Guten Tag allerseits

31.01.2018

Hin und wieder mal drei, vier Tage keine aktuellen Nachrichten lesen, sehen, hören und entsprechende Posts in den Netzwerken ignorieren: Das kann nicht nur dem eigenen Gefühlshaushalt ausgesprochen wohl tun. Auch das Hirn findet wieder zu geordneten Bahnen und besserer Übersicht. Ich kenne ein paar Leute, die schauen am Sonntag die gesammelten Lokalteile ihrer Regionalzeitung durch, lesen ansonsten bloß die eine oder andere der großen Wochenzeitungen sowie Bücher, schauen im TV gelegentlch ein Polit- oder Wissenschaftsmagazin. Gleichwohl gehören sie zu den bestinformierten Zeitgenossen mit dem größten Durchblick.


29.01.2018

Ja, mein Namensgedächtnis ist grottenschlecht, vor allem das für Kindernamen. Also kommt es mir wie ein Wunder vor, dass die meisten Frauen Dutzende Namen von Kindern aus Verwandtschaft und Nachbarschaft nebst deren Spielkameraden im Kopf haben und diese obendrein richtig zuordnen können. Das nicht nur für die aktuellen Kleinen, sondern auch für die inzwischen erwachsen gewordenen - plus deren Ehegesponste und wiederum nächsten Nachkommen. Mein Hirn hat allenfalls zehn Kindernamen abgespeichert. Die sich zudem nur selten auf Anhieb mit dem richtigen Gesicht verbinden. Weshalb mir am leichtesten und häufigsten dieser Name über die Lippen kommt: der/die "Dingens".


28.01.2018

Thomas Melle ist ein Schriftsteller von Format. Zuletzt standen sein Roman „3000 Euro“ und die Depressionsstudie „Die Welt im Rücken“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Der 42-Jährige hat jüngst im Auftrag des Theaters seiner Geburtsstadt Bonn ein Stück geschrieben, das unter dem Titel „Der letzte Bürger“ nun in den Kammerspielen Godesberg uraufgeführt worden ist. Doch der von Alice Buddeberg inszenierte Abend will nicht richtig zünden. Das Gegenwartsstück versandet bald in einer trockenen, plakativ psychologisierenden Familienaufstellung.

Meine Premierenkritik hier
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent

                                               ***

Das Foto seiner Agentur präsentiert den Dirigenten Diego Masson im Alter von vielleicht 60 Jahren. Ans Chefpult der Rheinischen Philharmonie trat am Wochenende beim Anrechtskonzert des Koblenzer Musik-Institut aber ein sichtlich betagter, 82-jähriger Maestro. Im Mittelpunkt des Abends stand als Solistin die fabelhafte Flötistin Jasmine Choi mit Werken aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Beschlossen wurde das Konzert mit einem Klassiker: Schumanns "Rheinischer" Sinfonie - in so behäbiger Interpretation, dass von rheinischer Lebensfreude leider bloß noch Betulichkeit blieb.

Meine Konzertbesprechung hier
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ Text, 49 Cent


25.01.2018

Anfang Januar löste auf meiner Facebook-Seite ein kleines Textchen über das Malheur des offenen Hosenschlitzes beim Manne (s.u. Eintrag vom 5.1.2018) ein munteres Pallaver aus. Als ich Freund Walter davon erzählte, inspirierte ihn das zur Entwicklung eine Theorie, die womöglich die gesamte abendländische Kleiderordnung der Neuzeit infrage stellt. Was wiederum für mich Grund genug ist, diesem revolutionären Modeansatz  die aktuelle Folge 156 meiner Monatskolumne "Quergedanken" zu widmen.

Quergedanken Nr. 156: Von Männern und Röcken
(freier Lesetext, 3600 Anschläge)


24.01.2018

Es macht einen zornig, dass die Welt das kurdische Volk (mal wieder) im Regen stehen lässt. Gleichmütig schaut sie tatenlos zu, wie Erdogans großtürkisches Militär versucht, ausgerechnet jene niederzukartätschen, die bis eben im Kampf gegen die IS-Barbaren die blutige Hauptlast getragen haben, den Bodenkrieg. Besonders schwer erträglich ist es für unsereinen, dass die türkische Invasion der kurdischen Selbstverwaltungszone Afrin in Nordsyrien mit Leopardpanzern und Haubitzen aus deutscher Produktion vorgetragen wird.


22.01.2018

Auch mit der größten und wohl bekanntesten Lovestory aller Zeiten kann man noch Überraschungen erleben: Im großen Schauspielhaus zu Frankfurt hatte jetzt „Romeo und Julia“ Premiere. Und um es gleich vorweg zu sagen: Textübertragung und Inszenierung durch Marius von Mayenburg ergeben eine der szenisch ungewöhnlichsten und interessantesten Moderne-Einrichtungen des Shakespeare-Klassikers, die wir über 30 Jahre in der Großregion von Köln bis Rhein-Main zu sehen bekamen. Obendrein liefert das nur siebenköpfige Ensemble hinreißende Spielleistungen ab. Der knapp dreistündige Abend vergeht wie im Flug; er ist gleichermaßen durchsetzt von feinsinnigem bis saftigem Humor wie von tief berührendem Ernst.

Meine Premierenbesprechung hier
(4200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)

                                              ***

In eigener Sache.
Es ist mal wieder DIE Situation eingetreten: Der allein arbeitende Kulturjournalist hat völlig den Überblick verloren über die seit Neujahr via PN, Mail, AB-Nachricht und Papierpost hereingefluteten Anfragen/Mitteilungen dienstlicher oder privater Natur. Dieses Manko wird sich in den nächsten zwei bis drei Wochen auch nicht beheben lassen. Denn NOCH stecke ich mit Haut und Haar im Schlussspurt für mein Buch, und zumindest die Grundlast des tagesaktuellen Broterwerbs will ja nebenher auch bewältigt sein. Also sei um Nachsicht gebeten, falls jemand derzeit sehr lange oder gar vollends vergeblich auf eine Reaktion meinerseits wartet.


20.01.2018

Beim behaglichen Samstagsfrühstück treiben die trägen Gedanken einmal mehr in seltsame Gefilde ab: Dereinst, als ich ein junger Kulturredakteur war, begegneten mir hin und wieder Kollegen anderer Blätter, die so unfassbar alt waren, wie ich es heute bin. Jene vertraten teils noch vehement die Auffassung, Popmusik, Popcornkino, Trivialliteratur und TV-Entertainment hätten in einem ordentlichen Zeitungs-"Feuilleton" nichts verloren. Es dauerte einige Jahre bis ich zu der Einsicht gelangt bin, dass ihre Auffassung falsch und richtig zugleich ist. Falsch, insofern jedwedes gesellschaftlich signifikante Phänomen der analytischen, kritischen, auch satirischen Begleitung durch das Feuilleton bedarf. Richtig im Hinblick darauf, dass ein unterschiedsloses Nebeneinander von Kunst und bloßer Kurzweil unter der ausgewiesenen oder nur gedachten Rubrik "Unterhaltung" dem publizistisch auklärerischen Grundauftrag des Feuilletons widerspricht.


18.01.2018

Verlegen. Nein, ich BIN nicht verlegen. Das kommt ohnehin selten vor, meist nur, wenn mir zu viel Lob zuteil wird oder mich jemand bei Schummeleien erwischt. Vielmehr: Ich HABE mich verlegen - im Schlaf den Leib offenbar so blöd verlagert und gelagert, dass jetzt Schulter und Genick schmerzen. Verlegen: Was ein seltsam mehrdeutiges Wort. Du legst den Schlüsselbund an der falschen Stelle ab und findest ihn nachher nicht mehr. Die Schlüssel sind dann keineswegs verlegen, sondern verlegt, was allerdings dich in Verlegenheitheit bringen kann - oder, falls es immer wieder geschieht, dich womöglich auch verlegen macht. Solltest du anderen die Schuld daran zuschieben, dann indes bist du nicht verlegen, sondern verlogen. Vielleicht findet sich ein Verleger, der diesen Text verlegt, sonst muss ich demnächst womöglich Teppiche verlegen.


17.01.2018

Es könnte der letzte Akt eines Musikdramas sein, für das sich 2003 in Rheinland-Pfalz der Vorhang hob: Das Philharmonische Staatsorchester Mainz soll wieder ins Staatstheater Mainz integriert werden. Wie unlängst von Sprechern des Theaters und des Kulturministeriums avisiert, soll die Re-Fusion bis Anfang 2019 kostenneutral und ohne Stellenverlust abgeschlossen sein. Damit wäre dann der RÜCKBAU der damals heftig umstrittenen Strukturreform für die drei rheinland-pfälzischen Landesorchester weitgehend abgeschlossen.

Mein kurzer Bericht hier
(freier Lesetext, 2400 Anschläge)


16.01.2018

Zwei kurze Gedanken zum Tagesbeginn:

1.)
Der Sinkflug der SPD bei den Wahlergebnissen wird nicht dadurch enden, dass man erklärt, die Partei wolle/müsse sich erneuern. Er würde wohl erstmal selbst dann nicht enden, wenn die Partei in einen tatsächlichen Prozess der Erneuerung einträte. Der Marsch grundlegender Erneuerung führt immer und überall zuerst mal zwangsläufig durch ein tiefes Tal - bevor er (vielleicht) mit neu geordneten Kräften, anderem Schritt und neuen Zielen zum doch immer noch mühsamen Anstieg übergehen kann. Wozu es allerdings nie kommen wird, solange man das Tal fürchtet wie sonst nichts. Die Republik braucht die GroKo nicht, um zu überleben. Aber sie könnte Schaden nehmen, wenn die deutsche Sozialdemokratie aus Angst vor der eigenen Erneuerung vollends von der Bildfläche verschwände.

2.)
Ein Werbeplakat am Straßenrand hat mich an eine schon früher gemachte Beobachtung erinnert: In den letzten 10 bis 15 Jahren haben Hochzeitsmessen schier inflationär zugenommen. Vorzugsweise in Schlössern oder anderen Repräsentativbauten veranstaltet, wird dort alles angepriesen, was zur Ausstaffierung des erträumten "schönsten Tages im Leben" eines Paares gehören könnte. Offenbar ist Hochzeiterei im großen Ornat inmitten gehöriger Festopulenz ein zeitgenössischer Trend. Den begreife ich zwar partout nicht, erfreue mich aber bisweilen an der Freude, die junge Leute daran haben. Das ist wie mit den Gartenzwergen meiner früheren Nachbarin: Ich kann Gartenzwergen rein gar nichts abgewinnen, doch die Begeisterung der alten Dame für ihre zipfelmützigen Gipsfiguren war mir immer ein Vergnügen. Eine Alterserkenntnis indes darf man gerade den jungen Hochzeitern mit auf den Weg zur Hochzeitsmesse geben: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Prachtaufwand für die Hochzeit und der Standfestigkeit/Dauerhaftigkeit einer Ehe.


15.01.2018

Franz Kafkas „Amerika“ in Köln, „Das Schloss“ in Bonn, „Der Prozess“ in Mainz, ein Kafka-Projekt in Wiesbaden, „Bericht an eine Akademie“ in Kaiserslautern – seit diesem Wochenende „Das Schloss“ auch am Schauspiel Frankfurt, wo zuvor bereits „Die Verwandlung“ angelaufen ist: Kafka hat kein einziges Theaterstück geschrieben, doch findet sich kaum ein Theater mehr, das in jüngerer Zeit nicht Prosatexte von ihm für die Bühne zubereitet hätte. Nur zu gut passt wohl sein großes Zentralthema der quälenden Macht- und Hilflosigkeit des Individuums gegenüber undurchschaubaren Systemkräften in die Gegenwart.

Meine Kritik der fast vierstündigen Inszenierung Robert Borgmanns von "Das Schloss" in Frankfurt
(4200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


14.01.2018

Bei so manchem Autor, mich eingeschlossen, ist es zumindest EINE Komponente des eigenen Tuns, was Peter von Matt über das Schreiben Franz Kafkas sagt: "Kafka lebte um des Schreibens willen. Er lebte nicht um des Geschriebenen willen. Wenn er eintrat in den Zustand des Schreibens, waren alle Fragen gelöst. Was immer ihn am Tag quälte, was ihn aufregte oder auch vergnügte, es war wie nicht mehr vorhanden, sobald er in der Nacht am Schreibtisch saß und vor seinen Augen auf dem Papier ein erster Satz sichtbar wurde. (...) Der einzelne Satz war für Kafka also nicht ein Medium, um etwas mitzuteilen, der einzelne Satz besaß nur den Zweck des eigenen Entstehens, den Zweck seiner Vollkommenheit."
(Gefunden gestern bei Frankfurter Premiere im Programmheft zu Robert Borgmanns Inszenierung von Kafkas "Das Schloss")


13.01.2018

So ein Gedanke beim geruhsamen Samstagsfrühstück >
Wirft man einen kleinen Blick hinaus über den Tellerrand des alltäglichen Polit- und Wirtschaftsfurors, stößt man unweigerlich auf einen beunruhigenden größeren Zusammenhang: Die Entwicklung der menschlichen Zivilisation ist gerade dabei, sich in einem Absurdum festzufahren. Die heutige Weltwirtschaftsweise folgt der Maxime, wonach permanentes Wachstum oberstes und alternativloses Ziel allen Wirtschaftens ist. Zugleich aber steht diese Maxime bei einer alsbald 8 bis 10 Milliarden Menschen umfassenden Weltbevölkerung einer absoluten Endlichkeit von Ressourcen und Belastbarkeit der globalen Ökosphäre gegenüber.


12.01.2018

Weil im neuen Jahr jetzt bereits die fünfte Anfrage eingegangen ist, ob ich die Moderation von dieser oder jener Diskussions-/Talkrunde übernehmen könnte: Ich mache schon seit einigen Jahren keine Moderationen mehr. Warum? Diese Rolle liegt mir einfach nicht. Punkt. Ich nehme auch nicht mehr als Diskutant an solchen Runden teil. Warum? Mein Denkapparat ist zu langsam für das moderne Schnellschnellkurz dieser Formate. Erfahrungsgemäß sind die anderen Diskutanten schon bei Frage 4 angelangt, da habe ich erst die Antwort auf Frage 1 beisammen. Ich schreibe und halte Vorträge. Das muss genügen. Um Verständnis sei gebeten.


09.01.2018

ad. Koalitionssondierung Union/SPD:

*kopfschüttel* Könnte es sein, dass die Führung der deutschen Sozialdemokratie ihre Partei umweltpolitisch gerade auf die gleiche Piste treibt, auf der sie sozialpolitisch schon mit Hartz IV so "erfolgreich" war? Wobei, um da keine einseitigen Missverständnisse aufkommen zu lassen: Auch die CDU-Führung um "Umweltkanzlerin" Merkel verfährt jetzt nach der Devise: Was kümmern uns unser Geschwätz und unsere Beschlüsse von gestern.

Das Elend an der Sache ist nicht, dass es für die SPD übel ausgehen wird. Das Elend ist vielmehr, dass beide große Parteien de facto signalisieren: So schlimm ist das nicht mit dem Klimawandel, auf zehn Jahre mehr oder weniger kommt's nicht an. Und 2030 werden die ewigen Wachstumsparteien mit demselben Spruch vors Publikum treten wie jetzt: "realistische Einschätzung - die Klimaziele sind in so kurzer Zeit nicht mehr zu schaffen".


08.01.2018

Jetzt gilt's! Die Finalrunde ist eingeläutet, die Ziellinie endlich in Sicht. Das zehnte und letzte Kapitel meines Büchleins über 210 Jahre Musik-Institut Koblenz ist ausrecherchiert. Die verbleibende Schreibstrecke bemisst sich nicht mehr nach Monaten, allenfalls noch nach zwei, drei Dutzend Tagen. Auf denn, ans Werk!


07.01.2018

Dankenswerterweise ausgegraben von Rudolf Homann

„Was die klassische Rhetorik der Rechten betrifft, so können wir uns kurz fassen. Sie hätschelt immer die gleichen Ängste. Seit unvordenklichen Zeiten beschwört sie den Untergang des Abendlandes und den Verlust der Mitte. Regelmäßig beklagt die Partei der Bulldozer den Zerfall der Werte, die Partei der Korruption die sittliche Verwahrlosung, die Partei der Banausen die Zerstörung der Kultur. (…) Dass das drohende Versinken in Anarchie und Chaos ausgeblieben ist, darin sehen sie keinen Grund, sich zu revidieren; sie betrachten es als ihr Verdienst. Unverdrossen warnen sie uns vor Überfremdung und Unterwanderung und fallen uns mit Identitätsproblemen und Orientierungsverlusten auf die Nerven, mit denen das Gemeinwesen angeblich zu kämpfen hat.“

HANS-MAGNUS ENZENSBERGER,
Mittelmaß und Wahn, Frankfurt 1988

                                            ***

So. Die gute Stube ist entweihnachtet, das Festbäumchen entsorgt. Sein abgeschnippeltes Geäst dient nun als befestigende Auflage für den matschig gewordenen Wiesenpfad zu Brennholzlager und Mülleimern. Hier verkommt nichts. Das Stämmchen zu Ofenstücken zersägt und dem Holzstapel für nächsten Winter zugeführt. Frühling kann kommen. Fragt sich nur, was wird zuerst eintrudeln: Frühjahrsmüdigkeit oder Frühlingsgefühle. Mir kämen Letztere zupass.


05.01.2018

Alltagsgeschichtchen:

Er wird – vornehmlich in der Damenwelt - allzu oft völlig missverstanden: der Herren Griff dorthin, wo in der Hose ihr Gelege, Gehänge, Gelärsch, Gemächt gelagert, gebunden, gewickelt oder gezwackelt ist. Gewiss, es gibt es diesen Griff auch als demonstrative Protzgeste „Achtung, hier bin ich, der Mannnnn!“. Gewöhnlich und zumeist dient er jedoch entweder der Vergewisserung „Ist noch alles da?!“ oder dem Bemühen, schmerzhaft kneifender respektive quetschender Fehllagerung des zivilisatorisch beengten Naturapparates Abhilfe zu schaffen.

Noch häufiger indes resultiert der Griff aus der simplen Unsicherheit „Ist die Hose richtig zu?“. Man(n) möchte vermeiden, was mir heute in der Früh Peinliches widerfuhr. Die Bäckerin beugt sich über den Tresen und flüstert mir zu: „Ihr Hosenschlitz steht offen.“ Das Gesicht nun wohl sehr gut durchblutet, drehe ich mich dezent zur Seite, versuche das Malheur unauffällig zu beseitigen. Ziehen, zuppeln, zerren – nichts hilft, denn der Reißverschluss ist von unten her aufgerissen; mithin kaputt. Notgedrungen mittels Brötchentüte getarnt, schleiche ich von hinnen. Und bin doch der Bäckersfrau dankbar, dass sie mich nicht ahnungslos in die Schmach eines ganzen Tages mit offenem Laden hat ziehen lassen.


04.01.2018

Da jetzt mehrfach angefragt wurde: Nein, selbst wenn ich wollte, könnte ich mein unten verlinktes Neujahrsessay nicht (kosten)frei ins Netz stellen. Die diesbezüglich 2016 revidierten Verträge zwischen der Rhein-Zeitung und mir sind eindeutig. Freien Zugriff gibt es auf meiner eigenen Website nur noch auf die Neujahrsessays der Jahre 2000 bis 2015. Wer darin ein bisschen schmökern will, erreicht über den folgenden Link das Essay 2015, an dessen Ende auch alle vorherigen Jahreswechsel-Aufsätze verlinkt sind.

Neujahrsessay 2015:
Vorwärts in die Vergangenheit - 2014 drehte sich manches Rad rückwärts


02.01.2018

Mein seit anno 2000 alljährlich vielleicht wichtigster Zeitungsbetrag: das Neujahrsessay, abgedruckt in der Rhein-Zeitung jeweils am ersten Werktag nach Silvester. Heuer geht es von der Feststellung aus, dass der Homo sapiens zwei gegenteilige Grundzüge in sich vereint: Hier unbezähmbare Neugier und der ewige Aufbruchsdrang zu neuen Ufern; da das Prinzip "der Mensch ist ein Gewohnheitstier" und hängt am Vertrauten. In heutigen Zeiten immer schneller vor sich gehender Umbrüche und Veränderungen treten beide Grundzüge in scharfen Widerstreit zueinander.

Das ganze Essay "Sind denn alle verrückt geworden?"
(11 600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


01.01.2018

Wären da noch die obligaten guten Vorsätze fürs neue Jahr. Meine könnten heuer so gehen:

1. Ruhe bewahren.
2. Ein bisschen Nachdenklichkeit verbreiten.
3. Mit meinen bescheidenen Möglichkeiten für Menschlichkeit streiten.
4. Heiter bleiben.
5. Die Freude an den einfachen Dingen pflegen.
6. Mit Anstand ein Jahr älter werden.

27.12.2017

So. Weihnachten liegt hinter uns und zumindest mir nun gehörig auf den Hüften. Mit der Fastenphase hernach wird das erstmal nichts, denn es stehen noch allerhand Töpfchen und Tellerchen mit süßem Gebäck herum, eingeschleust von Verwandten und Freunden. Sei's drum. Mich ruft die Pflicht zum seit 2001 traditionellen Neujahrsessay für die Rhein-Zeitung zurück an den Schreibtisch. Die Überschrift wird tatsächlich lauten: "Sind denn alle verrückt geworden?" Zuvor gehen noch die neuen "Quergedanken" raus (s.u.). Die aktuelle Ausgabe meiner Monatskolumne erzählt von einem Ereignis, das einem den treuen Lesern wohlbekannten Typen widerfahren wird: Freund Walter kommt auf die Theaterbühne.

