auf Hawai den mit 415 ppm höchsten je gemessenen Wert atmosphärischer CO2-Konzentration festgestellt hätten. Ein Wert, wie es ihn in den letzten drei Millionen nicht mehr gegeben haben soll. Warten wir ab, ob sich die Messung bestätigt.


12.05.2019

Den einen gefällt es, andere verdrießt es oder bringt sie gar in Rage, doch ändern lässt es sich nicht: Die Internationalisierung und Multikulturalisierung der Gesellschaften weltweit ist heute und in kommenden Zeiten eine unabwendbare Haupttendenz der menschlichen Zivilisationsentwicklung. Zu diesem Ergebnis muss kommen, wer einen Moment mit unverstelltem Sinn über den Tellerrand der Adhoc-Dispute hinausschaut. Dort ist zu erkennen, dass schon jetzt kein Land auf Erden sich dieser Entwicklung mehr entziehen kann. Ökonomische Weltverflechtungen, globale Vernetzung von Forschung und Lehre, planetenweiter Info-, Wissens-, Kulturtransfer durch das Internet sowie wetlumspannende Bewegungsströme von Arbeitskräften, Fachleuten, Wissenschaftlern, Studierenden und Touristen: Selbst wenn es keine Flüchtlinge und keine Armutsmigration gäbe, bliebe der Weg in Richtung Globalgesellschaft unumkehrbar - zumal auch alle großen Gegenwarts- und Zukunftsprobleme globalen Charakter haben und globaler Lösungen bedürfen.


10.05.2019

Nach den lauthalsen Empörungswellen gegen Fridays for Future, gegen Wohnungsnot-Demonstranten und gegen Kühnert, melden sich nun die besonnenen und weitsichtigeren bürgerlichen Stimmen zu Wort. Erst das Handelsblatt, dann der Spiegel u.a., jetzt auch der Politikchef der "Zeit" konstatieren: Nicht Protest und Alternativsuche sind das Problem, sondern unentschlossenes bis selbstgerechtes Verharren in Verhältnissen, die eigentlich mit beherztem Zupacken rasch verändert werden müssten.

Lesempfehlungen: Bernd Ulrichs Kommentar in der aktuellen "Zeit" und der Kommentar zum Thema aus dem Handelsblatt

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Das Verrückte an der Normalität ist: Es gibt unter 80 Millionen Menschen in Deutschland, 500 Millionen in Europa, 8 Millarden auf Erden nichts, was es nicht gibt. Für jede Art Fehlverhalten, jeden Irrsinn, jede Perversion finden sich irgendwo konkrete Fälle. Babymörder, Elternmörder, Kinderschänder, Kannibalen, Sadisten, Pyromanen, Kleptomanen .... Das war seit jeher so. Dereinst erzählten Moritatensänger auf den Marktplätzen - oft gruselig ausgeschmückt - davon. Heute machen das Boulevardpresse und in je hunderttausendfacher Vervielfältigung das Internet. Weshalb der Eindruck entsteht, das Verrückte lauere an jeder Ecke. In Wahrheit jedoch sind solche "Fälle" für allgemeine oder verallgemeinernde Schlüsse völlig ungeeignet.


09.05.2019

Der derzeit allfällige Disput um die künftig zu bevorzugende Antriebsart von Autos ist kein wirklicher Beitrag zur Lösung des globalen Problemfalls "Automobil".

Dazu eine kurze Anmerkung hier (freier Lesetext)


05.05.2019

Die Hauptausgabe des mittelrheinischen Monatsmagazins "Kulturinfo" macht jetzt in ihrer Mai-Nummer mit einem halbseitigen Artikel aufmerksam auf mein unlängst erschienenes Buch "Aus Liebe zur Musik. Das Musik-Institut Koblenz im Lauf der Zeiten 1808 bis 2018". Hier der ganze Artikel über die 225 Seiten starke, reich bebilderte, als Hardcover im Schmuckschuber herausgegebene Publikation. 

Link zur Buchvorstellung (freier Lesetext)

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Der Irrsinn des Tages: Eine Kölner Studentin erzählte mir gerade, dass sie in den nächsten Ferien mit Freunden für ein paar Tage Rom besuchen wolle, die "ewige Stadt" kennenlernen. Jetzt hat sie festgestellt: Einen Flug nach Rom bekäme sie für 80 Euro, eine Bahnfahrt würde mehr als 300 Euro kosten. Da die jungen Leute aus Umweltgründen aber partout nicht fliegen wollen, nehmen sie jetzt den Bus. Die Fahrt damit kostet ebenfalls um 80 Euro, die Reisezeit beträgt allerdings 24 Stunden. Dass eine innereuropäische Bahnfahrt fast viermal so viel kostet wie ein innereuropäischer Flug, dieser schier unfassbare Schwachsinn, werte Damen und Herren von der Politik, muss aufhören!