2017-12-27 Quergedanken Nr. 155: Mein seltsamer Freund Walter
(freier Lesetext)


21.12.2017

Jahresendgrüße.

Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Kollegen/innen, Freunde/innen, Leute und Kinners,

ein Jahr geht zuende, das wohl nicht nur ich hinsichtlich des großen Weltgeschehens mit seinem kleinen Zeitgeist am liebsten so bilanzieren würde: "Sind denn alle verrückt geworden?!". Ob 2018 besser wird, lässt sich nicht vorhersagen, nur hoffen und wünschen.

Ich darf mich bedanken ggf. für gute Zusammenarbeit, für Interesse wie auch Kritik an meiner Arbeit. Es seien allerseits schöne Feiertage gewünscht.
(Die Schreibstube geht jetzt bis 27.12. in den Schlafmodus).


19.12.2017

"Zuhause, wieder zuhause - und mit heilen Knochen!" Erleichterter Ausruf nach drei endlosen qualvollen Stunden beim "Weihnachts-Shopping" in der großen Stadt. Nur ein Händchen voll klitzekleiner Liebesgaben für die heimische Bagage war mein Begehr. Doch abgesehen von zwei Büchern aus meiner Hirn- und Herzensbuchhandlung blieb das Einkaufssackerl leer. Warum? Weil das urbane Warenparadies schon nach zwei Viertelstunden meine sämtlichen Sinne unter ungeheuren Angebotsbergen von unfassbarem, pardon, immergleichem Scheißdreck verschüttet hatte. Als mir dann noch der Werbespruch entgegensprang "Wir shoppen nicht, wir kaufen uns glücklich", blieb mir als Rettungsring nur noch Shakespeare: "Erlaubt, dass ich gehe: Mir ist übel."


18.12.2017

So. Letzte Kritik im alten Jahr. Jetzt schaltet die Schreibstube in den langsamen Gang, bevor sie ab Donnerstag dann bis nach Weihnachten ganz stillesteht. Premiere hatte in Mainz das Antikenstück "Oedipus". Allerdings nicht in der bekannten Sophokles-Fassung, sondern in der fünf Jahrhunderte jüngeren Version des Seneca. Nach den 90 Minuten im Mainzer Staatstheater kann ich recht gut nachvollziehen, warum Letztere fast nie gespielt wird.

Meine Premierenkritik
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


15.12.2017

Aus der Schreibstube.
Immer wieder werde ich gefragt: Wie lange arbeitest du eigentlich an so einer Theaterkritik oder der Quergedanken-Kolumne oder dem Neujahrsessay? Das ist kein Betriebsgeheimnis und berechnet sich - unter Berücksichtigung, dass ich ein recht langsamer Denker und Schreiber bin - bei Theaterkritiken im Durchschnitt etwa so: Angenommen den Fall, im Mainzer Staatstheater hat ein mir unbekanntes Stück Premiere, dann fallen 2 bis 4 Stunden Vorablektüre an (diese Phase entfällt bei altbekannten Stücken). Hinzu kommen gut 3 Std. für Hin-/Rückfahrt. Aufenthaltszeit im Theater ca 3 Std. Schreibzeit am nächsten Tag 4 bis 5 Std. Das macht in summa 13 bis 15 Stunden.

An den "Quergedanken" sitze ich durchschnittlich 2 Tage. Das Feilen, Schleifen, Schmirgeln des glossierenden Textchens braucht seine Zeit. Und meist geht erst die vierte oder fünfte Fassung in den Druck. Ganz anders die Arbeitsweise beim Neujahrsessay: Recherche und Materialsammlung laufen schon ab September/Oktober als permanenter Prozess nebenher. Das Schreiben selbst erstreckt sich dann über gut eine Woche.


14.12.2017

Noch drei Wochen besteht Gelegenheit, die Ausstellung zum Schaffen von Henry Moore im Arp Museum Remagen-Rolandseck zu besuchen. Am 8. Januar rücken dann Kräne und Tieflader an, um die teils tonnenschweren Großskulpturen des britischen Künstlers zurück auf ihre Stammplätze in Großbritannien zu schaffen. Blickwinkel öffnen, Brücken schlagen, Verbindungen deutlich machen: Diese in Rolandseck verfolgte kuratorische Linie prägt auch die jetzt  vorgestellten Ausstellungspläne des Museums für 2018. Stand das jetzt endende Jahr mit Moore ganz im Zeichen der Bildhauerei, so ist das kommende leitmotivisch überschrieben mit „Rausch der Farbe“. Malerei und ihre unterschiedliche Nutzung der Farben vom Mittelalter bis in die jüngste Gegenwart tritt ins Zentrum dreier gewichtiger Präsentationen.

Mein Vorbericht auf die Ausstellungen 2018 hier
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


13.12.2017

Ewiges Geschlechterrätsel zur Winterszeit: Bei den Damen gelten die langen Beinkleider für untendrunter - Strumpfhosen, Nylons, Leggins, Wadenbundhöschen - als derart attraktiv, ja sexy, dass sie bisweilen sogar offen sichtbar getragen werden. Bei den Männern hingegen wird die lange Unterhose schnöde als "Liebestöter" diskriminiert. Da geschieht großes Unrecht!


12.12.2017

Das letzte Konzert beim Koblenzer Musik-Institut im alten Jahr hatte nur zwei Programmpunkte. Beides indes dicke Brocken, die mit 50 und 55 Minuten Spieldauer den Abend in der Rhein-Mosel-Halle prall füllten: das Klavierkonzert Nr. 1 von Johannes Brahms und die 1. Sinfonie von Edward Elgar. Es spielte das Staatsorchester Rheinische Philharmonie unter Garry Walker, Solist am Flügel war Steven Osborne.

Meine Konzertbesprechung
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


09.12.2017

Samstagsfrühstück: Wohlschmeckende Einfachheit auf dem Tisch, Gedanken dümpeln träge dahin, Blicke durchs Fenster hinaus in weiße Winterlandschaft, auf die leise der Schnee rieselt. Der wahre Luxus sei Langsamkeit, lange Weile, Muse, erklärte Lesch diese Woche. Ich schwelge im Luxus. Schnee ward in der Früh geschippt, Brennholzlager und Vorratskammer sind gut gefüllt. Spaziergang entfällt, denn im Wald da knallt's: Treibjagd ist - man bleibt besser weg. Beobachte das jüngst von eigener Hand gebaute Vogelhäuschen. Eifriger Zuspruch ginge anders: Nur zwei Meisen, Frau Amsel und Herr Buntspecht schauen mal kurz vorbei. Lese in der Zeitung von Freudentänzen bei der Deutschen Bahn über neue ICE-Schnellstrecke München/Berlin, auch von Kritik, die Anbindung des Nahverkehrs sei noch nicht optimal. Das ländliche Hirn fragt irritiert: Was für ein Nahverkehr?


08.12.2017

Seit ich mich in jungen Jahren mal eingehend mit der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie befasste und von da an ihre jeweils aktuelle Entwicklung aufmerksam verfolge, ist mein Verhältnis zur SPD ein sehr distanziertes. Von eben dieser Warte aus komme ich hinsichtlich der gestrigen Debatte auf dem Parteitag zu dem Eindruck: Diese war erstmals seit langer, langer Zeit wieder ein wirkliches Lebenszeichen der PARTEI.

Was die schlussendlich zu erwartenden Ergebnisse angeht, bleibe ich skeptisch. Denn der angestammte Zustand der SPD ist de facto einer der Unentschlossenheit und des Schlingerns: Wollen wir für einen demokratischen Sozialismus eintreten ODER bleiben wir bloß Reparaturkolonne des Kapitalismus? Immerhin: Solche Zwiespältigkeit ist noch das kleinere Übel, verglichen mit dem Agieren der SPD-Führung zB 1914 (Zustimmung zu Kriegskrediten), 1918-21 ( "Bluthund" Noske) oder in der Ära Schröder (neoliberaler Durchmarsch und Hartz IV).


07.12.2017

Sind wir eitel? Bin ich eitel? Aber ja, natürlich. Alle sind eitel, mal mehr das Äußere, mal eher Charakter und innere Werte betreffend; meist beides. Die wenigen Ausnahmen bestätigen nur die Regel - sofern für einige Fälle nicht sogar gilt: "Bescheidenheit ist die schlimmste Form der Eitelkeit". Man zeige mir eine Wohnung ohne Spiegel, oder ein Naturvolk, dessen Mitglieder sich nicht schmücken. Die "sozialen Netzwerke" sind ein weltumspannendes Panoptikum der Eitelkeiten; was früher den Flaniermeilen, Marktplätzen, Sonntagsgottesdiensten vorbehalten war. Hand aufs Herz: Wer wollte nicht Wohlgefallen wecken und Anerkennung finden im Auge des Gegenübers? Wer wollte sich nicht wertgeschätzt, interessant, gemocht, bisweilen begehrenswert fühlen? Es ist auch bei der Eitelkeit erst die Dosis, die das Gift macht.


05.12.2017

Doch, ja: Seit dem gestrigen Nachmittag bin ich übellaunig. Dabei hatte der Tag so schön begonnen - mit der Fertigstellung des 8. Kapitels (1933-45) meines Buches über die 210-jährige Geschichte des Musik-Instituts Koblenz. Hernach waren ein paar Dinge im Supermarkt zu besorgen. Und wieder wollte es mir nicht gelingen, herauszufinden, was in den Packungen wirklich drin ist. Weil: Aufschriften unleserlich oder völlig unverständlich. Ich: Sooo einen Hals. Anschließend 3 Stunden herumgeärgert mit dem elektronischen Meldesystem der VG Wort. Dann Postdurchsicht mit folgenden Eingängen: 1. zwölfseitiger Prüfbescheid der Rentenversicherung über Beiträge zur Künstlersozialkasse; verstanden haben ich davon nix, außer dass 39 Euro nachzuzahlen sind. 2. Meldebogen der Berufsgenossenschaft, bei dem ich nichtmal begriffen habe, was überhaupt gemeldet werden soll. Schließlich 3., unverlangte Zusendung einer neuen Bankcard ohne Info, ob die alte PIN gültig bleibt. Und da soll man nicht die Krätze kriegen? Mit Verlaub, egal ob staatlich, privatwirtschaftlich oder verbandlich: Unsere Bürokratien sind eine Pest!


03.12.2017

Es haben mich heute ein paar Fotos erreicht, von Godehard Juraschek aufgenommen im Koblenzer Theater während meiner Laudatio auf Olaf Theisen, den Kuturpreisträger 2017 der Stadt Koblenz. Eine kleine Rednerstudie ...


02.12.2017

Man soll ja Fragen nicht mit Gegenfragen beantworten. Aber manchmal hilft das zum besseren Verständnis. Frage also neulich (wieder mal) an mich: "Warum schreibst du - nicht nur beruflich für die Zeitung, sondernauch noch in der Freizeit, obendrein öffentlich über Persönliches?" Gegenfrage meinerseits: Warum fotografieren unzählige Zeitgenossen stets und ständig Landschaften, Sonnenauf- und -untergänge, Hund-Katze-Maus, sich selbst, ihre Füße, ihre Mitmenschen, ihre Urlaubsorte, ihr Essen etc.pp. und verbreiten ihre Bilder hier und überall? Gründe und Antworten mag nun jeder selbst finden und bedenken.

Was meine Schreiberei angeht: Ich schreibe, weil ich eben ein Schreiber bin - ein primär schreibender (und lesender) Mensch, kein fotografierender, musizierender, malender, bildhauernder, schauspielender .... Ich schreibe, weil ich gar nicht anders kann (vielleicht auch nichts Anderes richtig kann). Ich schreibe, weil ich auf diesem Weg am klarsten denken und mich am besten mitteilen kann. Das war schon in Kindertagen so; da ließ mich eine verständige Lehrerin im 3. Volksschuljahr regelmäßig den ganzen Vormittag an meinem Aufsatz werkeln, während die übrige Klasse schon längst wieder beim Rechnen oder sonstwas war.


01.12.2017

Hinter dem aktuellen Glyphosat-Streit - wie hinter fast allen strittigen Themen im Bereich Agrarwesen und Lebensmittelproduktion - steckt die Frage: Was ist/wäre eine "fortschrittliche Landwirtschaft" im 21. Jahrhundert? Hierzu sind derzeit zwei konträre Grundsatzantworten im Umlauf.

1.) Fortschrittlich seien möglichst großflächig und quasi industriell zu bewirtschaftende Monokulturen, bepflanzt mit eigens dafür genetisch konstruierten Früchten und auf dem Acker produziert mit Hilfe dafür eigens entwickelter chemischer "Optimierungsstoffe".

2.) Fortschrittlich sei eine moderne Bäuerlichkeit, die auf kleiner gehaltenen Wechsel- und Mischparzellen den gesamtökologischen Erfordernissen gerechter wird und zugleich die mittel-/langfristig entscheidende Produktivkraft des Agrarwesens bewahrt sowie aktuell optimal nutzen kann: die Biodiversität.

Es wird nun kaum jemanden wundern, dass ich selbst zu Antwort Nr. 2 neige und hinzufüge: Nr. 1 ist m.E. in Wahrheit eine rückständige Produktionsweise, weil sie a) alle modernen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Funktionsweise der lokalen wie globalen Ökosphären ignoriert. Und weil sie b) mittel- und langfristig selbst hinsichtlich der erforderlichen Nahrungsmittelmengen kontraproduktiv ist.


01.12.2017

Hinter dem aktuellen Glyphosat-Streit - wie hinter fast allen strittigen Themen im Bereich Agrarwesen und Lebensmittelproduktion - steckt die Frage: Was ist/wäre eine "fortschrittliche Landwirtschaft" im 21. Jahrhundert? Hierzu sind derzeit zwei konträre Grundsatzantworten im Umlauf.

1.) Fortschrittlich seien möglichst großflächig und quasi industriell zu bewirtschaftende Monokulturen, bepflanzt mit eigens dafür genetisch konstruierten Früchten und auf dem Acker produziert mit Hilfe dafür eigens entwickelter chemischer "Optimierungsstoffe".

2.) Fortschrittlich sei eine moderne Bäuerlichkeit, die auf kleiner gehaltenen Wechsel- und Mischparzellen den gesamtökologischen Erfordernissen gerechter wird und zugleich die mittel-/langfristig entscheidende Produktivkraft des Agrarwesens bewahrt sowie aktuell optimal nutzen kann: die Biodiversität.

Es wird nun kaum jemanden wundern, dass ich selbst zu Antwort Nr. 2 neige und hinzufüge: Nr. 1 ist m.E. in Wahrheit eine rückständige Produktionsweise, weil sie a) alle modernen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Funktionsweise der lokalen wie globalen Ökosphären ignoriert. Und weil sie b) mittel- und langfristig selbst hinsichtlich der erforderlichen Nahrungsmittelmengen kontraproduktiv ist.


30.11.2017

Dieser Tage sah ich im TV den ganz reizenden Film "Shadows in the sun" (Unter dem Himmel der Toskana). Eine von etlichen wunderhübschen Szenen ging ungefähr so: Im Dorfcafé sitzen ein gealterter ehemaliger Erfolgsschriftsteller (Harvey Keithel) und ein junger Bursche mit Liebeskummer (Joshua Jackson) gemütlich beisammen. Nach der dritten Karaffe Rotwein plaudern sie beseelt Tiefsinn. Fragt der Junge: "Warum hat Gott die Frauen erschaffen?" Sagt der Alte: "Um wieder gut zu machen, was er mit den Männern angerichtet hat." Darauf schwärmt er leise und mit geschlossenen Augen von den Schönheiten des weiblichen Leibes. Das führt nun den jungen Mann zur versonnenen Schlussfolgerung: "Wäre ich eine Frau, ich wollte lesbisch sein."


29.11.2017

Time is money. Nur leider: Wenn man die Zeit in Geld verwandelt hat, ist sie weg.


28.11.2017

Von Hause und seit jeher habe ich ja ein eher distanziertes Verhältnis zu den deutschen Parteien (nur der AfD gegenüber ist es, zugegeben, von grundauf feindselig). Bei unterschiedlichen Themen gibt es jeweils größere oder kleinere Schnittmengen - meist kleinere - zwischen Positionen/Plänen dieser oder jener Partei und meinen eigenen Ansichten, Überlegungen, Fragen. Der leider weit verbreitete Zug, etwas schon (bzw. nur) deshalb für richtig oder falsch zu halten, weil es von einer bestimmten Partei vertreten wird, ist mir ziemlich fremd. Entsprechende Diskussionen zwischen eingefleischten Parteigängern finde ich oft ebenso unergiebig wie langweilig. Deshalb hätte ich auch gegen eine Minderheitsregierung nichts einzuwenden. Von dem subjektiven Umstand mal abgesehen, dass das in Deutschland ungewohnt wäre, spricht m.E. objektiv wenig dagegen. Mangel an Stabilität, Verlässlichkeit, Veränderungskraft? Ach was, das wäre doch nichts Neues.


27.11.2017

Da ist sie wieder, die bohrende Frage: Tut das Theater sich oder der Literatur einen Gefallen, ständig nicht für die Bühne geschriebene Romane auf die Bühne zu hieven? Aufgeworfen wird sie einmal mehr vom Theater Bonn, das jetzt einen dreistündigen Abend auf Basis von Juli Zehs 2016 erschienenem Roman „Unterleuten“ herausgebracht hat. Seit gut 20 Jahren sind solche Zugriffe auf literarische Klassiker wie auch Neuheiten Mode am Theater. Folgten ihr in der hiesigen Großregion anfangs vorallem die Häuser des Rhein-Main-Raumes, hält seit Beginn der Intendanz von Bernhard Helmich 2013 alljährlich Bonn den zahlenmäßigen Rekord.

Meine Premierenbesprechung
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


26.11.2017

Heuer befasst sich die letzte Ausgabe meiner Monatskolumne "Quergedanken" im alten Jahr mit hiesigen Sitten und Unsitten des vorweihnachtlichen Trubels. Dies vorweg: Obwohl von Religiosität bekanntermaßen gänzlich unbeleckt, habe ich gar nichts gegen Weihnachten. Der lebensfrohe Grundsatz „man soll die Feste feiern wie sie fallen“ gilt mir viel; sofern es sich nicht gerade um Kaisers oder Führers Geburtstag handelt. Der strenggläubige Einwand sticht nicht, wonach nur derjenige Anrecht auf weihnachtliche Festivität habe, der an die Jungfrauengeburt Christi glaubt.

Quergedanken Nr. 154: Oh du süßes Klingelingbimbim


24.11.2017

Hin und wieder tönt es mir aus dem nahen Umfeld entgegen: "Du bist schnäkisch". Zwar weiß ich nicht, wie man dies mundartliche Adjektiv richtig schreibt. Doch dem damit einhergehenden Vorwurf widerspreche ich mit Entschiedenheit. Denn ich esse fast alles - auch wenn außer Sauerkraut sowie Erbsen & Möhren jedwedes Gemüse meinen Gaumen wenig entzückt und vom Gedärm nur in Portiönchen akzeptiert wird, die andere Leut' für Tellerdekoration halten würden.

Salat aber mag ich gerne. Blatt-, Tomaten-, Möhren-, Rettich-, Kraut-, etc-salat; freilich nur sortenrein, also jede Art für sich. "Gemischter Salat" ist mir ein Graus, und das Drüberstreuen von Körnern, Bröseln, Sprossen macht ihn mir ungenießbar. Es entsetzen mich die gewaltigen Schüsseln mit Grünzeug, die vor allem einige Damen meines Verkehrskreises zu leeren pflegen. Derartige Mengen würden des Autors Leib in ein flatulierendes Gaskraftwerk verwandeln und alsbald explodieren lassen. "Demnach ist er ein Fleischfresser" geht jetzt wohl die Vermutung. Mitnichten! Fleisch und Wurst ess' ich gerne, doch nur vom Biobesten und in Maßen weit unter dem hiesigen Prokopf-Durchschnitt.

Obst liegt mir - wenn's nicht sauer ist. Selbst Asienfood und Sterneküche nehme ich zu mir - im Notfall. Wovon ernährt er sich dann, dieser Mann? Halt von allem übrigen: Hülsenfrüchte, Mehl- und Eierspeisen, Milchprodukte aller Art (die Käse je stinkiger umso lieber), Nüsse, Nudeln und Erdäpfel in jedweder Form, Reis, Griesbrei, Polenta, Couscous. Dazu das beste, wichtigste und für mich schmackhafteste überhaupt: Brot, Brot, Brot, Brot. Was also heißt da "schnäkisch"? Der Kerl ist so einfach glücklich zu machen.


23.11.2017

Die Mär von der angeblich "links-grün versifften" deutschen Medienlandschaft wird nicht wahrer dadurch, dass man sie ständig wiederholt. Faktum: Fast das gesamte Segment der auflagenstärksten Boulevardzeitungen und -illustrierten tendiert seit jeher in die entgegengesetzte Richtung, vorneweg Springer. Das Gros der Wirtschaftsmagazine und Wirtschaftsteile aller Medien war/ist konservativ oder neoliberal aufgestellt. Die deutschen Regionalzeitungen neigen traditionell eher zu bürgerlichem Konservatismus. Einer guten Hundertschaft privater TV- und Rundfunkanstalten ist alles mögliche zu eigen, aber gewiss keine links-grüne Tendenz. Und was die viel gescholtenen Öffentlch-Rechtlichen angeht: Der Umstand, dass Löwental und der alte "Report aus München" nicht mehr das Bild prägen, macht noch lange keinen "links-grünen Staatsfunk".