04.05.2019

Beim traulich versonnenen Samstagsfrühstück gehen mir Gedanken über ein wunderliches, aber oft erlebtes Alltagsphänomen durch den Kopf: Sehr viele Frauen scheinen einen 7. oder 8. Sinn zu haben, der bei Männern kaum oder vielleicht gar nicht anzutreffen ist. "Woher weiß sie es?" frage ich mich häufig, wenn ich einer meiner Liebslingsbeschäftigungen draußen in der Welt nachgehe - dem dezenten, unaufdringlichen Menschenbetrachten, meist über eine ordentliche Anstandsdistanz hinweg. Wie oft ist dann zu erleben, dass die betrachtete Frau sich plötzlich umwendet, auf- und herschaut, durch Blick ihr Wissen/Spüren darüber erkennen lässt, dass du gerade hingeschaut hast. Ist das bloß Zufall? Kann das Einbildung meinerseits sein? Oder spüren die Damen das interessierte bis wohlgefällige Schauen tatsächlich? Ach, was ein irritierendes, aber schönes Rätsel.


03.05.2019

Schnellrundblick stattgefundene Aktionen der Schülerbewegung Fridays for Future am 3. Mai 2019 (Googel-Fundstellen):

Westerwaldstädtchen Montabaur (erstmals dabei, um 100 Teilnehmer nach meiner Zählung), Mainz (500+), Hannover (2000), Essen (1300), Gießen (700), Regensburg (700), Frankfurt/Oder (erstmals dabei, 200), Villingen-Schwenningen (200), Berlin ("mehrere hundert"), Grafing (erstmals dabei, "mehrere hundert"), Wasserburg (erstmals dabei, 100), Höxter (erstmals dabei, 100), Esslingen (100+), Bad Belzig (50+).Aktionsorte ohne Angabe von Teilnehmerzahlen: Bendiktbeueren, Weimar, Marburg, Frankfurt/M., Stuttgart, Tübingen, Dresden, Leipzig, Weimar, Ahaus ... . In Österreich: Salzburg, Linz, Gmunden.

!!! Für den 24. Mai ist wieder ein weltweiter Aktionstag ausgerufen. Der erste dieser Art fand am 15. März statt mit 1,8 Millionen Teilnehmern.

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Ein bisschen Satire muss sein. Vor dem Hintergrund des Kühnert-Disputs wirft mir mein Gehirn - in Anlehnung an einen Slogan von Klaus Staeck aus dem jahr 1972 - ungefragt und augenzwinkernd diesen Satz zu: "Deutsche Hartz IV-Empfänger, Rentner, Arbeiter, Kleinbürger - Kühnert und Habeck wollen euch eure Villen im Tessin, eure Wohnanlagen in Berlin und eure Steueroasen rund um die Welt wegnehmen!"


02.05.2019

Wär's nicht so ein trauriges Exempel für den Zustand der Diskurskultur im Land, man könnte lauthals lachen. Ein Juso-Vorsitzender tut endlich mal wieder, wozu Jusos eigentlich da sind: Nachdenken über andere Möglichkeiten der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung. Sogleich aber schreit es aus allen Ecken "Steiniget ihn!" - so als habe Kühnert gefordert, das Trinkwasser mit Pest-Bakterien zu impfen. Nun sind allerdings etliche seiner Überlegungen gar nicht neu, sondern waren schon mal im Ahlener Programm der CDU von 1947 angelegt. Damals stand die Welt vor derart tiefgreifenden Veränderungen, dass selbst Union-Politiker (kurzzeitig) mutige Alternativen zu denken wagten. Nach 30 Jahren neoliberaler Dominanz steht die Welt heute vor noch tiefgreifenderen Veränderungen. Da sollte man eigentlich froh sein, dass auch die SPD mal wieder jemanden hervorgebracht hat, der Diskussionen anstößt, die über den Tellerrand des "Immer weiter so" hinausweisen. Bin ich für oder gegen Kühnerts Ideen? Weiß ich noch nicht - das Geschrei lässt einem ja nicht mal Zeit und Ruhe darüber zu reflektieren und zu sprechen.


01.05.2019

Sie werden durch ständige Wiederholung weder klüger noch schlüssiger: die selbstgerecht moralisierenden, überheblichen, spöttelnden, vorurteilsbehafteten bis teils hasserfüllten Anwürfe gegen und Forderungen an die in unserer Welt sozialisierten Kinder und Jugendlichen der Bewegung Fridays for Future (FFF). Nur mal so, zum überdenken: Darf ich nicht mehr gegen die Gefahren industrieller Überzuckerung unserer Lebensmittel argumentieren, weil ich neulich einen Schokohasen verspeiste? ...

Mein Kurzkommentar zum Thema (freier Lesetext)

 

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