22.11.2017

Es haben nun alle überall zum Jamaika-Scheitern alles Sagbare gesagt. Da erzähle ich lieber von einer anderen, mir im Hallenbad widerfahrenen Wunderlichkeit moderner Zeit. Nach 45 Minuten eifrigen Schwimmens stehe ich unter der männergemeinschaftlichen Warmdusche. Das Duschen ist im Eintrittpreis inbegriffen, was so einen Badegang auch zum finanziell sehr günstigen Vergnügen macht. Ich also mit Seife und Shampoo im wohligen Wasserstrahl - selbstredend nackt, denn es will ja der ganze Leib einschließlich Haupt- und Nebenhaar von Chlor und Co. gereinigt werden.

Nun betritt ein jüngerer Vater mit zwei Knaben den Duschraum. Er spricht zu mir: "Würden sie bitte ihre Badehose anziehen, hier sind auch Kinder." Weil meine Visage daraufhin wohl einen Ausdruck völliger Verblödung annimmt und meinem Maul ein entsprechendes "häh?" entfährt, wiederholt der Herr seine Aufforderung. Jetzt erst, da mir wirklich bis ins Hirn durchdringt, was er sagt, kann ich angemessen reagieren.

Frage also meinerseits und durchaus freundlich vorgetragen: "Ihre beiden Kinder, das sind doch Buben?" Auf sein zustimmendes Nicken hin fahre ich fort: "Dann sehe ich keine Veranlassung, anno 2017 in einer öffentlichen Badeanstalt von den mehrere tausend Jahre alten abendländischen wie auch morgenländischen Badegebräuchen abzulassen." Woraufhin er empört androht, den Bademeister einzuschalten, und nebst Knaben den Duschraum verliässt. Indes: Der Herr taucht nicht mehr auf. Weshalb anzunehmen ist, dass der Bademeister - in diesem Fall eine Bademeisterin - ihn hinreichend über die Traditionen der Badekultur aufgeklärt hat.


20.11.2017

Ad Jamaika-Scheitern.
Nun denn. So erleben wir jetzt halt ebenfalls mal, was die meisten der älteren Demokratien schon vor langer Zeit oder mehrfach durchexerziert und überstanden haben. Neugierig, wie die Deutschen damit umgehen.


16.11.2017

Die Hausbank (Volks- und Raiffeisen) hat eine Mitteilung über "Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab 13.1.2018" geschickt. Das Schreiben umfasst 22 sehr eng und sehr klein bedruckte Papierseiten. Die dort verwendete Sprache ist zweifelsfrei Deutsch, die Anzahl der aus anderen Sprachen entlehnten Fremdwörter durchaus bescheiden. Wunderlich deshalb: Obwohl studiert und in mehreren Fächern erfolgreich examiniert sowie von Berufs wegen seit jahrzehnten vornehmlich mit deutscher Sprache befasst, verstehe ich beim ersten Drüberlesen nur Bahnhof - und selbst beim zweiten, sorgfältigeren, Durchgang bestenfalls noch Gleis 1.


13.11. 2017

Am gestrigen Sonntag wurde dem Intendanten des Koblenzer Musik-Instituts, Dr. Olaf Theisen, der Kulturpreis der Stadt Koblenz verliehen. Mir war die Aufgabe und die Ehre zugefallen, bei der Festverstaltung im Theater Koblenz die Laudatio auf den Preisträger zu halten. Und gerne komme ich dem Wunsch nach, mein Redemanuskript auch der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der vom geladenen Auditorium mit manchem Lachen und am Ende reichlich Beifall aufgenommene Vortrag dauerte knapp 25 Minuten. Heißt: Es ist nicht gerade ein kurzer Text. Gleichwohl sei potenzieIlen Lesern eine interessante wie kurzweilige Lektüre in Aussicht gestellt.

Manuskript der Laudatio hier

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Heute zuerst der Hinweis auf meine Besprechung des 3. Koblenzer Anrechtskonzerts am Freitag: Der erste Teil des Abends brachte Novemberstimmung in die Koblenzer Rhein-Mosel-Halle. Benjamin Brittens Suite „A Time There Was“ schmeckt weithin nach nebelverhangenen grauen Frösteltagen. Die folgenden „Kindertotenlieder“ von Gustav Mahler verströmten Gram und tiefe Trauer. Nach der Pause übernahm mit Dimitri Schostakowitschs 5. Sinfonie opulent auftrumpfende Großsinfonik das Regiment. Deren Umsetzung durch die Rheinische Philharmonie unter Garry Walker wurde zu Recht mit sehr langem Beifall gefeiert.

Konzertbesprechung hier
kostenpflichtiger RZ-Text, 3900 Anschläge, 49 Cent


11.11.2017

Da tappsen mir beim behaglichen Samstagsfrühstück plötzlich völlig unangemeldet zwei Gedanken durchs Hirn, die obendrein gar nichts miteinander zu tun haben.

1.) Womit eigentlich haben all die Straßenbaufirmen früher ihr Geld verdient, deren Baustellen ohne Zahl heute gleichzeitig jede, aber auch jede Fern- und die meisten Nahstraßen sowie das Gros der deutschen Innenstädte um und ümmer graben?

2.) Es täte wohl jedem Menschen gut, wenn er zumindest in der Übergangsphase vom späten Kind zum Erwachsenen für eine Weile auf ziellose Wanderschaft ginge. Eine Wanderschaft zu anderen Orten und Leuten; durch ungekannte Kulturen und Lebensweisen; hinein in unvertraute Denkschulen und Wissenszweige: hinab oder hinauf zu Krisenphasen, Zweifeln, Irrtümern: dorthin auch, wo die einfache Arbeit schwer und Schmalhans Küchenmeister ist ... Wir tun uns keinen Gefallen mit der Zurichtung von Bildungs- und Lebenswegen auf ein gradliniges, ungebrochenes, schnelles und effektives Erwachsenwerden.


09.11.2017

Eben habe ich aus der hintersten Ecke des Kleiderschrankes meinen einzigen und also "den guten" Anzug hervorgekramt. Nun hängt der dunkle Zweiteiler am Fenster und schnappt frische Luft. Solch Glück widerfährt ihm nur alle Jubeljahre, weil die honorable Herrenuniform halt noch nie mein Ding war. Anlass für den Ausnahmezustand ist ein Gesellschaftsereignis am kommenden Sonntagvormittag im Theater Koblenz: die Verleihung des Koblenzer Kulturpreises an Dr. Olaf Theisen, den Intendanten des Musik-Instituts. Da ich wegen meiner derzeitigen Buchschreiberei über die 210-jährige Geschichte eben dieses Instituts tief in der Materie stecke, wird mir die Ehre zuteil, die Laudatio auf den Preisträger zu halten. Was ich gerne mache - und zu diesem Behufe mich ins zwar angemessene, aber ungeliebte Outfit zwänge.


07.11.2017

Heute vor 100 Jahren. 7. November 1917 (25. Oktober nach julianischem Kalender) = Symboldatum für "Ausbruch der russischen Oktoberrevolution". Bei Durchsicht der medialen Aufbereitung des Themas wird einmal mehr erkennbar: Es gibt in der landläufigen Geschichtsbetrachtung verbreitet eine starke Neigung zu entweder Verklärung oder Aburteilung und Verdammung dieser Revolution, ja bisweilen jedweder Revolution.

Kleine Anmerkung zum Thema hier


06.11.2017

Seit Januar wird Friedrich Dürrenmatts Stück „Die Physiker“ in einer ansehnlichen Bearbeitung am Staatstheater Mainz gespielt. Jetzt hat auch das Theater Bonn eine bemerkenswerte Neuinszenierung der Tragikomödie aus der Zeit des Kalten Krieges herausgebracht. Das Werk von 1962 dieser Tage auf den Spielplan zu setzen, ist naheliegend. Denn wie in beiden Fällen zu sehen, bewährt es sich als scharfer Kommentar zu einer Gegenwart, in der Technik und Ökomonie mit nie dagewesenem Tempo Lebensweise und -grundlage der Menschen umwälzen respektive zerstören.

Meine Premierenkritik hier
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


05.11.2017

Neulich stand ich anderwärts mit einigen jüngeren freischaffenden Journalistenkollegen beisammen, die alle ein uraltes Klagelied dieser Zunft anstimmten: über Redakteure, die ihre Beiträge schlecht oder gar falsch redigierten, Kernaussagen rauskürzten, den individuell-originären Autorenstil wegschliffen oder Überschriften, Vorspänne, Anmoderationen formulierten, die zielgenau am Wesen des Beitrages vorbeigingen. Als Senior, der nun fast so lange Freischaffender ist, wie er zuvor auf der anderen Schreibtischseite Redakteur war, riet ich zu etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit einem Phänomen, das quasi in der Natur der Sache liegt - und das, so ärgerlich es im Einzelfall sein mag, doch eher die Ausnahme von der Regel darstellt.

In der Regel nämlich, so mein langjähriges Erleben, erfahren die Beiträge beim Zuschnitt auf gegebene Platzverhältnisse, Sendezeit oder (Eigen)Art des jeweiligen Mediums auch eine Aufwertung. Ich selbst bin kein besonders guter Schlagzeilenmacher und nur ein mäßiger Layouter. Und gewiss lässt sich manche Stelle in meinen Texten fürs jeweilige Publikum verständlicher, klarer, manchmal richtiger oder sogar schöner formulieren. Da bin ich dann gar nicht selten positiv überrascht, welch feinen Auftritt die Kollegen/innen meiner Schreiberei verschaffen - so sie die angemessene Zeit dafür haben.

Freilich gehen da bisweilen auch Schüsse daneben. Wenn Leser/Hörer dich in solchen Fällen angehen - "Wie kommen sie bloß auf so eine Überschrift, die gibt ihr Text doch gar nicht her?" - kannst du nur mit den Schultern zucken und an den Umstand erinnern: In den meisten Pressemedien werden Überschriften, Vorspänne, Anmoderationen nicht vom Autor des Beitrages selbst verfasst, und selten nur wird sein Beitrag eins zu eins in der Urfassung publiziert. Das kann man bedauern. Aber wie sähen Zeitungen und Sendungen wohl aus ohne die gestaltende Hand von Redakteuren?
Gefällt mir


05.11.2017

TV-Tip für Montag 6.11., ZDF 20.15 Uhr: "Dengler - Die schützende Hand". Krimis sind bekanntlich nicht mein Ding. Aber in diesem Fall: Wolfgang Schorlau, der Autor des hier verfilmten gleichnamigen Kriminalromans, gilt als einer der politischsten und kritischsten Krimischreiber Deutschlands. Seine Faktenrecherchen sind umfassend und akribisch; jeder der bisher acht Romane mit Privatdetektiv Dengler legt den Finger in schwärende Wunden bundesrepublikanischer Verhältnisse. Diesmal geht es um Fragwürdigkeiten bei der Aufklärung der NSU-Morde. Und da der aus Idar-Oberstein stammende Schorlau, der etliche Jahre auch in Koblenz gelebt hat, obendrein ein alter und sehr kluger Freund von mir ist, empfehle ich ausnahmsweise mal einen Krimi.


04.11.2017

Drei Jahre ist es her, dass ein nur 60-minütiges Tanzstück die Zuseher am Mainzer Staatstheater zu frenetischem Beifall hinriss. Im Dezember 2014 hatte die neu formierte Compagnie tanzmainz eine Choreografie namens „Plafona Now“ aufgeführt. Die von der israelischen Choreografin Sharon Eyal stammende Arbeit konfrontierte Mainz mit einem dort bis dahin noch nie gesehenen zeitgenössischen Tanzstil. Jetzt kam auf derselben Bühne Eyals jüngste Arbeit „Soul Chain“ zur Uraufführung. Ihre dynamische Stilistik ist nun vertrauter, die Faszination daran aber keinen Deut geringer.

Meine Premierenbesprechung hier
3400 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


02.11.2017

"Kulturhauptstadt Koblenz: Idee ist vom Tisch" titelt der Kulturteil der Rhein-Zeitung heute (2.11.2017). Anlass: Die Stadtführung zieht ihren Vorstoß für eine Bewerbung zurück, weil das Land Rheinland-Pfalz nicht in die Mitfinanzierung einsteigen will. Ich stand der Idee von Anfang an zwar nicht ablehnend, aber doch sehr skeptisch gegenüber. Es geht eben nicht bloß darum, den am Ort eh vorhandenen Mix an Kultur etwas herauszuputzen/aufzupeppen und in einen neuen werblichen Hochglanz-Auftritt zu packen.

Meine Anmerkungen zum Thema hier


29.10.2017

Sie ist eine der berühmtesten Mainzerinnen, gehörte in weiten Kreisen freilich nie zu den beliebtesten: die Kommunistin und Schriftstellerin Anna Seghers (1900–1983). Vor 75 Jahren erschien ihr großer Roman „Das siebte Kreuz“. Dieser Tage sind dem Text wie seiner Autorin in Mainz und Frankfurt eine Fülle von Veranstaltungen gewidmet. An zentraler Stelle steht dabei die zweite je in Deutschland produzierte Adaption des Werkes für die Bühne; die erste war 1981 in Schwerin zu sehen. An diesem Wochenende gab Anselm Weber damit seinen Regieeinstand als neuer Intendant des Schauspiels Frankfurt.

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4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


28.10.2017

Nachtrag zu meinen #meToo-Anmerkungen vom 26.10.
wer jenen Text noch nicht kennt, kann ihn hier nachlesen:

Es wird jetzt der Ruf laut nach neuen gesetzlichen Regelungen wider sexistische Übergriffigkeit. Man kann das überlegen, vielleicht wäre es im einen oder anderen Bereich sinnvoll bzw. hilfreich. Nach meinem Dafürhalten ist das derzeit hierzulande aber nicht der entscheidende Punkt.

Man mag sich das der Einfachheit halber wünschen, aber es lassen sich über Jahrhunderte des Patriarchats gewachsene Unkultur-Praktiken nunmal kaum mit ein paar formalen Federstrichen aus der Welt schaffen. Dazu bedarf es vielmehr einer Art Kulturrevolution der Geschlechterbeziehung, eines gesellschaftlichen Prozesses hin zur allgemeinen Ächtung sexistischer Übergriffigkeit in Wort und Tat. (Dass männliche Macht-, Dominanz- und Privilegstrukturen in Wirtschaft, Politik und öffentlichem Leben aufgebrochen und zerbrochen werden müssen, habe ich nicht eigens thematisiert, weil: Den Kampf darum betrachte ich als Selbstverständlichkeit.)

Und dies noch, das auch ich über die Jahrzehnte erst lernen musste und alle Tage wieder bedenken muss: Jede Frau hat das Recht, ihre ganz eigenen individuellen Grenzen zu ziehen. Die können obendrein in jedem Einzelfall gegenüber verschiedenen Männern auch noch völlig unterschiedlich verlaufen. Im einen Fall erlauben Vertrautheit, Vertrauen, Freundschaft, Nähe, wechselseitige Zuneigung Umarmungen, Küsschen, geziemendes Anfassen oder sogar mal verspielt frivole Bemerkungen. Im anderen Fall verletzt dies, das oder jenes einige bzw. alle Grenzlinien.

Gewiss, es ist nicht immer einfach, herauszufinden, was, wann bei wem gilt. Aber: Selbst chauvenistische Dickhäuter könnten - wenn sie mannhaft genug wären, es zu wollen - Distanzverhalten, abwehrende Blicke und Gesten, missbilligende Bemerkungen als das verstehen, was sie sind: ein NEIN. Und nein heißt nein - ist das genaue Gegenteil von Ja.


26.10.2017

So, Feierabend. Kleiner Schnitt zum Wochenende - für ein paar Tage raus aus der Arbeit am Buch über 210 Jahre Geschichte des Koblenzer Musik-Instituts und rein in aktuelle Kritikerpflichten: Am Freitag im Schauspiel Frankfurt Regieeinstand des neuen Intendanten Anselm Weber mit einer Bühnenadaption von Anna Seghers "Das siebte Kreuz"; am Samstag Premiere "Soul Chain", neue Produktion der Tanzsparte am Mainzer Staatstheater.

Für die Bucharbeit grabe ich mich seit einigen Tagen durch das Teilthema "Koblenzer Kulturleben 1933 bis 1945". Einmal mehr wird mir dabei deutlich: Gleichschaltung und Unterwerfung (nicht nur) des Kulturlebens vollzogen sich für damalige Zeitgenossen vielfach weniger im schlagzeilenträchtigen Großen, sonder als schleichende Prozesse im Kleinen. Da wirkt ein Mix aus auf den den ersten Blick oft wenig spektakulären Verwaltungsakten, diversen Personalrochaden sowie peu a peu fortschreitender, anfangs fast unscheinbarer ideologischer Beeinflussung der öffentlichen Stimmung und Meinung. Bis schließlich die Nazis plötzlich sämtliche Kulturapparate beherrschen und organisatorisch wie inhaltlich die NSDAP-Kommandowirtschaft das Regiment übernommen hat.


25.10.2017

Diese aktuelle #metoo-Bewegung finde ich gut - auch wenn ich über die Jahrzehnte sehr viele Frauen getroffen habe, bei denen Mannsversuche verbaler oder gar händischer Übergriffigkeit keinesfalls ungestraft blieben. Aber es kann ja selbst im Falle solch starker Frauen nicht sein, dass sie in permanenter Bereitschaft leben müssen, sich zu wehren oder zurückzuschlagen. Da chauvenistische Übergriffigkeit, wie #metoo zeigt, leider und unerträglicherweise offenkundig anhaltend ein Massenphänomen ist, bleibt wohl gerade auf Männerseite noch einiges zu tun.

Weitere Anmerkungen zu diesem Thema


23.10.2017

„Das Orchester hier hat mit einer Wollust geübt und gespielt und mich gelobt, wie es mir noch nie passiert ist.“ Derart freute sich Johannes Brahms über die triumphale Uraufführung seiner 2. Sinfonie anno 1877. Ähnliche Anwandlungen durchzucken den Zuhörer jetzt mehrfach während der Realisation desselben Werkes durch die Rheinische Philharmonie beim Koblenzer Musik-Institut. Wie damals im Wiener Musikverein das Publikum gespannt war auf die neueste Komposition von Brahms, so jetzt das Auditorium in der Rhein-Mosel-Halle auf die Leistung des hiesigen Staatsorchesters beim zweiten Anrechtskonzert unter Stabführung seines neuen Chefdirigenten Garry Walker.

Meine Konzertbesprechung hier
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Sämtlichen Gratuliererinnen und Gratulanten meinen allerherzigliebsten Dank - für die guten Wünsche sowie den Zuspruch, auch fürderhin die mal ernsthaft, mal schalkhaft spitzige Feder nicht stillestehen zu lassen. Ich bin ob der Alterung mit ihrem steten Zugewinn an Erfahrung und Erkenntnis nicht gram. Allenfalls etwas irritiert über den Umstand, dass ich nun ein Jahr älter bin als der Großvater geworden ist - den mein Kindheitsgedächtnis nur als ururalten Greis zeigt.


19.10.2017

Eigentlich ist es noch viel zu früh für meine Monatskolumne "Quergedanken". Aber die aktuelle Folge ist "Vaterlandslose Gesellen" betitelt und handelt vom Thema "Heimat". Weil das eben jetzt in allen Medien rauf und runter diskutiert wird, droht mir das Thema - wie es in der Journalistenzunft heißt - "wegzulaufen". Häufig ist es aus organisatorischen Gründen unvermeidlich, die "Quergedanken" schon zwei bis vier  Wochen vor Abdruck im mittelrheinischen Monatsmagazin "Kulturinfo" zu schreiben. Die jetzige Nr. 153 entstand bereits in der ersten Oktoberwoche. Damit es nachher nicht heißt, der Autor bete bloß den medialen Mainstream nach, habe ich mich für die vorgezogene Publikation im Netz entschieden.

"Quergedanken" 153: Vaterlandslose Gesellen


13.10.2017

Es kommt seltener vor als gemeinhin angenommen, dass mehrere (professionelle) Kritiker eine Bühnenproduktion völlig gegensätzlich bewerten. Viel öfter neigen sie - freilich mit verschiedenen Abstufungen, Blickwinkeln, Gewichtungen - in gemeinsamer Grundtendenz zur einen oder anderen Urteilsrichtung. Hinsichtlich der jüngsten Produktion des Hessischen Staatsballetts, "Eine Winterreise" ist nun allerdings der Extremfall eingetreten: Volker Milch (Rhein-Main-Presse) schreibt vom Besten, das die Wiesbadener Tanzsparte seit Jahrzehnten geboten hätte. Ich hingegen komme, wie auch Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau), zu dem Ergebnis, dass dies eine der schwächsten Choreographien von Tim Plegge ist.

Meine Besprechung des "Winterreise"balletts" hier
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


09.10.2017

Einer der größten Klassiker auf kleines Format reduziert: Regisseur K. D. Schmidt lässt „Hamlet“ stramm in nur zwei Stunden auf einem kaum zwei Meter tiefen Bühnenstreifen vor dem eisernen Vorhang spielen. Das ist der sehenswerte Beitrag des Staatstheaters Mainz zum ringsumher opulenten Shakespeare-Reigen in der Theatersaison 2017/18.

Meine Premierenkritik hier
4300 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


08.10.2017

Ein schönes Zitat:

"Wer dem Hass mit Hass begegnet, hat sich schon verformen lassen, hat sich schon jenem angenähert, von dem die Hassenden wollen, dass man es sei. Dem Hass begegnen lässt sich nur durch das, was dem Hassenden abgeht: genaues Beobachten, nicht nachlassendes Differenzieren und Selbstzweifel."

Carolin Emcke (gefunden gestern im Programmheft zu "Hamlet" am Staatstheater Mainz)


06.10.2017

Diesjähriger Träger des Literaturnobelpreises ist also Kazuo Ishiguro. Die üblichen Irritationen und die Einsprüche gegen den Entscheid halten sich diesmal in Grenzen, denn der japanische Brite ist kein Unbekannter. Er steht seit drei Jahrzehnten hierzulande und in vielen anderen Ländern immer wieder auf den Bestenlisten, gelegentlich sogar Bestsellerlisten. Selbst wem der Name nicht geläufig ist, hat womöglich die ziemlich bekannten Romanverfilmungen „Was vom Tage übrig bleibt“ und „Alles, was wir geben mussten“ gesehen. Das Stockholmer Komitee hat eine gute Wahl getroffen.

Mein Kommentar zum Literaturnobelpreis 2017 hier


05.10.2017

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Wenn der verehrten Leserschaft der nachfolgende Text vor Augen kommt, wird Garry Walker sein Einstandskonzert am Mittelrhein bereits dirigiert haben. Der Terminplan wies es für den 22. September als erstes Anrechtskonzert 2017/18 beim Musik-Instituts Koblenz aus. Für diesen Artikel jedoch trafen wir uns zum Gespräch schon am 3. September, dem diesjährigen Tag der offenen Tür im Görreshaus, der Koblenzer Heimstatt der Rheinische Philharmonie. Es galt, einer Persönlichkeit näher zu kommen, die in den nächsten Jahren diesen Klangkörper als Chefdirigent künstlerisch prägen wird.

Das ganze Gesprächfeature hier
freier Lesetext, 12 600 Anschläge, 8 - 10 Minuten Lesezeit


02.10.2017

Es ist für den Außenstehenden nicht ganz einfach zu begreifen, was so viele Katalanen ein so starkes Bedürfnis nach Unabhängigkeit empfinden lässt. Wie bei anderen regionalen Bestrebungen zur Loslösung von bisherigen Nationalstaaten muss man wohl auch in diesem Fall tief in die Regional-/Volksgeschichte eintauchen, um verstehen zu können, woher das kommt. Beim Nachlesen über Katalonien stieß ich zuerst darauf: Diese Region stand im spanischen Bürgerkrieg an der Seite der Republik gegen Franco, wurde heftig bombardiert und blutig niedergeworfen. Die katalanische Sprache wurde hernach von der francistischen Zentralregierung verboten, ihre Benutzung mit Gefängnis bestraft. Dies ist nur eines der Kapitel einer sehr problematischen Beziehung zwischen Madrid und Katalonien, deren meist düstere Geschichte wohl bis auf die Reconquista zurückgeht. Die Überheblichkeit des spanischen Oberparagrafenreiters Mariano Rajoy - der noch immer nicht verstanden hat, dass er Präsident nicht einer Nation, sondern eines Vielvölkerstaates ist - fügt dem jetzt leider ein weiteres Kapitel hinzu.


02.10.2017

Ein pralles Theaterwochenende liegt hinter mir. Es führte den Kritiker erst ins Schauspiel Frankfurtk, hernach zum Ballett am Theater Koblenz.

Aufregende Raumsituation mit nach vier Seiten offenem Arena-Spiel, darin mit Wolfram Koch ein enorm starker Titelheld: So gelingt dem Regisseur Jan Bosse mit Shakespeares düsterem Drama "Richard III." über den bösesten Bösewicht der  Theatergeschichte ein großer, mitreißender Abend.  Das ist am Schauspiel Frankfurt ein Spielzeitauftakt nach Maß. Der markiert zugleich den dortigen Beginn der Intendanz von Anselm Weber in der Nachfolge Oliver Reeses, der seinerseits Claus Peymann als Chef des Berliner Ensembles ablöst.

Meine Premierenkritik hier
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent

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Zweite Premiere auf dem Einsatzplan am zurückliegenden Wochenende: "Gefallene Helden", erste Ballettproduktion am Theater Koblenz in der Saison 2017/18. Das kleine Haus bietet dafür einiges auf: Drei Choreografen, zwei Dirigenten und einen leibhaftigen Komponisten, im Graben die Rheinische Philharmonie in unterschiedlichen Besetzungen, auf der Bühne zwei Schauspieler und natürlich die gesamte Tanzcompagnie. An Abwechslung herrscht kein Mangel bei diesem 135-minütigen Abend aus drei eigenständigen Teilen - zu dem auch die Uraufführung einer fulminanten Auftragskomposition des bei der umjubelten Premiere anwesenden Marijn Simons gehört.

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28.09.2017

Eben, beim Blick auf den Kalender, spuckt das Hirn ungefragt Erinnerungen aus: An einem der letzten Septembertage vor genau 30 Jahren betrat ich erstmals das Koblenzer Verlagshaus der Rhein-Zeitung - und stieg in die Lebensphase als hauptberuflicher Zeitungsschreiber ein. Damit endeten meine postgymnasialen "Wanderjahre" als Soldat, Schlosserlehrling, Maschinenbaupraktikant, Hausmann und väterlicher Säuglingsbetreuer, Student für Germanistik, Musik und Politikwissenschaft, Lehramtsreferendar, Privatlehrer für Klavier und Heimorgel.

An jenem Tag legte mir Conrad M. Regge, einer der damaligen RZ-Chefs und Vater des jüngst inthronisierten neuen Verlagsgeschäftsführers, ein paar Verlagsbeilagen der Rhein-Zeitung hin mit der Bemerkung: "Man hat sie mir als gescheiten Kerl und versierten Schreiber empfohlen. Schauen Sie sich mal die Textteile in diesen Blättchen an." Nach ein paar Minuten fragte er: "Können sie uns solche Texte schreiben oder womöglich bessere?" Knappe Antwort meinerseits: "Kann ich. Bessere." Darauf er: "Den Flur runter, die fünfte Tür links, das ist ihr Büro. Fangen sie an." So unkompliziert konnte das seinerzeit bisweilen noch gehen.

Es dauerte ein paar Tage bis alles geregelt war und ich loslegte, erst als allein arbeitender, dann als leitender Beilagenredakteur. Vier Jahre später wechselte ich ins Kulturressort der Hauptpredaktion zu meinem guten Freund und Kollegen (dem 2010 tödlich verunglückten) Wolfgang Kroener. Dort war ich zuständig vor allem für Theater, Literatur und klassische Musik, arbeitete zudem für den Politikteil als Kommentator und Essayist. 2005 machte ich mich dann als freier Autor selbstständig - was bis heute so geblieben ist und noch ein Weilchen so bleibt.


25.09.2017

Am Morgen nach dem wahrlich unschönen (aber erwarteten) Wahlergebnis erfüllt mich gleichwohl Zuversicht und eine ruhige Entschlossenheit. Nicht zuletzt mit Blick auf die Weltläufigkeit, Lebensfreude und Freiheitlichkeit des Großteils unserer jungen Leute mache ich mir nun auf die alten Tage ein fast vergessenes Motto wieder zum Leitsatz: No paseran (sie, die Braunen, werden nicht durchkommen)!

Anmerkung zum Ergebnis der Bundestagswahl

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Es ist ein seit jeher umstrittenes Stück: Bert Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. Zwischen Fertigstellung und Uraufführung 1959 in der Regie von Gustav Gründgens lagen drei Jahrzehnte. Dann eroberte das „Lehrstück“ die Bühnen – um im Laufe der 1980er wieder fast völlig zu verschwinden. Viele Theatermacher hielten da dessen antikapitalistischen Impetus für grobschlächtig und überholt. Doch plötzlich treiben Entwicklungen des jungen 21. Jahrhunderts das Werk erneut auf die Spielpläne. Und wir sehen erstaunt, es wirkt über einige Strecken wie fürs Heute gemacht. So jetzt erlebbar in einer ausgezeichneten Inszenierung am Theater Bonn.

Meine Premierenbesprechung hier
4400 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


23.09.2017

„Nie! Nie hätte ich damals gedacht, dass unser Projekt Jahrzehnte überdauern würde.“ Werner Oberender wirkt noch immer schier fassungslos angesichts des Umstandes, dass das alljährliche Jazzfestival Neuwied jetzt am 3. und 4 . November bereits zum 40. Mal über die Bühne geht. Ich sprach über damals und heute mit dem jetzt 61-jährigen Mitbegründer, Spiritus rector und künstlerischen Leiter dieses Festivals. Es ist das kleinste unter den ältesten Jazz-Meetings in Deutschland, gleichwohl haben über die Jahrzehnte in dem Industriestädtchen am Mittelrhein fast alle gespielt , die in der deutschen und internationalen Jazzszene einen Namen haben.

Mein Artikel zum Festivaljubiläum


22.09.2017

Die aktuelle Folge meiner monatlichen Glosse "Quergedanken" erscheint diesmal ein paar Tage früher als gewöhnlich. Das passt ganz gut, hat der Text doch viel mit Lebenslust und Lebensart zu tun, dafür nichts oder höchstens sehr indirekt mit der Bundestagswahl am Sonntag. Ein kleines Lektüre-Verschnauferl abseits des derzeitigen politischen Furors möcht' manchem Zeitgenossen kurz vor dem Wahlgang vielleicht gerade recht kommen. Gewünscht sei also ein bisschen Vergnügen bei

Quergedanken 152: Die Frau, das unbekannte Wesen

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Mein letzter Beitrag zur Archäologie-Serie "vorZeiten" der Rhein-Zeitung führt erneut in die Vordereifel. Also in jenes Gebiet, aus dem ich unlängst über eine Jagd steinzeitlicher Neandertaler auf Wollnashörner berichtete. Mehr als 120 000 Jahre nach jenen Jagdereignissen landen wir jetzt am Karmelenberg bei Ochtendung und zwei Funden, die bestätigen, dass eben diese Gegend im letzten vorchristlichen Jahrtausend eine Art Metropolregion der späten Bronzezeit war.  Mit beiden Funden verknüpfen sich Geschichten, die erzählen von den bisweilen eigentümlichen Wegen der Archäologen zu den Hinterlassenschaften der Vergangenheit.

Zum Artikel "Überraschende Boden-Schätze" hier
6800 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


21.09.2017

Mal kurz die Arbeit beiseite gelegt, denn eine Entscheidung ist zu fällen: Wohin bei der Wahl am Sonntag mit meinen beiden Kreuzchen? Mich plagen noch immer Unsichertheiten. Denn: Ich bin nunmal der festen Langzeitüberzeugung, dass sich im Land, in Europa, auf der Welt allerhand grundlegend ändern muss. Es kann ja die jetzige Zivilisationsentwicklung - per "ewigem" Wachstum de facto hinein in lauter ökologische, ökonomische, soziale Sackgassen - nicht der menschlichen Weisheit letzter Schluss sein. Wen kann/soll ich wählen vor dem Hintergrund dieses Gedankens? Es ist nicht einfach. Wo meine Kreuzchen keinesfalls landen werden, ist hingegen völlig klar: Neofaschismus, Nationalchauvenismus und Rassismus, Inhumanität, Intoleranz und Illiberalität haben mit mir als Weltbürger und meinem Wunsch nach Veränderung nichts, aber auch gar nichts gemein.


20.09.2017

Was hat der legendäre Richard Löwenherz mit der Pfalz zu schaffen, dass ihm das Historische Museum Speyer jetzt erstmals seit der Salier-Schau vor 25 Jahren eine große Landesausstellung widmet? Mehr jedenfalls als mit Robin Hood, dieser in den neuzeitlichen Traumfabriken so beliebten Sagengestalt, der Richard mit Sicherheit nie begegnet ist. Zentraler Anknüpfungspunkt für die hockarätige Ausstellung "Richard Löwenherz. König - Ritter - Gefangener" jetzt in Speyer ist: Der von 1189 bis 1199 über England und weite Teile Frankreichs herrschende Mann war der berühmteste Gefangene aller Zeiten in der Pfalz - und der ideale Vertreter für das ideelle Rittertum des Hochmittelalters.

Meine Ausstellungsbesprechung hier
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12.09.2017

Einen Moment die Arbeit ruhen lassen und eines Mannes gedenken, der im Alter zu einem der wichtigsten Geister und beeindruckendsten Menschen in Deutschland wurde. Heiner Geißler ist gestorben, Einst demogagische "Kampfmaschine" der CDU, hat mich sein nachheriger Wandel zum ebenso unabhängigen wie unbeugsamen und nicht nur für seine Partei unbequemen Querdenker tief beeindruckt. Die Republik hat einen ihrer größten alten Männer verloren; einen, der in späten Jahren aus echtem humanistischem Konservatismus heraus zu frischen, frechen, gegen den neoliberalen Mainstream widerständigen Überzeugungen gelangte - für die er bis zuletzt bissig, humorig, klug stritt.


11.09.2017

Wann immer die Rede auf dieses Stück kommt, stehen die Superlative Schlange. Zu Recht heißt es, „King Lear“ sei das düsterste, grausamste, kompromissloseste und erschütterndste Werk Shakespeares. Mehr noch: Neben Goethes „Faust“ handle es sich um die bedeutendste Tragödie des Welttheaters überhaupt. Daher ist es keine Kleinigkeit, wenn ein angesehener Schriftsteller und Dramatiker wie John von Düffel für die aktuelle Koblenzer Produktion in Anlehnung an den alten einen quasi neuen „Lear“ schreibt. Das Ergebnis hatte am Wochenende am Theater Koblenz Premiere, doch trotz kräftigen Beifalls scheiden sich daran die Geister.

Zur Premierenkritik hier
4500 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


10.09.2017

In eigener Sache:
Es hat Anfragen gegeben, warum ich in jüngerer Zeit so "schreibfaul" geworden sei und nur hier nur noch neue Texte von mir für andere Medien anzeige. Liebe Freunde und geschätzte Leut'. Ich bin gesund und guter Dinge, aber wat mutt, dat mutt: Ich muss Zeitreserven mobilisieren und die Konzentration stärken. Denn neben den laufenden kulturjournalistischen Vertragspflichten für diverse Medien ist ein dicker Sonderbrocken zu bewältigen: Mein Buchmanuskript über die jetzt 210-jährige Geschichte des Koblenzer Musik-Instituts muss um den Jahreswechsel herum fertig sein. Deshalb reduziere ich meine Aktivitäten auf dieser website - vorerst bis Jahresende - auf ein Minimum. Um Verständnis sei gebeten.


08.09.2017

Weiterer Beitrag zur Archäologie-Serie der Rhein-Zeitung. Diesmal geht es um das auch in Deutschland verbreitete Unwesen der illegalen Raubgräberei. Bei ihrer Schatzsuche zerstören Dilettanten und/oder Kriminelle häufig unwiederbringlich, was für die archäologische Forschung über unsere Geschichte mindestens ebenso bedeutend ist wie die Artefakte selbst: den Befund - also das ganze "Drumherum" an der Fundstelle. Ich behandle dieses Problem am Beispiel des 2014 einem pfälzischen Raubgräber entwundenen spätrömischen "Barbarenschatz von Rülzheim".

Zum Artikel "Tatort Pfälzerwald"
6800 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


04.09.2017

So ist es Tradition am Theater Koblenz seit nunmehr 30 Jahren: Noch vor Beginn der jeweils neuen Spielzeit lädt das Haus in Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis des Theaters zur „Kostprobe“. Im Verlauf eines opulenten Abends kommen erstmals ausgewählte Momente der neuen Produktionen ans Licht der Öffentlichkeit. Man will den treuesten Kern des Publikums mit Appetithappen neugierig machen auf das, was kommt.

Mein Bericht vom "Kostprobe"-Abend
3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


02.09.2017

Mein jüngster Beitrag zur Archäologieserie "vorZeiten" der Rhein-Zeitung führt bis zu 170 000 Jahre zurück und ins Lager einer Neandertaler-Gruppe im Krater eines erloschenen Osteifelvulkans. Es ist Jagdtag, denn durch die Kaltsteppe unterhalb des Vulkans zieht ein Herde Wollnashörner. Hier die Geschichte einer solchen Jagd, abgeleitet aus archäologischen Funden in dieser Eifelregion nahe Koblenz.

Mit Neandertalern auf Nashornjagd in der Eifel
5400 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent

 


 
 

28.08.2017

Die Koblenzer "steps dance studios" feiern am 9. September mit zwei Bühnenshows in der Kulturfabrik/Kufa ihren 20. Geburtstag. Sie sind untrennbar verknüpft mit dem Lebensweg ihrer heute 66-jährigen Gründerin und Leiterin Barbara Pietjou. Dieser Werdegang führt tief hinein in die Geschichte der freien Kulturszene von Koblenz. Anlässlich des Jubiläums  von "steps"

ein kleiner Rückblick auf oft auch schwierige Zeiten


27.08.2017

Die Theatersaison 2017/18 hat begonnen. Der erste Kritikereinsatz führte mich jetzt nach Mainz, wo am Staatstheater Jan-Christoph Gockels Projekt "Der siebte Kontinent - Reise zur größten Mülldeponie der Erde" Premiere hatte. Die Realität selbst erleben und mit Künstleraugen betrachten, dann die Eigenerfahrung mit zurückbringen und fürs Theater bearbeiten: Nach dieser Arbeitsmethode ist aus einer Hawaii-Reise des Ensembles eine kluge und eindringliche Mischung aus filmischer Dokumentation und intensivem Bühnenspiel entstanden - über und wider die folgenschwere Herrschaft der Plastiks.

Premierenbesprechung (hier)
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


24.08.2017

„Nehmen sie das einfachere der beiden Produkte, das reicht für ihre Zwecke vollauf und ist wesentlich preiswerter.“ Wann habt Ihr zuletzt einen Verkäufer so etwas sagen hören? Solche Fälle kommen vor, aber sie sind selten. Es mag ja sein, dass ich an Paranoia leide. Aber immer wenn ich einen Markt der großen Handeslketten, mit Banken/Versicherungen, Internet-/Telefonanbietern etc. zu tun habe, werde ich das Gefühl nicht los, die wollen einen hinters Licht führen. Davon handelt die aktuelle Folge 151 meiner glossierenden Monatkolumne

"Quergedanken" unter der Überschrift "Du sollst X für ein U halten"


16.08.2017

Die Bundestagswahl rückt näher. Da mir Zeit meines Erwachsenenlebens keine Bindung an irgendeine Partei vergönnt ist, werde ich wohl - wieder - bis zum letzten Tag unentschlossen sein. Den Wahlkampf verfolge ich interessiert, aber mit Gleichmut, empfinde ihn als eher mäßiges Theater, bei dem Unterschiedsnuancen zur großen Szene aufgeblasen werden. So viele Regierungen habe ich kommen und gehen sehen, keine hat je in eine Richtung gearbeitet, die meine ungeteilte Zustimmung hätte finden können. Dennoch gehe ich jedesmal wieder zur Wahl, um mein Kreuzchen beim vermeintlich kleineren Übel zu machen. Wahlziel diesmal: Die Rechtsradikalen so unbedeutend wie möglich abschneiden lassen.


15.08.2017

LESEEMPFEHLUNG: Interessanter Fakten-Beitrag der "Wirtschaftswoche" zur Frage, ob E-Autos bei einer ökologischen Gesamtbilanzierung letztlich nicht genauso dreckig sind wie Benziner und Diesel. (Benötigte Lesezeit ca 10 Minuten) hier .

Ich selbst bin durchaus kein begeisterter E-Auto-Freund. Ich halte das Ding ökologisch nur für das kleinere Übel gegenüber der Verbrennungstechnik und keineswegs für die finale Lösung des Autoproblems. Die wird letztlich nur zu finden sein in fortschreitender Abwendung vom Individualauto als primäres Massentransportmittel.


14.08.2017

Gestern zur Dämmerstunde ein Festmahl: Auf dem Teller Tomatenschnitze, etwas gesalzen und gepfeffert; daneben Gurkenscheiben, nur mit Olivenöl beträufelt und gehacktem frischem Schnittlauch bestreut. Auf dem Brettchen zwei Scheiben Butterbrot, darauf etwas eben geernteten Knoblauch gequetscht. Dazu Brocken vom alten Emmentaler und Stückchen von der knüppelharten Wildschweinsalami gesäbelt. Im Wasserglas ein knappes Viertel eines schlichten roten Hausweins aus der Pfalz. Gemächlich wandert alles nacheinander und durcheinander ins Maul. Ruhe ist, selbst das Hirn denkt nur noch in Geschmack. Schön. Zauber der Einfachheit.


11.08.2017

Manchmal überlege ich und versuche mir vorzustellen, wie unsere Lebenswelt hier und heute auf Leute von anderwärts wirken könnte oder auf Menschen früherer Generationen wirken würde. Vorhin schoss mir beim Gang durch Koblenz dieser Gedanke durch den Kopf: Wäre meine Großmutter selig jetzt dabei, sie würde bald entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und ausrufen: "Herr im Himmel, was ist das für eine schlimme Zeit! So vielen jungen Leuten geht es so schlecht, dass sie mit völlig abgetragenen und zerrissenen Hosen herumlaufen müssen."


09.08.2017

Die große Sorge jetzt gilt der Frage: Könnte es einen neuen und obendrein atomaren Korea-Krieg geben? Überwiegend gingen wir bisher, wohl zurecht, davon aus, dass das Aufrüsten, Drohen, Provozieren des durchgeknallten Diktators von Nordkorea vor allem ein perfide Methode ist, materielle Vorteile und politische Anerkennung für sich und sein System zu erpressen. Wir gingen auch davon aus, dass Kim Jong Un immerhin noch weiß, dass sein Kalkül völlig zusammenbrechen würde, wenn er auch nur eine seiner militärischen Drohungen gegen Südkorea, die USA oder sonstwen wahrmacht.

Nun aber reagiert Trump in nicht minder durchgeknallter Manier auf dieses Kalkül - und beschwört damit die tatsächliche Gefahr eines atomaren Korea-Krieges mit unabsehbaren Folgen herauf. Es wäre nun die Stunde der ganz hohen staatsmännischen und diplomatischen Kunst vernünftiger Kreise der internationalen Gemeinschaft, mäßigend und vermittelnd auf die beiden so schwierigen Kontrahenten einzuwirken. Ja, es sind zwei Irre. Doch darüber zu lamentieren hilft nichts, denn sie sind nun mal an der Macht und können die Knöpfe drücken. Kriegsverhinderung muss jetzt das Primärziel aller internationalen Bemühungen sein. Denn ein neuer Korea-Krieg, zumal ein atomarer, würde nur Verlierer kennen.


08.08.2017

Werte Wahlkämpfer aller Parteien; werte Handelsvertreter für Haushaltsgeräte, Gefriergut, Zeitschriftenabos oder sonstwas; werte Missionare im Dienste diverser Götter oder irdischer Wohlfahrtsvereine: Ich muss um Verständnis bitten, dass ich Sie an meiner Haustüre doch recht kurz angebunden abweise. Nach unschönen Erfahrungen in früheren Jahren mit einigen unehrlichen/unangenehmen Zeitgenossen unter den Gutmeinenden habe ich mir das Prinzip zu eigen gemacht: Ich diskutiere nicht mit ungebetenem Besuch, wickle an der Haustüre mit mir unbekannten Personen kein Geschäft ab, nehme von solchen und gebe solchen auch nichts. Mein Bedarf an Infos und Waren sowie meine durchaus ausgeprägte soziale Solidarität bedienen sich anderer Wege. Pardon.


05.08.2017

Die Diesel-Debatte in Deutschland hat skurrile Züge angenommen. Teils wirkt sie wie eine Entlastungskampagne für diejenigen, von denen die Sache ursächlich verbockt wurde und die das hernach vertuschen wollten. Vielleicht muss man gelegentlich daran erinnern, das etwa die US-Justiz das Verhalten der dt. Autokonzerne als schwerwiegendes Kriminaldelikt verfolgt, auch mit Zielrichtung einer Entschädigung der getäuschten Kunden durch die täuschenden Hersteller.


02.08.2017

Vielleicht eine hübsche und teils auch interessante Lektüre für Freunde des Pilzesammelns, vor allem aber Zeitgenossen, die es eventuell mal werden wollen. Bei der Überprüfung der Datenbestände meines Computers stieß ich auf einen lange vergessenen Ordner mit nie endbearbeiteten Artikelentwürfen. Darunter der unten verlinkte, etwa zehn Jahre alte Textrohling, der prima zur jetzigen Jahreszeit der beginnenden Pilzsaison und den diesjährigen Witterungsbedingungen passt.

Vermischtes: Von Freud und Leid des Pilzesuchens


01.08.2017

Wenn ich etwas hasse, dann Ausfälle meiner Bürotechnik. Heute am frühen Morgen waren tot, dass es töter nicht geht: Fritzbox und sämtliche daran hängenden Geräte = PC, Drucker, Festnetztelefon. Die Gewitter der Nacht von Montag auf Dienstag haben sie gekillt durch einem Blitzeinschlag zwei Häuser weiter. Mit reichlich Geldeinsatz, Zupacken meines treuen Technikus und maßloser Nervenverausgabung meinerseits konnten wir, beginnend um 8 Uhr früh, soeben (20.30 Uhr) die teils erneuerte, teils reparierte Technik wieder in Gang setzen.


30.07.2017

Auf die Schnauze gefallen, buchstäblich. Gestern beim Waldgang hat sich ein Ästlein zwischen meinen Füßen verfangen und mich hingehauen - bäuchlings niedergeworfen in eine schlammige Suhle, die der jüngste Regen in alten Stammschleppspuren hat entstehen lassen. Der Kerl ist heil geblieben, sein Äußeres ward freilich arg derangiert. Ursache des Missgeschicks war, dass ich zwei Dinge miteinander verbinden wollte, die per se nicht zueinander passen: den geschwinden sportiven Marsch und über die Wegränder hinaus nach Pilzen ausschauende Augen. Ich hätte es besser wissen müssen. Denn wie hatten die Altvorderen schon den Buben gelehrt: "Guck, wo du hintrittst!" Blödes Multitasking.


27.07.2017

Die Folge 150 meiner glossierenden Monatskolumne "Quergedanken" ist fällig. 150: Das ist schon ein ganz schöner Packen und die bald 13-jährige Kontinuität dieses nie veränderten etwas sonderbaren Formats ist ein heutzutage  durchaus bemerkenswertes Phänomen. Dass ein Verleger so lange einen bisweilen recht skurril denkenden Autor schreiben lässt, was und wie er will, gehört im Mediengeschäft auch nicht zu eden Alltäglichkeiten. Dafür sei Günther Schmitz mit seinem mittelrheinischen Magazin "Kulturinfo" herzlich gedankt. Die aktuelle Folge handelt von mitgebrachten Urlaubseindrücken, von ein paar Tagen, die ich jüngst ganz privat in der deutschen Hauptstadt verbracht habe.

Quergedanken 150: Ein Mittelrheiner in Berlin


26.07.2107

Beim Waldgang heut in der Früh stehen mir urplötzlich zwei große Hunde gegenüber. Beider Haltung ist, als überlegten sie: Können, sollen wir dieses Wild jagen, beißen, fressen? Vom Besitzer erst keine Spur. Dann schlurft er 100 Meter entfernt um eine Wegbiegung und beginnt, meiner ansichtig, zu brüllen: "Hierher, bei Fuß, hierher, bei Fuß ....". Weil das die Vierbeiner einen Scheißdreck interessiert, schreit er nun mir zu: "Die machen normalerweise nix!" Ich warte, bis der Mann heran ist und seine mich anknurrenden und -bellenden Tiere an den Halsbändern mühsam fortzerrt.

Werter Hundehalter: Wenn dein Liebling für jedermann ersichtlich nicht die Bohne hört, ist für jeden anderen der Zuruf "der macht nix" keine Beruhigung, sondern Alarmsignal. Doch, ja, ich mag Hunde - obwohl ich über die Jahrzehnte in ähnlichen Situationen schon drei mal von welchen gebissen wurde, die "normalerweise nichts machen". Ich habe aber Probleme mit Hundebsitzern, die von Hundehaltung gar nichts verstehen und zu blöd sind, mit den Ihren ordentlich umzugehen.

Denn es geht auch anders: Im Nachbarort gibt es eine kleine zierliche Frau, die hält zwei gewaltige Doggen, u.a. um nachts ungebetenen Besuch von ihrem weitläufigen und abgeschieden liegenden Anwesen fernzuhalten. Wenn dies ungleiche Trio spazierengeht, entfernen sich die beiden Riesen nie und unter keinen Umständen ohne ausdrückliche Erlaubnis weiter als zwei Meter von ihrer menschlichen Alpha. Wenn die drei mir begegnen, sorgt ein kurzer, leiser Zungenschnalzer der Besitzerin dafür, dass ihre Hunde auf engste Tuchfühlung bei Fuß gehen und ihre ganze Aufmerksamkeit auf sie richten.


26.07.2017

Es hat sich, an den Sperranlagen vorbei, eine Fliege ins Haus geschummelt. Deshalb genannt: "Stubenfliege". Was mir eine unzutreffende Bezeichnung zu sein scheint. "Nasenfliege" sollte das Viecherl heißen, in Anlehnung an seine fortwährenden Versuche, auf oder in meinem Riechkolben zu landen - und mich derart von der Schreibarbeit abzuhalten. Letzteres wirft nun allerdings die Frage auf: Soll ich mich den Attacken ergeben und den Rückzug von der Arbeit antreten? Oder soll ich meinerseits zur Attacke blasen und den Angreifer mittels Klatschengeschütz gewaltsam aus der Stube expedieren?


25.07.2017

Wäre ich Veganer, die Selbstversorgungsrate bei Nahrungsmitteln würde dieser Tage fast 100 % erreichen. Zwei Hochbeete, ein Flachbeet und 7 Tomatensträucher in Töpfen geben reife Öko-Früchte in solcher Menge und Geschwindigkeit her, dass wir rund um die Uhr Salatgurken, Tomaten, Bohnen, Zuckererbsen, Blumenkohl, Kohlrabi, Paprika, Kopfsalat, Möhren, Zwiebeln futtern könnten. Die Lagerkapazitäten sind bald erschöpft, obwohl schon die halbe Nachbarschaft mitversorgt wird. Zudem geht die Pilzsaison los: Konnte gestern die erste Pifferlings-Mahlzeit aus dem Wald mitbringen.


24.07.2017

Ich bin wieder hier in meinem Revier. Und von Mal zu Mal fällt die Rückkehr zu Zwängen und Pflichten des Broterwerbs, verbunden mit dem Wiedereintritt in die digitale Welt mitsamt den Niederungen des politischen und gesellschaftlichen Geschehens, schwerer. Ich war u.a. mal wieder ein paar Tage im 3,5-Millionen-Multikulturversum Berlin. Interessante Stadt, aber schön geht anders. Da ist mir dann doch zu viel Mensch und Getriebe, auch zu viel Pracht-/Protz-/Möchtegernarchitektur auf einem Haufen. Das öffentliche Nahverkehssystem allerdings ist ein Traum.

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In zeitlicher Nachbarschaft zur Ausstellung "vorZEITEN - Archäologische Schätze an Rhein und Mosel - 70 Jahre Landesarchäologie Rheinland-Pfalz" im Landesmuseum Mainz erscheint in der Rhein-Zeitung eine Artikelserie zu archäologischen Landesthemen. Dazu steuere auch ich einige Teile bei. Die Serie startete am vergangenen Freitag mit meinem Beitrag zu den späteiszeitlichen Venusfiguren von Gönnersdorf/Andernach bei Neuwied.

Archäologie:
Die Frauen von Gönnersdorf - L(i)eben in der Späteiszeit

5600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


11.07.2017

Noch bis 29. Oktober 2017 zeigt das Landesmuseum Mainz eine Sonderausstellung, die nicht nur für Rheinland-Pfälzer außerordentlich interessant ist, obwohl sie sich ausdrücklich auf das Gebiet dieses Bundeslandes konzentriert. Unter dem Titel „vorZEITEN – Archäologische Schätze an Rhein und Mosel” versammelt die opulente Schau herausragende Artefakte, die von Mitarbeitern der rheinland-pfälzischen Landesarchäologie in den vergangenen 70 Jahren zwischen Südpfalz und Oberwesterwald ergraben, entdeckt, gesichert, beforscht worden sind. Dazu hier ein ziemlich Artikel von mir (freier Lesetext, 13 500 Anschläge)

Archäologie:
400 Millionen Jahre Rheinland-Pfalz.


10.07.2017

Nachbemerkung zu Krawallen bei G20: Es gibt keinen objektiven Grund, die Schwarzhemden irgendwie POLITISCH zu kategorisieren. Denn sie sind nicht links, nichtmal linksradikal und schon gar nicht revolutionär. Das wird deutlich an blindwütigen Zerstörungs- und Plünderzügen gerade durch ein links-alternativ/multikulturell geprägtes Stadtviertel sowie die Schädigung der wenigen Besitztümer kleiner Leute. Es handelt sich bei dieser Bagage nur um einige hundert oder ein paar tausend kleinbürgerliche Abenteurer, die wie Fußballhooligans den "Kampf"-Kick suchen und ihr Mütchen kühlen wollen. Kurzum: Die Schwarzhemden sind keine politische Kraft, sondern bloß Marodeure.


07.07.2017

G20. Es ist fast wie die sprichwörtlich sich selbst erfüllende Prophezeiung. Es tritt ein, was zuvor von allen Seiten mit Tamtam beschworen wurde: Jetzt spielt ein kleiner Haufen Krawallniks in HH Stadtguerilla. Obwohl - um im Denkmuster des linken Radikalismus zu bleiben - auch diese Deppen spätesten seit Che Guevaras bolivianischem Tagebuch wissen sollten, dass man auf solch kleinbürgerlich-isolationistischem Weg keine Revolution anzetteln kann. Hinsichtlich der Taktik im Vorfeld auf Seiten der politischen und der polizeilichen Führung, gilt seit 50 Jahren fast unverändert:

Was, um Himmels Willen, sollte die kleinliche Schikanierung zahlloser friedlicher Prostestler (etwa via Zeltverbot)? Entweder war das naiver Dilettantismus: Denn dass diese Methode gegen organisierte Krawallniks gar nichts hilft, kann man seit Jahrzehnten wissen und bestätig sich eben aufs Neue. Oder war man darauf aus - wie ebenfalls seit Jahrzehnten leider immer wieder mal exerziert - allen Protestlern unterschiedslos einzubläuen, dass sie hier unerwünschte Underdogs sind? Es gibt da eine Sache, die Politiker und Polizeistrategen offenbar niemals begreifen werden: Je größer die Zahl der friedlichen Demonstranten, je selbstwusster und freier sie ihre Protestkultur entfalten können, umso geringer werden die Spielräume für gewaltsame Exzesse.


06.07.2017

Natürlich ist miteinander reden besser als aufeinander schießen. Geschossen wird freilich trotzdem - und es kommt auch darauf an, worüber man mit welchem Ziel redet. Deshalb hält sich meine Sympathie für das Treffen der großen 20 in HH doch sehr in Grenzen. Da kommen die Machthaber aus mindestens drei verschiedenen politischen Systemen zusammen: traditionelle Demokratie, autokratische Scheindemokratie, Diktatur. Diese haben eine unangenehme Gemeinsamkeit: Ökonomisch hängen sie allesamt an einem expansiven Konzern- und Finanzkapitalismus.

Weshalb bei G-20 im "günstigsten" Fall wieder einmal nur über Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Umsetzung des ultimativen Zwecks dieser Ökonomie ernsthaft geredet werden dürfte: Wachstum um jeden Preis. Das aber hieße einmal mehr "Thema verfehlt". Denn die eigentliche Herausforderung ist das schiere Gegenteil: Schutz und Erhalt der globalen Ökosphäre für unsere Nachkommen. Sowie Umverteilung nach der Devise: Die Reichen müssen nicht noch reicher werden, sondern den Armen soll es besser gehen.


05.07.2017

Aus Gründen: "Zu viel oder zu wenig Kultur oder Politik/Zeitkritik oder Jux, Lebenslustiges, Profanes, Privates." Das sind Anmerkungen aus dem Umfeld, seit ich 2005 meine website einrichtete, erst recht seit ich bei Facebook  mitmache. Es sei deshalb daran erinnert, dass selbst bei Heinrich Heine, dem Gottvater der Renitenzdichtung, ein Fünftel der Verse von Essen und Trinken handelt, ein weiteres Fünftel von Liebe, noch eines von Naturempfinden und das vorletzte von Freude in der Ferne vs. Heimweh. Will sagen: Wachheit, Empfindsamkeit, Lebensfreude auch im schlichten Kleinen sind unverzichtbarer Teil des großen Gesellschaftsdiskurses. In diesem Sinne "anstößig" und anregend zu sein, ist mein Plaisir und Bestreben - mal mehr, mal weniger gelungen.


03.07.2017

Das Programm war altbekannt, die Besetzung hochkarätig, doch die Zusammenstellung eine wunderliche: Der Auftakt zum 17 Konzerte an 12 mittelrheinischen Spielorten umfassenden Sommerfestival "RheinVokal" bot jetzt in der Abteikirche Rommersdorf/Neuwied Franz Schuberts „Winterreise”. Tenor Christoph Prégardien sang wunderbar unprätentiös, klar, warm. Ihm zur Seite stand allerdings nicht das obligate Klavier, sondern ein Bläserensemble nebst Akkordeonistin. Da gab es manch schönen, interessanten, neuen Eindruck von diesem Werk zu gewinnen und zu genießen. Bei den ersten Liedern musizierten auch einige im Dachgebälk ansässige Vöglein munter mit.

Meine Konzertbesprechung
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


30.06.2017
Weil jüngst nach langer Zeit mal wieder ein paar Leute versucht haben, mich per Handy zu erreichen: Kinners, das ist zwecklos! Denn ich habe mich schon vor zwei Jahren für eine mobilfunkfreie Lebens- und Arbeitsweise entschieden und mein Handy damals nach mehrfacher Ankündigung aus dem aktiven Dienst genommen. Nummer und Gerät existieren zwar noch, werden aber nur zwei- oder dreimal im Jahr reaktiviert, um mich als quasi Notrufsäule vorschriftsmäßig zum Holzmachen in den Wald zu begleiten.


29.06.2017
Wunderliche Naturphänomene: Von der benachbarten Weide tönen seltsame Geräusche. So eine Art regelmäßig sich wiederholendes Schnottergrunzen. Nachdem die letzten Langhaarrinder unlängst abgegangen, sind dort zwei prächtige Rösser eingezogen. An deren ganz andere Klangwelt muss man sich erst gewöhnen. Also, was ist jetzt das wieder? Da steht ein Gaul ganz entspannt pennend am Gartenzaun und - SCHNARCHT. 61 Jahre musste ich alt werden, um erstmals zu erleben: Nicht nur den zartesten Bettgenossinnen entfleuchen nach munterem Becherleeren und lieblichem Getriebe bisweilen lautstark-rauhe Flattergaumenkehllaute; die Pferde tun's ihnen schon beim Mittagsschlafe gleich.


28.06.2017
"Ehe für alle": Das ist mal wieder so ein Thema, bei dem ich partout nicht begreife, was es denn da in unserer Gesellschaft der Sache nach heutzutage überhaupt noch zu streiten gibt. Wie mein Hirn und Herz die Legitimität homosexueller Orientierung und Beziehungen seit eh und je für völlig selbstverständlich halten, so auch das gleiche Recht auf eheliche Verbindung. Zumal die monogame heterosexuelle Ehe ja so wenig ein Naturgesetz ist wie die Kleinfamilie aus Vater-Mutter-Kindern.

Es handelt sich dabei vielmehr nur um eine von etlichen kulturhistorischen Entwicklungsformen - auch wenn diese heute weltweit dominant geworden ist. Über Jahrzehntausende waren zahllose menschliche Gemeinschaften (einige sind es noch) völlig anders strukturiert: polygam, matriarchalisch, kollektiv... Ob die monogame lebenslange Ehe die beste Beziehungsform ist, sei dahingestellt. Es gilt aber: Jeder möge nach eigener Fasson glücklich werden - und muss das Recht dazu haben.


26.06.2017
„Nun komm schon! Den Rest schaffst du auch noch!” Auf dem obersten Absatz im Treppenhaus der Stadthalle Boppard  teht der „Manager” dieser Veranstaltungslocation. Mit verschmitztem Grinsen im gutmütig-rundlichen Gesicht schaut er dem heranschnaufenden Besucher entgegen. Ich bin verabredet mit Rolf Mayer. In dessen Händen liegen seit 2016 die Geschicke dieser Stadthalle und damit eines nicht unwesentlichen Teils des Bopparder Kulturlebens. Der 52-Jährige ist kein Unbekannter in der Region: Mayer war gut zwei Jahrzehnte lang ein tragende Säule im Getriebe des Koblenzer Café Hahn. Jeder treuliche Hahn-Besucher kannte/kennt „den Rolf” - der jetzt in der Rhein- und Weinstadt Boppard Kulturprogramm macht.

Stadthalle Boppard nimmt wieder Fahrt auf
(freier Lesetext, 6000 Anschläge)


23.06.2017
„Bescheidenheit ist eine Zier”, sagt weiser Volksmund. „Doch besser geht es ohne ihr”, schiebt bauernschlaues Volksmaul seit jeher nach. Koblenz hatte sich seit der Bundesgartenschau (BUGA) 2011 in tugendsamer Zierde geübt. Nun aber währt, so scheint es, manchem Einheimischen die Bescheidenheit lange genug. Gleich zwei erstaunliche Ideen machen hierorts neuerdings die Runde. Beide zielen darauf ab, der kleinen Großstadt am Rhein-Mosel-Eck mal wieder internationale Schlagzeilen zu verschaffen. Na dann: Schaun mer mal. Die Monatskolumne "Quergedanken" wägt die Chancen.

Quergedanken Nr. 149:
Koblenz denkt wieder ganz groß
(freier Lesetext)


22.06.2017
Schwimmen-können gehört in unseren an Flüssen, Seen oder Meeresküsten reichen Landen zu den grundständigen Kulturtechniken. Sollte gehören, muss man wohl sagen - nachdem in den vergangenen Jahren in Deutschland 1200 Schwimmbäder geschlossen wurden und viele, überwiegend nach Privatisierung, in schwimmuntaugliche Spaßbäder verwandelt. Ja, Schwimmbäder sind teuer. Aber das sind Schulen, Straßen, Polizei und Feuerwehr auch. Staatliche Daseinsvorsorge eben.


21.06.2017
Weil's gerade passt, nur mal so zur Erinnerung:
Am 23. Februar 1987 stand im "Spiegel" über einen Streit zum Spitzensteuersatz zwischen den Regierungskaolitionären CDU, CSU unde FDP dies: "Stur beharrte CDU Generalsekretär Heiner Geißler darauf, den geltenden Spitzensteuersatz von 56 Prozent beizubehalten. Als über einen Kompromiß von 53 Prozent geredet wurde, blockte Otto Graf Lambsdorff ab. Der FDP-Graf hart: 'Unsere Zahl heißt 48.' "


20.06.2017
Laut Wetterfröschen steckt der Südwesten Deutschlands jetzt 2 bis 3 Tage in einem Hitzekern, der von Karlsruhe bis Köln bis zu 40° bringen soll. Manche Zeitgenossen tauen da erst richtig auf. Für andere ist solche Witterung eine Qual, weil sie Hitze nicht gut vertragen. Für viele sind Klimaanalagen - als Verursacher von Augenentzündungen, Blubbernase, Dauerhusten - kein Ausweg. Da gibt's nix zu spötteln: Die menschlichen Naturelle sind halt unterschiedlich. Wenn die Natur mit Extremwetter das Regiment übernimmt, ist "Anpassung" das Gebot der Stunde. Im Hitze-Fall heißt die oberste von vielen Verhaltensregeln: Macht langsam! Jetzt maximale Arbeitsleistung zu fordern oder erbringen zu wollen, hat mit Fleiß und Strebsamkeit wenig zu tun, mehr mit Unvernunft oder Dummheit.


19.06.2017
"Das Grundgesetz" heißt ein hochinteressantes Bühnenprojekt, das jetzt am Theater Koblenz Uraufführung hatte. Das sind acht Szenen von acht Jungautoren, verknüpft zu einer vagen Handlung über: die praktischen Schwierigkeiten mit Geist und Buchstaben der "vorläufigen Verfassung", sobald neue Herausforderungen auf langjährige Gepflogenheiten treffen.

Meine Premierenbesprechung
(3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)

 

 


18.06.2017
Nachgedacht:
Die Kunst ist nicht dazu da, fertige Antworten, absolute Gewissheiten, Sicherheit für Geist, Seele und Weltwahrnehmung zu liefern. Es gilt eher das Gegenteil: Die Kunst wirft vor allem Fragen auf, stellt altgewohnte Selbstverständlichkeiten unter Vorbehalt, irritiert mit ungewöhnlichen bis fremdartigen Blickwinkeln und Darstellungsweisen. Kurzum: Die Kunst sucht immerfort nach Alternativen zur scheinbaren Alternativlosigkeit. Und sie wird damit niemals zuende kommen.


15.06.2017
Nachgedacht:
Erstmals seit gut drei Jahrzehnten habe ich heute wieder mal einen Fotoapparat zum Ausflug mitgenommen. Wollte in meinem Wald-Refugium ein paar Impressionen "schießen". Ergebnis waren hübsche, nette, sogar zwei/drei recht raffinierte Bilder - die ich sämtliche wieder löschte. Denn was sie vermittelten, war alles nur Oberfläche, hatte so gar nichts zu tun mit meiner Art des Walderlebens. Es ist schwer zu beschreiben. Könnte es sein, dass passionierte Fotografierer gewisse Umgebungen ziemlich oder ganz anders wahrnehmen als (aufmerksame) Leute, die nie an Fotomotive denken? Nicht besser oder schlechter, nur anders eben.


14.06.2017
"Schlabbertag" nennen Tageszeitungsredakteure so einen Werktag vor einem Feiertag mitten in der Woche. Es ginge auch "schlapper Tag". Weil: Im traditionellen Regelfall gibt's am Feiertag keine Tageszeitung. Also macht man frei oder erledigt ganz ohne Produktionsdruck, was zur Erledigung ansteht. Nun bin ich zwar seit 12 Jahren kein angestellter Zeitungsredakteur mehr und hätte heute für ein Monatsmagazin auch dringend zu schreiben. Aber die alten Gewohnheiten sitzen halt tief und sowieso sind mir Traditionen heilig. Ergo: Ich mache Schlabbertag.


13.06.2017
Säle für 300 bis 500 Konzertbesucher mit guten bis sehr guten Klangbedingungen sind in der Mittelrheinregion rar. Seit Kurzem lässt eine bald 200 Jahre alte Industriehalle den Musikfreund aufhorchen: die historische Gießhalle auf dem Denkmalareal Sayner Hütte in Bendorf. Dort startete jetzt das Mittelrhein Musik Festival seine diesjährige Reihe eigener Veranstaltungen. Das Doppelkonzert mit dem akustischen Wave Marimba Quartet und dem Elektronik-Trio von Johannes Motschmann wurde auch zum Test der raumklanglichen Möglichkeiten wie Grenzen im aufwendig restaurierten Industriedenkmal.

Meine Konzertbesprechung
(3300 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)

Kleine Videosequenz vom Konzert hier
(kostenfrei)


12.06.2017
Mit Jochen Heyses Inszenierung von „Kabale und Liebe” begannen 1988 die Burgfestspiele Mayen und dessen langjährige Intendanz. 30 Jahre später markiert Friedrich Schillers „bürgerliches Trauerspiel” nicht nur das Jubiläum des Theaterfestivals. Zugleich kam es am Wochenende als erste abendliche Hauptpremiere der neuen Intendanz unter Daniel Ris im Hof der Genovevaburg zur Aufführung. Rüdiger Pape hat den Klassiker von 1784 inszeniert – als ernsthafte Bearbeitung ernsten Theaters, mit dem sich auch eine ernsthaft kritische Auseinandersetzung lohnt.

Meine Premierenkritik
(4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


09.06.2017
Als ans Verhältniswahlrecht gewöhnter Zeitgenosse muss ich bei Wahlergebnissen in Ländern mit Mehrheitswahlrecht immer mehrmals hinschauen. Andernfalls übersehe ich, was mich fast noch mehr interessiert als die Optionen der Regierungsbildung: Was könnte das Ergebnis über die Stimmung im betreffenden Land verraten? ZB liegen bei den britischen Wahlen jetzt Konservative und Labour nach Wählerstimmen viel, viel näher beisammen als das Verhältnis nach gewonnenen Wahlkreisen (318 : 261) vermuten lässt: Konservative 42,4 % : Labour 40,0 %.


08.06.2017
Zwei aktuelle Beispiele für das eigentümliche Verfahren in der Politik, das mich manchmal schier fassungslos macht: a) Theresa May hat als Innenministerin in GB fast 20 000 Polizeistellen abgebaut, erklärt aber jetzt, zwecks entschlossener Terrorbekämpfung die Menschenrechte einschränken zu wollen. b) In D hatte die Schröder/Fischer-Regierung wesentliche Weichenstellungen zur Aufweichung unseres Rentensystem vorgenommen. Jetzt aber geriert sich die SPD-Führung als Retterin der Rente - indem sie deren Absinken auf unter 48 % bis 2030 auszuschließen verspricht.
Ich bin sehr gespannt wie die GB-Wahlen heute ausgehen.


06.06.2017
Hofesh Shechter lebt heute in London, Itamar Serussi in Amsterdam. Beide stammen aus Israel, sind in der dortigen Tanzkunstszene groß und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts als Choreografen auf dem internationalen Parkett bekannt geworden. Das Hessische Staatsballett hat nun zwei ihrer Arbeiten zu einem bemerkenswerten Abend unter dem Titel „Rough Lines” (Grobe Linien) vereint. Die Premiere im Kleinen Haus des Staatstheaters Wiesbaden beginnt mit Shechters „In your rooms” aus dem Jahr 2007; es folgt als Uraufführung „Fall”, von Serussi für die hessische Compagnie choreografiert.

Meine Premierenbesprechung hier
(3700 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


05.06.2017
Ein ganz einfacher, aber zentraler sicherheitsstrategischer Satz in dieser Zeit des wachsenden barbarischen Terrors: Solange nicht begriffen wird, dass unser wichtigster Verbündeter im Kampf gegen IS, Al Kaida und Co. hunderte Millionen Muslime sind, die auch nur ihr Leben in Frieden leben wollen, werden wir beim Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei in der Defensive bleiben.

Manch einer versteht die Dimension des Problems und den Ernst der Lage nicht. Es ist sicherheitstrategisch völlig belanglos, ob einem die Religion Islam gefällt oder nicht. Wer es wirklich ernst meint mit dem Kampf gegen die terroristischen Barbaren MUSS den Schulterschluss mit der übergroßen und von den Barbaren am meisten bedrohten friedliebenden oder vernünftigen oder gemäßigten Mehrheit der Muslime suchen. Anderfalls bleibt alles übrige Bemühen defensiv und das Heft des Handelns für lange Zeit in den Händen der Terroristen.

Dieses fast globale Problem ist zu gewichtig, als dass man damit nach den eingeübten Reflexen weltanschaulicher Ressentiments umgehen könnte. Es geht nicht um irgendwelche Weltanschauungen/Religionen, sondern um ein STRATEGISCHES BÜNDNIS der zivilisierten Menschen gegen die Barbaren. Dazu müssen die Bündnispartner sich weder lieben noch bei allem und jedem einer Meinung sein. Amerikaner und Russen sind im 2. Weltkrieg ein Bündnis gegen Hitler-Deutschland eingegangen, obwohl sie sich schon damals im Grunde spinnefeind waren. Zum Zwecke der gemeinsamen Bekämpfung des alle bedrohenden gemeinsamen Hauptfeindes sprangen beide, Amerikaner und Russen, über eigene Schatten.


03.06.2017
Rock am Ring hier im Westerwälder Wohnzimmer. Die Bude wackelt und ich schwofe mit diesen wunderbaren jungen Menschen im TV um die Wette. Verrückt? Klar, aber so soll es sein.

***

Sehe eben, Rock am Ring läuft wieder. Sicherheit ist laut Polizei festgestellt. Man wird nachher auseinanderklabüstern können, ob das Procedere optimal war oder nicht. Jetzt sei erstmal allen, die oben auf dem Ring sind, doppelte Freude gewünscht.

***

Nur ein bisschen Zeitung gelesen beim Samstagsfrühstück. Gleich summt das Hirn wieder wie ein Bienenschwarm und will sich (vor-)schnelle Meinungen bilden. ZU: Unterbrechung von Rock am Ring wg. Terrorgefahr. Ergo: Alles schwer zu beurteilen im Moment, weshalb erstmal als oberste Regel richtig ist, Gefahr für Leib und Leben abzuwenden. ZU: Trumps Ausstieg aus dem Klimaabkommen. Ergo: Dann muss die übrige Welt halt die USA vorerst - bis die Americaner selbst die Trumpfarce beenden - links liegen lassen und tun, was nötig ist. ZU ...

ZU: Suchtgefahr durch übermäßige Facebook-Nutzung. Ergo: Ich weiß nur, dass FB für mich ein heftiges Hirnjogging ist, sobald ich bemüht bin, den Themensprüngen in der Timeline und vor allem den Gedankensprüngen in den Diskussionen zu folgen. ZU der Lachnummer bei diesem Frühstück, meinem Horoskop, das da sagt: "Mit Ihrer berauschenden Freundlichkeit bereiten Sie vielen Menschen Freude. Wie schön, dass Sie davon auch etwas zurückbekommen."


01.06.2017

Wenn ich es richtig überblicke, gehen an diesem Pfingstwochenende die drei ältesten musikalisch orientierten Open-air-Festivals Deutschlands, womöglich Europas, vielleicht der Welt über die Bühnen. Und alle drei in Rheinland-Pfalz. Das jüngste Glied im Trio ist mit 32 Jahren ROCK AM RING, gefolgt vom 42-jährigen Mainzer OPENOHR. Senior im Bunde, freilich mit mehrfach gebrochener Geschichte, ist das WALDECK LIEDERFESTIVAL, erstmals veranstaltet 1964. Den Künstlern und Veranstaltern sei gutes Gelingen gewünscht, dem Publikum viel Freude - und allen zusammen, dass Blitz, Donner, Regenflut und Hagelschlag möglichst ferne bleiben.


30.05.2017

Fragt mich jetzt ein langjährig treuer Leser meines Geschreibes: "Haben Sie den Spaß an der politischen Publizistik verloren? Schließlich waren Sie in den 1990ern und im ersten 2000er-Jahrzehnt, neben Ihrem Kulturengagement, einer der meistgedruckten Politkommentatoren/-analysten in der rheinland-pfälzischen Zeitungslandschaft. Und jetzt fast nichts mehr." Antwort meinerseits: Ach, Spaß. Wirklich Spaß hat mir das Politgeschäft nie gemacht. Seit jeher hätte ich mich viel lieber nur mit den Künsten befasst. Aber...

Aber die Kunst selbst wirft einen immer wieder in die Politik, schürt das Interesse vor allem an den Haltungen, Triebfedern, Absichten, die gesellschaftspolitische Prozesse befeuern. Daher der Drang des klassischen Feuilletonisten, sich in den Politdiskurs mit Blickwinkeln einzumischen, die im tagesaktuell gehetzten Mainstream zu Unrecht keine oder kaum eine Rolle spielen.

Dass der Schwerpunkt meiner Arbeit sich seit meinem Ausscheiden aus der Redaktion 2005 dennoch so gravierend in Richtung Kultur verlagert hat, ist einem ganz simplen Umstand geschuldet: dem Broterwerb als freischaffender Autor. Die Arbeitsweise eines tagesaktuellen Politkommentators unterscheidet sich völlig von derjenigen eines Kulturjournalisten, der einen nicht unerheblichen Teil seiner Einkünfte aus dem Schreiben für Monats- und Quartalsmagazine sowie für Sonderpublikationen und durch Vorträge erzielen muss.


29.05.2017

„Je älter umso laxer. Du bist weich geworden in der Birne!”, schimpft Walter. Obwohl seit Ewigkeit beste Freunde, geraten wir uns jüngst immer wieder heftig in die Haare. Worüber? Ach, es geht jedesmal nur um die leidige Politik. Der Streit von dem in der aktuellen Folge meiner Monatskolumne "Quergedanken" die Rede ist, liegt rund eineinhalb Wochen zurück - also in jener schon fast wieder vergessenen Vergangenheit, da alle Welt sich ereiferte über Wahlen in Frankreich und NRW. Das Thema kommt wieder, so sicher wie das Amen in der Kirche - spätestens im Herbst.

Quergedanken Nr. 148 hier: Flasche halb voll oder halb leer?

(freier Lesetext, 3400 Anschläge)


25.05.2017

Das Arp Museum in Remagen-Rolandseck feiert 2017 sein 10-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum hat es sich und dem Publikum ein ”schwergewichtiges” Geschenk gemacht: die am Sonntag eröffnende Ausstellung "Henry Moore -- Vision. Creation. Obsession". Acht Monumentalwerke, dazu 38 kleinere Arbeiten, wurden vom britischen Perry-Green-Areal der Moore Foundation aufs Museumsgelände an der rheinland-pfälzischen Nordgrenze transferiert – und vereinen sich hier mit 80 Expontanen aus hauseigenen Sammlungen bis 8. Januar 2018 zu einer hinreißenden Präsentation.

Meine Ausstellungsbesprechung hier
(freier Lesetext, 6400 Anschläge, dazu etliche Fotos)

***

An diesem Sonntag (28.5.) startet mit der Premiere des Kinderstücks "Ronja Räubertochter" das Hauptprogramm der Burgfestspiele Mayen 2017. Es folgen auf der Hauptbühne im Burghof Schillers "Kabale und Liebe" sowie das Musiical "Der kleine Horrorladen". Mit nun 30 Jahren auf dem Buckel sind die mayener Festpiele eines der ältesten Theaterfestivals in Rheinland-Pfalz. Heuer hat mit Daniel Ris ein neuer und der jetzt fünfte Intendant seit Gründung 1987 die Leitung übernommen. Der 52-Jährige kann und will das Burgfestspiel-Rad nicht neu erfinden - macht aber doch allerhand anders als seine Vorgänger.

Mehr darüber und zur Geschichte des Festivals hier
(freier Lesetext, 6000 Anschläge)


24.05.2017

Zurück von der Presse-Vorbesichtigung der Ausstellung "Henry Moore - Vision. Creation. Obsession" im Arp Museum Remagen-Rolandseck. Diese Schwerpunktschau anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Museums wird an diesem Sonntag eröffnet,dauert bis 7. Januar 2018 - und ist ein Hammer. Im Zentrum stehen etliche der berühmten riesengroßen und tonnenschweren Skulpturen Moores. Dies Foto habe ich am heutigen Vormittag vom Haupteingang des Arp Museums geschossen. Es zeigt die neun Meter Breite Moore-Skulptur "Large Reclinig Figure", die neben der Bundesstraße 9 und vis-a-vis des Rheinfährenanlegers aufgestellt ist. (Meine ausführliche Ausstellungsbesprechung folgt am Donnerstag, 25.05., gegen Abend)


22.05.2017

Wie schon beim 20. Geburtstag der "Marienberger Seminare" 2007, so wurde mir auch beim jetzt 30. des Bildungsvereines im Westerwald die Ehre zuteil, eine Festrede zu halten. Gewünscht war ausdrücklich wieder eine launig-freche Ansprache, um den staatstragenden Ernst aufzubrechen, der solche Veranstaltungen gerne umwölkt. Hier nun für alle, die es interessiert, das Redemanuskript. Obacht! Das ist kein knappes Grußwörtchen, sondern eine ausgewachsene Ansprache, deren Vortrag 25 Minuten dauerte - und deren Lektüre also auch ein bisschen Zeit beansprucht. Den Zuhörern vorort wurde gleichwohl alles andere als langweilig dabei.

Mein Redemanuskript (freier Lesetext)


21.05.2017

SONNTAGSVERSLEIN
Jetzt eben sprach mich / am Bierstand in freier Natur / mit wedelnder Hand / eine Dame an: "Wie können Sie nur / so schaden mir mit Ihrem Qualmen." // Ich returierte in braver Manier: / Werte Keife, / acht Monat im Jahr / tanzen die Wirte nach Ihrer / trockenen Pfeife, / Doch während der übrigen vier / dienen sie (auch) meinem Plaisier. // Aber sei'n Sie versichert, / dies duftend Tabaksrollenglühn / gefährdet Sie weniger als mich / Ihr stinkisch Parfüm.


19.05.2017

Wer auch nur eine vage Vorstellung hat, was in rheinland-pfälzischen Museen und Depots an archäologischen Fundstücken gebunkert ist, der musste befürchten, dass eine Überblicksausstellung dazu in schierer Masse ertrinkt. Gute Nachricht deshalb von der Großausstellung „vorZeiten – Archäologische Schätz an Rhein und Mosel” im Landesmuseum Mainz (21. Mai bis 29. Oktober 2017): Mit 400 sorgsam ausgewählten Artefakten, alle gefunden während der letzten 70 Jahre, vermittelt diese Schau einen knappen, exzellenten Blick über 400 Millionen Jahre Erd- und etliche zehntausend Jahre Menschengeschichte auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz.

Mein erster Artikel dazu
(5200 Anschläge + Fotostrecke, kostenpfl. RZ-Text, 49 Cent)


18.05.2017

Landesarchäologie Rheinland-Pfalz feiert als Institution jetzt ihren 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass sind besondere und besonders aussagekräftige Fundstücke aus allen Landesteilen und Epochen zur sehenswerten Ausstellung "vorZeiten" im Landesmuseum Mainz zusammengeführt (21.5. bis 29.10.2017). Die Archäologen finden, sichern, bewahren, schützen, erforschen und vermitteln erhebliche Teile unseres kulturellen Erbes. Und das ist gut so. Im Bild: Teil einer aktuellen Großgrabung beim Eifelörtchen Polch.

Ja, ja, ich weiß, dass viele Zeitgenossen Archäologie für eine todlangweile Krümelzählerei halten. Ging mir bis vor einigen Jahren auch noch so. Doch je näher man diesem Fachgebiet tritt, umso deutlicher wird einem, welch spannende Geschichten und interessante Erkenntnisse über Menschen, ihr Werden und Sein, ihr Leben und Wesen in den Überbleibseln aus jüngerer Vergangheit bis grauer Vorzeit stecken. Viel dummes Gerede etwa über völkische Eigenarten oder über die Nachrangigkeit der Kunst gegenüber der Ökonomie oder die angeblich natürliche kriegerische Neigung des Menschenen könnte uns erspart bleiben - zöge man nur die objektive Beweiskraft archäologischer Funde ernsthaft zu Rate.

Dann fände man nämlich, dass Völker- und Kulturvermischung ein Grundprinzip der Geschichte seit jeher ist. Dass künstlerisches Tun seit Urzeiten ein der Nahrungssuche gleichgestelltes menschliches Grundbedürfnis ist. Dass kriegsähnliche Auseinandersetzungen höchstwahrscheimlich erst vor 7000 bis 8000 Jahren zusammen mit territorialen Machtansprüchen in die Zivilisationsentwicklung eingezogen sind - und also der Krieg dem Menschen nicht etwa im Blut liegt. Was nicht heißt, dass er je frei von Aggressionen gewesen wäre.  Aber der Krieg als kollektiver Waffengang zwischen verschiedenen menschlichen Großgruppen, das ist nach bisherigem Erkenntnisstand eine "Erfindung"  der neolithischen Revolution (= Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zur Sesshaftigkeit).


17.05.2017

Wieder zurück von der Reise in die thematischen Weiten und zeitlichen Tiefen der rheinland-pfälzischen Archäologie, grabe ich mich jetzt durch Berge von Infomaterial, Notizen, Eindrücken - um einen ersten schnellen Zeitungsartikel zur am 21.5. im Landesmuseum Mainz eröffenden Ausstellung "vorZeiten" zu schreiben. Darüber hatte ich völlig vergessen, hier meine Kritik der Koblenzer Inszenierung von Tschechows "Die Möwe" durch den früheren Mainzer Intendanten Matthias Fontheim anzuzeigen. Was hiermit nachgeholt sei.

Premierenkritik "Die Möwe" am Theater Koblenz
(4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


15.05.2017

Freude, Neugierde. Jetzt geht's auf Tour zu bedeutenden archäologischen Grabungsstätten in Rheinland-Pfalz. Das ist Vorrecherche zur gewichtigen Ausstellung "vorZeiten - Archäologische Schätze an Rhein und Mosel" im Landesmuseum Mainz. Die wird am kommenden Wochenende eröffnet, ich kriege sie schon morgen zu sehen.


14.05.2017

Mein Aufruf zur heutigen NRW-WAHL. Leute, die ihr an Rhein und Ruhr, in Eifel, Siebengebirge, Westfalen oder sonstwo lebt: Geht wählen! Primäres Ziel: Die rechtsradikale AfD klein halten. Sekundäres Ziel: Das mag jeder für sich selbst entscheiden.


11.05.2017

Die Mühen des Textlernens blieben den elf Schauspielern erspart bei dieser umwerfenden, wunderlichen, seit der Erstaufführung 2012 fast legendär gewordenen Theaterproduktion. Denn gesprochen wird während 80 Aufführungsminuten nur ein einziges Wort: „murmel”. Umso mehr hatten die Akteure zu ackern an dessen Aussprache in tausenderlei Wiederholungen, Betonungsvarianten, Sprechrhythmen. Die Wiesbadener Maifestspiele hatten jetzt die Berliner Volksbühne mit "Murmel Murmel" zu Gast - das Publikum und meine Wenigkeit grinsten, glucksten, prusteten, jauchzten ob des perfekt und kunstvoll schnurrenden Vergnüglichkeitsmaschinchens scheinbar bloß dadaistisch verspielter Leichtigkeit.

Meine Besprechung
(3100 Anschläge, RZ-Text, 49 Cent).


10.05.2017

Man wird halt doch älter. Als jüngerer Zeitungsredakteur schrieb ich häufig zwei ausgewachsene Kritiken am Tag oder eine Kritik und anschließend einen Politikkommentar. Am Abend ging's dann munter noch zu Veranstaltungen ein bis zwei Fahrstunden entfernt. Und nun: Nach dem Schreiben nur eines Artikels ist der Kerl am Ar.... und reif fürs Sofa. Folgt dann noch ein Abendtermin, wird spätestens die Rückfahrt zur Quälerei. "Nimm's an, isso", sagt die Fee - und gibt keine drei Wünsche frei.


10.05.2017

Heute als "Tages-Thema" in der Zeitung: Meine Analyse zur Frage warum die Bundeswehr seit ihrer Gründung immer wieder von Skandalen um Fälle von Rechtsradikalismus und Verhaltensextremismus heimgesucht wird. Eine der zentralen Feststellungen lautet:

"Es wird im nun 62. Jahr der Bundeswehr höchste Zeit, dass sich Politik und Offizierskorps dem – übrigens nicht nur in Deutschland – immerwährenden Problem stellen, dass die Streitkräfte auf Rechtsradikale oder auf junge Leute, die mit dem Zivilleben nicht klar kommen, eine besondere Anziehungskraft ausüben. Um nicht missverstanden zu werden: Diese Klientel stellt innerhalb der Bundeswehr gewiss eine kleine Minderheit dar. Gleichwohl öffnet laxer Umgang mit den Grundsätzen der Inneren Führung, falsch verstandener Korpsgeist oder ein altbackenes Verständnis von soldatischer Tradition ihr immer wieder allerhand Spielräume. Dann gibt es Platz für das Ausleben vermeintlicher Mannhaftigkeit oder des Rechts des Stärkeren, für die Pflege von Waffenfetischismus und krudem Kriegertum, für das Abstreifen zivilisatorischer Normen, für die Hingabe an Führerprinzip und radikalen Nationalismus, für Verehrung alter Wehrmachtsgröße und -helden .... "

Der ganze Artikel hier
(6300 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


09.05.2017

Es ist eine der angenehmsten Seiten überregionaler Theaterfestivals, dass man Arbeiten zu sehen bekommt, für die man sonst weit reisen müsste oder ihnen eben nie begegnet. Deshalb stehen auf meinem Kritiker-Dienstplan seit mehr als 25 Jahren auch jeweils mehrere Besuche bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden. Und stets gerne berichte ich der interessierten Leserschaft hernach, was andernorts und in der Ferne mehr oder minder Interessantes entstanden ist. Heute ist nochmal die Tanzsparte dran. Es sei vom Choreografen Marco Goecke die Rede, der als überragender wie eigentümlicher Erneuerer des Balletts im frühen 21. Jahrhundert gilt. Er stellte beim Wiesbadener Gastspiel sein 2016 in Stuttgart uraufgeführtes Stück "Nijinski" vor.

Meine Gastspielbesprechung hier
(3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


08.05.2017

Die beiden bedeutsamsten Ergebnisse des gestrigen Wahlsonntags sind für mich: 1. Es haben 2/3 bis 3/4 der französischen Wähler gegen die rechtsradikale Marine Le Pen gestimmt. 2. Es haben die Wähler in Schleswig-Holstein der rechtsradikalen AfD einen Platz als kleine Randfraktion zugewiesen. Ergo: Es tut erstmal gut, zu sehen, dass die Welt nicht völlig verrückt geworden ist. Ein Durchmarsch der nationalistisch-reaktionären Rechtsströmungen an die Hebel der Macht ist in Westeuropa bis auf Weiteres abgesagt. Darauf lässt sich aufbauen.

***

Bei der Ruhrtriennale 2016 haftete der Choreografie „nicht schlafen” von Alain Platel für seine Brüsseler Compagnie noch ein Hauch von Skandal an. Das Publikum beim Gastspiel jetzt in Wiesbaden nahm indes weder Anstoß an einer Bühnenskulptur aus präparierten Pferdekadavern noch am teils rüden Umgang der Tänzer miteinander. Wir sahen Tanzkunst bei der etwa das Nijinski-Stampfen von 1913 zusammenwächst mit Pina Bauschs Frühlingsopfer-Orgiastik von 1975, oder neoklassische Zierde zerbricht unter Forsythe' ruckenden Verkrümmungen - und vieles mehr, das sich in diesem Rausch aus Aspekten gefährdeter und sich doch wieder aufrichtender Menschlichkeit kaum zuordnen lässt oder das von Platel neu kreiert wurde.

Meine Besprechung des Gastspiels
(3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text)


03.05.2017

Habe mir den 10-Punkt-Leitkultur-Katalog des Innenministers nochmal genauer angesehen. Ergebnis: Das ist allenfalls der Wertekanon eines halbwegs aufgeklärten Konservatismus. Den darf sich die CDU gerne zwecks Eigendefinition in ihr Parteiprogramm schreiben. Hinsichtlich der Gesamtgesellschaft aber muss festgestellt werden: a) sind Teile des Katalogs völlig überflüssig, weil nur anders formulierte Grundgesetzartikel; b) enthalten Teile des Katalogs - etwa bei den Themen Religion, Patriotismus, Leistungsprinzip - Verkürzungen, Interpretationen, Implikationen, Maximen, die nicht einmal zwischen "biodeutschen" Gesellschaftsgruppen Konsens sind; c) zeugen Teile des Katalogs (zB Handschlagbegrüßung) von Weltfremdheit bzw. weitreichender Unkenntnis über die Vielfalt unterschiedlicher Gepflogenheiten und Lebensweisen (auch bei "biodeutschen" Milieus), die den realen Status quo im modernen Deutschland kennzeichnen.

Das Elend der Leitkultur-Diskussionen ist, dass ihre jeweiligen Initiatoren seit anno 2000 sie vordergründig an Migrationsproblemen aufhängen, während es im Kern jedoch um etwas ganz anderes geht: Diverse konservative Kreise, politische Strömungen und verängstigte Geister haben entweder nicht verstanden oder wollen partout nicht akzeptieren, dass eine offene, liberale, demokratische, moderne Gesellschaft in einem globalisierten Umfeld sich mit der normativen Dominanz der bürgerlich-konservativen Lebensart nicht verträgt. Es ist ihnen unbegreiflich oder ein Dorn im Auge, dass eine solche moderne Gesellschaft ihrem Wesen nach vom Nebeneinander unterschiedlicher Kulturen/Lebensarten unter dem Dach des Grundgesetzes lebt und seine eigentliche Kraft auch nur aus dem toleranten Nebeneinander beziehen kannt. Deshalb rufen sie immer wieder nach einer Leitkultur, die letztlich in der Substanz das Primat der bürgerlich-konservativen Lebensart erhalten bzw. wieder durchsetzen soll. Migrantenprobleme sind dafür nur ein Aufhänger - sofern nötig, ließen die sich ohnehin auf Basis der bestehenden Gesetze mit einer ordentlichen Sozial-, Integrations- und Bildungspolitik lösen.


02.05.2017

Jetzt geht der Leitkultur-Zirkus schon wieder los. Es kann keine deutsche Leitkultur geben, weil allein schon die diversen "biodeutschen" Milieus fast nichts gemeinsam haben, außer eben dem Grundgesetz.

Eine Anmerkung hierzu
(freier Lesetext)

***

Die jüngste Produktion der Tanzsparte am Mainzer Staatstheater ist mehr ein Vergnügen fürs breite Publikum als Herausforderung für passionierte  Liebhaber der reinen, hohen Tanzkunst. Diesmal darf das Auditorium im Großen Haus rhythmisch mitklatschen und sogar lauthals den alten Knef-Song mitsingen über rote Rosen, die es regnen soll. „Hochzeit” ist der gut zweieinhalbstündige Abend betitelt, und primär tatsächlich angelegt als ausgelassene, volkstanzfreudige Hochzeitsfeier. Wie bei ähnlichen Anlässen in der Realität, ereignen sich auch am Rande des Bühnenfestes ein paar kleine Tragödien, die etwas Ernsthaftigkeit ins schäumende Geschehen flechten.

Meine Premierenkritik hier
(kostenpflichtiger RZ-Text, 3900 Anschläge, 49 Cent)


28.04.2017

Ein Blick in meinen kulturjournalistischen Einsatzplan ergibt: Volles Programm in den nächsten Wochen. Es beginnt mit drei Ballettabenden. Morgen Premiere von "Hochzeit" bei tanzmainz. Nächste Woche geht's zu den Maifestspiele Wiesbaden und Gastauftritten von balletts C de la B mit "nicht schlafen" sowie der Compagnie des Theaterhauses Stuttgart mit "Nijinksi". Später bekomme ich dort noch Schauspiel, "Murmel Murmel", von der Berliner Volksbühne zu sehen. Es folgt das Theater Koblenz mit Tschechows "Die Möwe" in einer Inszenierung des früheren Mainzer Intendaten Matthias Fontheim.

Mitte des Monats dann Großereignis im Landesmuseum Mainz: Eröffnung der Ausstellung "vorZeiten" mit archäologischen Schätzen aus dem gesamten Rheinland-Pfalz - für mich verbunden mit einer zweitätigen Recherchereise zu aktuell besonders interessanten Grabungen im Land. Hernach Premiere im Theater Bonn: Jelineks "Abraumhalde". Schließlich steht der Start einer weiteren Großausstellung auf dem Plan: Henry Moore im Arp Museum Remagen. Zwischendruch ein Gespräch mit dem neuen Intendanten der Burgfestspiele Mayen, Festvortrag bei der Feier "30 Jahre Marienberger Seminare" ...


27.04.2017

In der körperlichen und geistigen Verfassung eines Mittvierzigers 200 oder mehr Jahre alt werden. Das wär's doch. Nein? Wie auch immer man dazu steht: In etlichen Forschungslaboren weltweit wird mit Hochdruck an Manipulationen der Lebensuhr gearbeitet. Titelgeschichten vorletzte Woche in der "Zeit", soeben im "Spiegel" und jetzt auch im renommierten Wissenschaftsmagazin "Nature" deuten auf grundlegende Durchbrüche und rasche Fortschritte dieser Forschungen hin.

Erste jüngere Erkenntnis: Die Lebensuhr funktioniert anders als bisher angenommen. Sie verschleißt nicht unwiederbringlich, sondern die zahlreichen körpereigenen Werkstätten zur Zellerneuerung reduzieren peu a peu ihre Tätigkeit und fallen mit fortschreitendem Lebensalter quasi der Reihe nach ins Koma. Zweites Forschungsergebnis (bei Mäusen und anderen Tieren): Führt man dem altem Körper Blut oder Blutplasma und/oder Darmbakterienkulturen von jungen Artgenossen zu, kommt es zu einer fast jugendlichen Reaktivierung der Werkstätten des Seniors; Die Zellerneuerung für Körper und Geist läuft wieder auf Hochtouren.

Drittes Ergebnis: Es soll in den USA erste Privateinrichtungen geben, die gegen horrende Summen Kuren mit jugendlichem Frischblut anbieten.

Ich kann nicht beurteilen, was an den Forschungsberichten dran ist. Ich kann mir allerdings einen Reim darauf machen, was auf Erden geschähe, würde das bis dato gültige Altersmaximum von 100 plus ein paar Jahre verdoppelt. Und ich kann mir vorstellen, dass ein derart grundstürzender Eingriff in die weithin noch unverstandene schier universelle Komplexität des humankörperlichen Mikrokosmos allerhand Nebenwirkungen zeitigen würde. Doch dazu fragen sie dann bitte ihren Arzt oder Apotheker.


26.04.2017

Am ersten Mai-Wochenende (5. - 7.5.) startet der Kultursommer Rheinland-Pfalz in seinen 26. Jahrgang. Das dreitätige Auftaktfestival zum wieder mehr als 200 Acts umfassenden landesweiten Veranstaltungsreigen findet heuer in Bad Kreuznach statt. Das offene Jahresmotto lautet "Epochen und Episoden", es setzt 2017 bei aller Vielfalt doch einen Schwerpunkt auf das Jubiläum 500 Jahre Reformation.

Mein Vorbericht, konzentriert auf vom Kultursommer geförderte Veranstaltungen im nördlichen Rheinland-Pfalz

(freier Lesetext, 6400 Anschläge)


25.04.2017

Die Fertigstellung meiner Kolumne "Quergedanken" liegt meist zehn bis zwölf Tage zurück, wenn der Text im mittelrheinischen Magazin "Kulturinfo" (und auf meiner website) erscheint. Diesen Abstand erzwingt der Produktionszeitraum für die monatlich erscheinende Publikation. Er birgt die Gefahr, dass Themen, die sich zum Zeitpunkt des Schreibens geradezu aufgedrängt hatten, bisweilen am Erscheinungstag recht abseitig wirken. So auch diesmal, weil inmitten der aktuellen Kältetage niemand mehr die verfrühte Sommerphase der ersten Aprilhälfte in Knochen und Hirn hat. Doch völlig aus der Welt gefallen ist das Thema deshalb noch lange nicht. Also sei eine vergnügliche Lektüre gewünscht mit den

"Quergedanken" Nr. 147: Schon angegrillt?
(freier Lesetext, 3400 Anschläge)


24.04.2017

Es bestätigt sich nun bei der Frankreich-Wahl, was unlängst schon in den Niederlanden deutlich wurde und sich auch für Deutschland abzeichnet: Die Rechtsradikalen sind zwar eine (viel zu) starke Kraft geworden, aber in Westeuropa sehr weit entfernt von einer Mehrheitsbewegung. Unterstrichen wird das auch durch den Umstand: Hohe Wahlbeteiligungen lassen die prognostizierten starken Zuwächse für die Rechtsradikalen jeweils zusammenschmelzen. Ihr Durchmarsch an die Macht ist abgesagt - sofern die bürgerlichen und linken Parteien sich jetzt nicht ganz blöd anstellen.

***

Es gibt Schauspielklassiker, die setzen sich quasi von selbst als stets brennend aktuell bleibender Beitrag zu jeweils anderen Gegenwarten immer wieder auf die Theaterspielpläne. Und eigentlich bedürfen sie dafür nichtmal großer inszenatorischer Aktualisierungseingriffe. Ibsens "Ein Volksfeind" von 1883 ist so ein Stück. Am Staatstheater Mainz hat es Regisseur Dariusch Yazdkhasti jetzt allerdings doch mit ziemlich rigorosen Einschnitten plakativ aufs Hier und Heute getrimmt. Herausgekommen ist ein sehr zwiespältiger Abend ...

Meine Premierenkritik hier
3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


23.04.2017

Die Gedanken sind am heutigen Sonntag mit Hoffen und Bangen bei unseren französischen Freunden.

Vive la République francaise!
Und schickt LePen aufs Abstellgleis!


21.04.2017

Heute Nachmittag durfte ich, und es war mir ein Bedürfnis, im Verlagshaus der Allgemeinen Zeitung Mainz der Verabschiedung des von mir hoch geschätzten und verdienstvoll eigensinnigen Kollegen Jens Frederiksen in den Ruhestand beiwohnen. Er war zuletzt 27 Jahre Ressortleiter Feuilleton bei der AZ - allweil geachtet, aber auch gefürchtet, gelobt oder angefeindet, kundig, sprachmächtig, urteilsstark. Damit geht nun wohl, wenn ich es richtig überschaue, das Staffelholz des dienstältesten noch hauptberuflich tätigen Print-Feuilletonisten in Rheinlahnd-Pfalz für dreieinhalb Jahre an mich über.

"fre" wird mir fehlen, als angenehmer Kollege alter Schule mit höchster Kompetenz, als bester und interessantester hiesiger "Wettbewerber" im Fach Schauspielkritik, als kluger wie humoriger Partner bei der Pausenplauderei. Über rund ein Vierteljahrhundert haben wir dienstlich diesselben Premieren besucht, regelmäßig in Mainz, viele Jahre auch in Wiesbaden, immer wieder in Frankfurt, gelegentlich in Koblenz.

Erst begegneten wir - Kritiker konkurrierender Zeitungen - uns in gegenseitigem Respekt, aus dem über die Jahre aber herzliche Sympathie wurde. Wir sprachen miteinander über Gott und die Welt sowie vorherige Theaterabende und unsere Besprechungen davon, nie jedoch über die gerade besuchte Premiere. Dies Thema war, wie es sich gehört, tabu bis die Kritiken beider in den Zeitungen standen. Dann stürzte ich mich stets begierig auf seine Besprechungen, die zu lesen fast immer ein Genuss war und überaus lehrreich - egal, ob wir zu ähnlichen Schlüssen oder gegenteiligen gelangten.

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Es geht mir gerade ein Phänomen des Journalismusbetriebes durch den Kopf, das Außenstehenden womöglich unverständlich ist. In fast 30 Berufsjahren als Zeitungsmann mit Schwerpunkt Kultur habe ich oft selbst erlebt oder von Kollegen anderer Blätter erzählt bekommen: In den Zentralredaktionen etlicher Regionalzeitungen verstehen sich seit jeher ausgerechnet Sportredakteure und Kulturredakteure am besten miteinander. Wie kann das sein? Nach meinem Dafürhalten, weil sie beide a) hier auf Sportplätzen, da in Theatern/Konzertsälen regelmäßig unters Volk kommen. Weil beide b) einen ähnlichen Lebens-Arbeits-Rhythmus haben, dessen Einsatzspitzen meist aufs Wochenende fallen. Weil schließlich, c), beide interessant, spannend, launig über die "spielerische" Leistung ihrer jeweiligen Beobachtungsklientel berichten und diese auch kritisch beurteilen sollen. Weshalb im Grunde eine enge Verwandtschaft zwischen Spielbericht und Kunstkritik besteht.


20.04.2017

"Populismus ist nicht per se schlecht." Diesen irritierenden Satz sagt der hochgeschätzte Kollege Heribert Prantl in einem Interview über sein neues Büchlein mit dem nicht weniger irritierend mehrdeutigen Titel "Gebrauchsanleitung für Populisten". In beiden vertritt er - sich auch kritisch an die eigene Nase fassend - u.a. die These, dass die undifferenzierte Benutzung des Wortes "Populismus" als bloßem Kampfbegriff gegen rechte Demagogen unsinnig ist. Weil: Es sei durchaus wünschenswert, wenn Demokraten nach Luthers Devise "Den Leuten aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden" auf populäre, volksnahe Art, leidenschaftlich und an die "Leidenschaft der Menschen" appelierend, für demokratische Grundwerte und Gundrechte streiten.

Auf die Frage etwa, wie viel der Rechtsstaat im Umgang mit Populisten aushalten müsse, antwortet Prantl: "Ich darf alles sagen, was nicht strafbar ist. Meinungs- und Pressefreiheit vertragen alles. Pressefreiheit ist wie ein großer Fluss. Da schwimmen die schönsten Fische, aber auch viel Dreck, und es gibt keine Instanz, die sagt: Das eine ist wertvoll, das andere nicht. Es gibt das Strafrecht, und das Strafrecht markiert die Grenzen." Wenn jemand Volksverhetzung betreibe, dann sei das strafbar.


19.04.2017

Euch zur Vorfreude auf alsbald bessere Tage, sei ein Ende Mai 2005 publiziertes Textchen noch einmal hervorgekramt. Unter dem Titel "Sommernachtsträume" versuchte es dem damals verbreiteten Frust über eine lang anhaltende sehr miese Spätfrühlings-Wetterlage entgegenzuwirken.

2005-06-01 Quergedanken: Sommernachtsträume
(Freier Lesetext, 4200 Anschläge)


17.04.2017

Zum Ausgang des türkischen Referendums:

1. "Der 16. April wird in die Geschichte eingehen, als jener Tag, an dem die Republik Atatürks abgeschafft und durch den Staat Erdogan ersetzt wurde." (Maximilian Popp auf Spiegel-online).

2. Ein glorreicher Sieg sieht anders aus. Erdogan hat mindestens knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung und eine deutliche Mehrheit der Stadtbewohner in der Türkei gegen sich. Und das trotz der Repressionen des Ausnahmezustandes sowie der Indienstnahme des kompletten Staats- und Medienapparates für seine Propaganda. Die Erdogan-Diktatur steht vom Start weg auf schwachen Beinen.


16.04.2017

Der alljährlich wiederkehrende Disput um das Karfreitags-Tanzverbot nervt ziemlich. Weil: Viele der Kontrahenten wollen nicht begreifen, dass in einer offenen und vielgestaltigen Gesellschaft wie der unsrigen ein Kompromiss gegenseitigen Respekts gefunden werden muss.

Dazu Anmerkungen und ein Vorschlag
(freier Lesetext)


15.04.2017

Premiere von Shakespeares Komödie "Maß für Maß" am Gründonnerstag im Staatstheater Wiesbaden: Regisseur Jan Philipp Gloger hat eine ebenso humorig-saftige wie ernsthafte Inszenierung dieses bis heute, oder erst recht heute, relevanten Stückes über mannigfache Wechselwirkungen zwischen Macht, Moral und Gesellschaft hingekriegt. Obendrein originell ausgeformte, gute bis sehr gute Schauspielleistungen reihum machen den nur zweistündigen Abend ohne Pause zu einem geistreich kurzweiligen Theatererlebnis.

Meine Premierenkritik
(3450 Anschläge, konstenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


14.04.2017

Kleines Malheur am gestrigen Gründonnerstag: Stelle auf halbem Weg nach Wiesbaden zur Premiere von "Maß für Maß" fest, dass ich das Portemonnaie nicht am Hintern habe, sondern daheim vergessen. Damit bin ich erstmals seit Jahrzehnten ohne einen Cent, auch ohne Kreditkarte, in der Tasche auswärts unterwegs. Kann nicht ins Parkhaus fahren, keinen Kaffee vorweg trinken, weder dem Bettler noch der Straßemusikantin etwas geben. Die Hungerbefriedigung nach der Vorstellung muss zwangsläufig bis zur Heimkunft warten. Und müsste ich während der Returfahrt mal, kein Raststätten-Klo ließe mich ein. Es war ein seltsames, irritierendes Gefühl - ohne Geld nichts von all dem tun zu können, was man gewöhnlich tut oder tun kann.


13.04.2017

Wenn ich die Wettervorhersage richtig deute, dürften die Ostertage im deutschen Südwesten, landläufig formuliert, "durchwachsen" ausfallen. Temperaturen unter T-Shirt-Niveau, Himmel weiß-grau mit vereinzelten Blaufenstern, aber ebenso ein bisschen Regen hie und da stiftend. Das geht schon in Ordnung, denn an Ostern ist seit jeher alles drin. Ich erinnere mich für hiesige Gefilde an Osterfeiertage mit Spaziergängen durch knöchelhohen Schnee wie auch an hemdsärmelige Familientafeln im Garten mit Sonnenbrandgefahr. Lasst uns heuer also mal das Mittelmaß genießen - an Extremlagen haben wir ja allüberall sowieso keinen Mangel.


07.04.2017

US-Präsident Trump ließ diese Nacht einen syrischen Militärstützpunkt und Luftwaffenhorst mittels fünf Dutzend Tomahawk-Raketen von See aus quasi schleifen - "Vergeltung" für den Giftgasangriff auf die Bevölkerung von Chan Schaichun (der vielleicht, womöglich, wahrscheinlich, aber nicht sicher bewiesen vom Assad-Militär verübt wurde). Schießwut und Kriegslogik, statt Politik - auf beiden Seiten.


03.04.2017

Achtung, jetzt kommt ein Karton! Sie, verehrte Leser/innen, werden brummen: Wie kann man die Inszenierungskritik eines ehrwürdigen Bühnenklassikers aus den 1660ern eröffnen mit einem Sätzchen aus der TV-Comedyschublade? Nun ja, das Bühnenbild für Molieres „Tartuffe” am Theater Koblenz ist halt ein Karton – eine raumfüllende, nach vorn aufgeklappte Pappschachtel. Darin haben seltsame Figürchen Zeiten überdauert. Diese werden jetzt quietschlebendig und spielen das uralte Spiel von der Verführbarkeit durch betrügerische Heilsversprecher. Es purzeln aus der Schachtel zwei überaus vergnügliche und klug gewirkte Theaterstunden.

Meine Premierenkritik hier
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent.

 


03.04.2017

Es ist ein Armutszeugnis für den internationalen Klassikbetrieb, dass wir 2017 eine Dirigentin vor großem Orchester noch immer als etwas Besonderes erleben. Auch wenn diese wie aus der Zeit gefallene Misere allmählich – viel zu langsam – entschärft wird, sind Frauen am Dirigentenpult bis heute seltener als in Vorständen von Dax-Konzernen. Welche Potenziale der Musikkultur so entgehen, machte jetzt die Stabführung der wunderbaren Anu Tali beim 8. Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz mit der Rheinischen Philharmonie deutlich.

Meine Konzertbesprechung
(3700 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


31.03.2017

Das Theater des 20. Jahrhunderts tat sich immer etwas schwer mit Henrik Ibsens Stück „Die Frau vom Meer” aus dem Jahr 1888. Für frühere Zeiten war dessen Kritik an der Fesselung des weiblichen Geschlechts durch die traditionellen Ehe-Normen zu fortschrittlich. Später konnte man sich mit dem dann doch wieder ehelichen Happy End nicht mehr anfreunden. Für die Kammerspiele Godesberg des Theaters Bonn hat Regisseur Martin Nimz jetzt einen überzeugend heutigen Blickwinkel gefunden – der durch fein gearbeitetes Charakterspiel auf allen Positionen zu einer kleinen Sternstunde des Sprechtheaters geworden ist.

Meine Premierenbesprechung
(3950 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


30.03.2017

2017 wird das Ludwig Museum Koblenz ein Vierteljahrhundert alt. Genauer: Am 18. September jährt sich die Eröffnung der Kunstinstitution am Deutschen Eck zum 25. Mal. Sie ist in einem der ältesten Gebäude von Koblenz untergebracht, dem anno 1250 erbauten Deutschherrenhaus, widmet sich indes vornehmlich der allerjüngsten Kunst. Es gibt im Jubiläumsjahr keine großen Festivitäten, dazu sind die Ressourcen des chronisch unterfinanzierten Museums zu knapp. Stattdessen folgen bis Ende des Jahres noch fünf interessante Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst.

Ausstellungsvorschau hier
(freier Lesetext)


29.03.2017

Weil das Thema wegen der Sache Rhein-Zeitung vs. Christian Lindner (seine Zeit als Chefredakteur endete gestern ziemlich überraschend und offenbar wg. Dissenz mit der Verlagsleitung) derzeit in vieler Munde ist, mal kurz nachgedacht: Was macht eigentlich einen guten Chefredakteur aus? Ich habe mal 10 der m.E. wichtigsten AnforderungsMAXIMEN aufgelistet.

Zusammenstellung hier
(freier Lesetext)

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Weiterer interessanter Abstecher zum "Tanzmainz Festival #2". Ein Abend der Gegensätze: Erst die afrikanische Ethno-Choreografie "Fußabdrücke der Massai" von Georges Momboye mit jungem, kraftvollem Tanzpersonal. Hernach eine Veranstaltung mit zwei schon betagten Vertretern des Tanzmetiers, den Slowenen Iztok Kovac und Janez Jansa, die die fast ausschließliche Bindung der Tanzkunst an junge, schöne, starke Körper als fatalen Irrtum verwerfen.

Meine Besprechung hier
(3300 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


27.03.2017

Ballett nach Art der jetzigen „Cinderella”-Produktion von Tanzchef Steffen Fuchs am Theater Koblenz bekommt man nur noch selten zu sehen: Tanznummern in fast klassischem Stil, eingebettet in eine Handlung, die überwiegend mit Gesten und Mimik, mit stummer Schauspielerei und szenischem Posing theatralisch erzählt wird. Das wirkt wie aus der heutigen Tanzzeit gefallen. Überzeugende Dramatik kommt aus dem Orchestergraben, während es auf der Bühne arg gemächlich zugeht.

Meine Premierenkritik hier
(3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


25.03.2017

Kann wortlose Tanzkunst politische Statements abgeben? Ja, sie kann. Das bewies jetzt am Eröffnungsabend des "Tanzmainz Festivals #2" die italienische Compagnia Aterballetto mit der deutschen Erstaufführung der Choreografie "Bliss" (Glückseligkeit) von Johann Inger. Da entfalten Tänzer/innen das Lebensgefühl heutiger weltoffener Jugend: Lebenslust, Lebensfreude, Neugier aufeinander und freundschaftliches Miteinander unterschiedlischer Individuen und Kulturen - als das beglückende Gegenteil hasserfüllter Abgrenzung. Bis 1. April folgen beim Tanzfestival am Staattheater Mainz 17 Vorstellungen von zeitgenössischen Ensembles aus neun Ländern.

Besprechung Startabend des Festivals hier
(3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


23.03.2017

Die Welt rumort von lauter Glaubenskämpfen. Manchmal entbrennen sie selbst zwischen guten Freunden oder sogar im Ehebett. Nein, hier soll nicht die Rede sein vom ewig unseligen Streit der Religionen. Wir hätten schon ohne die gegensätzliche Allwissenheit der Schriftgelehrten und den Absolutheitsanspruch jeweder Glaubenskrieger gerade genug zu schaffen mit unserer eigenen alltäglichen Rechthaberei.  Dieselfahrer gegen Holzverbrenner, Körperenthaarte gegen Vollpelzige, Allesfresser gegen Veganer etc.pp. "Die Wahrheit ist mein und du bist ein Depp", sagt ein jeder. So auch im Falle der Homöopathie, über die sich eine Tischgesellschaft von Freunden zerstreitet, wie jetzt die Nr. 146 meiner Monatskolumne "Quergedanken" zu berichten weiß.

Quergedanken "Glaube versetzt Berge" hier
(freier  Lesetext)


22.03.2017

Das Erdogan-Referendum zu entscheiden, ist eine Sache der Völker der Türkei. Doch darf man als deren auswärtiger Freund dazu eine Meinung haben, einen Wunsch äußern und die Daumen drücken für
HAYIR! NA! NEIN!

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Mag der politische Kladeradatsch die nächsten Tage treiben, was er will: Mir steht kritikerdienstlich ein langes Kunstwochenende ins Haus. Und, Freude!, es geht ausschließlich um Tanzkunst. Morgen Eröffnung des 2. Tanzmainzfestivals mit zeitgenössischen Tanzgastspielen aus aller Herren Länder. Zum Auftakt im Staatstheater die italienische Compagnia Aterballetto. Dann Premiere der neuen "Cinderella"-Choreografie von Steffen Fuchs am Theater Koblenz. Hernach wieder zwei Tanzgastspiele in Mainz: Istok Kovac aus Slowenien sowie die französische Compagnie Georges Momboye mit ihrem Stück "Fußabdrücke der Massai".


21.03.2017

Geht einem so nach der Pressedurchsicht am Vormittag durch den Kopf: Bemerkenswert, dass nun ausgerechnet die US-Geheimdienste CIA und NSA Trump in die Bredouille bringen. Und was Erdogan angeht, so könnte es durchaus sein, dass er sich gerade ins eigene Knie schießt. Denn das türkische Volk besteht ja keineswegs aus lauter Deppen und Hinterwäldlern; zudem gibt es in den meisten Familienverbänden Leute, die Deutschland oder andere westeuropäische Länder kennen. Und die - bei aller Kritik an deren Umgang mit türkischen Gastarbeitern und Einwanderern - sehr gut wissen, dass ihr Präsident derzeit Unfug redet. Mag sein, dass die völlige Überspannung der Provokations- und Eskalationstaktik sich für Erdogan auch innertürkisch als kontraproduktiv erweist.


18.03.2017

Der Versuch, sich bisweilen in Blickwinkel und Gefühlswelt Andersdenkender hineinzuversetzen, gehört zum vernünftigen Diskurs. Das gelingt mir oft ganz gut, auf zwei Feldern allerdings gar nicht: Für Weltsichten und Menschenbeurteilungen auf Basis "rassisch-völkischer" oder religiöser Antipathien gibt es in meinem Hirn offenbar keine Verschaltungen. Mir ist es völlig egal, ob jemand von weißen, schwarzen, gelben, roten Völkerschaften abstammt. Wie mir auch völlig gleichgültig ist, zu welchen Göttern jemand betet, solange er das als Privatsache behandelt und mir oder der Allgemeinheit nicht missionarisch auf die Pelle rückt.


17.03.2017

Es ist eine Sisyphusarbeit, herauszufriemeln, was das Wahlergebnis in den Niederlanden tatsächlich aussagt. Denn weil es keine 5-%-Hürde gibt, hat sich das Parteiensystem entsprechend der vielfältigen Gesellschaftsströmungen in NL aufgefächert. These: Ohne 5-%-Hürde sähe die deutsche Parteienlandschaft kaum anders aus, denn die moderne Gesellschaft hierzulande ist ähnlich vielgestaltig. Dass der rechtsradikale Wilders wider Erwarten nur geringfügig zugelegt hat, bestätigt bloß, was wir unlängst in Österreich schon sahen: Die nationalchauvenstischen Rechtsfronten haben keine Mehrheit; ihre Durchmarsch ist keine ausgemachte Sache, sondern verhinderbar. Nicht mehr, nicht weniger.

Ansonsten zu NL: Bei enorm hoher Wahlbeteiligung entfielen rund 85 % der Stimmen auf das demokratische Spektrum und eine 3/4 Mehrheit auf Parteien, die sich zum gemeinsamen Europa bekennen. Die größten Zugewinne verzeichnen Grünlinke, Linksliberale, Tierschützer, Christkonservative und diverse Splitterparteien. Verlierer sind die beiden Parteien der bisherigen Große Koalition: Ruttes VVD (- 5%) bleibt dennoch stärkste Partei mit 21 %; die Sozialdemokraten von der PdvA (- 19 %) erhielten die Quittung für die als sozial ungerecht empfundene neoliberale Regierungspolitik.


16.03.2017

In eigener Sache.
Aus Gründen. Von Marcel Reich-Ranicki heißt es, er habe stets alle an ihn gerichteten Leser-, Autoren-, Verlagsbriefe persönlich beantwortet. Gewiss, das war in prädigitalen Zeiten und MRR hatte ein eigenes Sekretariat, ich kann es mir dennoch nur schwer vorstellen. Ich jedenfalls kriege es partout nicht hin, sämtliche Zuschriften zu beantworten oder auch nur im Auge zu behalten, die bei mir über diverse elektronische Kanäle oder auf Papier via gelbe Post hereinkommen. Würde ich es versuchen, ich käme zu nichts anderem mehr. Weshalb um Nachsicht und Verständnis gebeten sei, sollte es in diesem oder jenem Fall bei Schweigen im Wald bleiben.


14.03.2017

Altersdemenz ist nicht immer ein Schrecknis. Es gibt viele Grade und sehr unterschiedliche Formen dieser "Krankheit". Davon beobachte ich seit Jahren innerfamiliär bei der 1920er-Generation einige, die man auch als raffinierte Technik der Natur verstehen könnte, die letzte Lebensphase angenehmer zu machen. Da liegt etwa der 94-jährige Greis im Pflegeheim, dessen Gehirn nach und nach all jene Erinnerungen vergessen, verdrängt, abgeschaltet hat, die ihm heute Verdruss bereiten könnten.

Er lebt in einem Fantasiegebilde von der eigenen Jugend, zusammengesetzt aus fast nur positiven Erinnerungensschnipseln an jene Zeit. Arbeitsdienst, Krieg, Gefangenschaft: verschwunden. Zwei verstorbene Lebensgefährtinnen und das eigene Haus, an das er sich so lange geklammert hatte: gelöscht. Die ihn jetzt besuchenden Kinder und Enkel erkennt er, baut sie in lebhafter Plauderei mitsamt Pflegern und Heimumgebung problemlos - oft zum Schmunzeln - in seine Jugendwelt ein.

Kurzum: Nach etlichen Jahren, in denen er grantig sein Leben und Schicksal in immer düstereren Farben beklagt hatte, wirkt der Greis nun seit einiger Zeit zufrieden und mit sich im Reinen. Quälend ist dieser Zustand offenbar vor allem für die Angehörigen, die nun akzeptieren müssen, dass die Geisteswelt des alten Mannes und ihre "Normalwelt" nur noch wenig miteinander zu tun haben.


13.03.2017

Es gibt recht verbreitet die Ansicht: Öffentlichkeit und Medien sollten AfD, Trump, jetzt vor allem Erdogan und Co. keine Plattform bieten, sollten sie eher ignorieren, statt deren Provokations- und Eskalationskalkül ins Messer zu laufen. Das ist eine nachvollziehbare Ansicht. Doch ich glaube, dass sie in offenen Gesellschaften mit interessierten Öffentlichkeiten nicht umsetzbar wäre. Denn die meisten Menschen haben, im Unterschied zu Partei- und Staatspolitikern, kein taktisch-strategisches Verhältnis zu ihrer Meinungsbildung und -äußerung. Und das ist m.E. gut so, weil einerseits Unsäglichkeiten nicht unwidersprochen bleiben dürfen, und andererseits öffentlicher Diskurs und staatsbürgerliches Engagement eben nur unter den Bedingungen unverstellter Offenheit in der demokratischen Zivilgesellschaft gedeihen.


12.03.2017

Des famosen Wetters wegen ist die Schreibstube seit Freitag in der Früh geschlossen. Austoben durfte sich hernach zwei Tage lang das Handwerker- und Bauernerbe in mir. Das marode Schuppendach provisorisch hergerichtet. Und siehe, dies Provisorium ist so wohlgeraten, dass es auch als dauerhafte Restaurierung durchgeht. Dann etliche Schubkarren alte Komposterde von einem vor Jahren stillgelegten Pferdemisthaufen in der entfernten Nachbarschaft zum Nachfüllen der Hochbeete herbeigeschafft. Gleich noch den eigenen Komposthaufen umgesetzt... End vom Lied am heutigen Sonntag: Es gibt wenig an meinem Leib, das nicht schmerzt. Und ausnahmsweise folge ich mal liebend gern einem biblischen Gebot: Am siebten Tage sollst du ruh'n. Schönen Sonntag allerseits.


07.03.2017

Weil sich in die Auseinandersetzung um Erdogans Politik und sein krudes Gebaren hierzulande in Netzwerken und Leserbriefen vermehrt deutsch-nationalistische Töne mischen, sei an folgendes erinnert: Es steht hier nicht Deutschland gegen die Türkei, erst recht nicht das deutsche Volk gegen das türkische, und sowieso nicht das Abendland gegen das Morgenland. Vielmehr verläuft die Konfrontationslinie zwischen den Prinzipien der Demokratie und dem Versuch, diese in der Türkei durch eine Autokratie zu ersetzen.

Es ist scheinheilig, wenn sich Leute zu Verteidigern von Demokratie und Pressefreiheit in der Türkei aufschwingen, die zugleich in Deutschland "Lügenpresse" schreien und mit Trump, Wilders, Le Pen, Höcke und Petri sympathisieren.


06.03.2017

Eigentlich schreibe ich ziemlich selten und auch nur recht  ungern regelrechte Verrisse. Manchmal aber lässt es sich nicht vermeiden und ist Tacheles angesagt. So jetzt bei Gavin Quinns Inszenierung von Shakespeares spätem Werk "Der Sturm" für die Godesberger Schauspielbühne des Theaters Bonn. Die meisten Rollen in schier roboterhafte Kaltfiguren zu verwandeln, mag eine Idee sein. Bei Shakespeare aber ist  zugleich ein Unding, weil damit dessen ganze großartige psychologische Figuren- und Ausdrucksvielfalt begraben wird.

Premierenkritik lesen hier
(3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


05.03.2017

Die Konzertsaison 2016/17 beim Staatsorchester Rheinische Philharmonie in Koblenz ist schon eine rechte Eigentümlichkeit. Eine ganze Spielzeit ohne eigenen Chefdirigenten, das hat es im letzten halben Jahrhundert nicht gegeben. Der alte, Daniel Raiskin, ist schon weg; der neue, Garry Walker, noch nicht da. Weshalb das Orchester heuer sein Publikum unter lauter Gastdirigenten überzeugen muss. Wie das bisher gelaufen ist und wie die Musiker diese Situation erleben, dazu meine Zwischenbilanz jetzt nach der Hälfte der Konzertsaison.

Ganzen Artikel lesen hier
(freier Lesetext)


03.03.2017

Mal wieder vor der TV-Kamera gestanden. Beim Offenen Kanal Neuwied gesprochen über Bedeutung der Kultur für den Menschen, runtergebrochen auf Städte/Kommunen und etwas spezifiziert am Beispiel Neuwied. Wer vergangenes Jahr über die Länge meiner TV-Einlassungen zur Trierer Nero-Ausstellung gemeckert hatte, darf sich freuen: Der jetzige Beitrag unter dem Titel "Kultur ist Lebensmittel" dauert mit 25 Minuten gerade halb so lang. Kleine Berichtigung vorweg: Es fällt der Begriff "Schloss Monreal", gemeint ist "Schloss Monrepos".

Beitrag ab sofort im Internet auf Youtube (hier)

Ausstrahlungtermine auf TV-Kanal OK4 im Gebiet Mittelrhein:
03.03./22:23 Uhr; 04.03./13:30; 09.03./19:00; 11.03./13:20

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2015 erschien der Roman "Judas" von Amos Oz. Er spielt in Jerusalem/Palästina der Jahre 1959/60. Im Zentrum stehen die Gespräche dreier Israelis unterschiedlicher Generationen vor allem über zwei Jahrhunderte lang virulente Themenfelder: 1. Politik und Gesellschaft vor dem Hintergrund der jüdisch-arabischen Beziehungen; 2. Religion, mit besonderem Augenmerk auf die Bedeutung des biblischen Judas Iskariot für die christlich-jüdischen Beziehungen. Das Staatstheater Wiesbaden hat jetzt eine eigene Bühnenfassung des Romans ins Werk gesetzt -  und einen bemerkenswerten 100-Minuten-Abend hingekriegt.

Premierenbesprechung hier
(3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


02.03.2017

Warum behandeln sämtliche Autokraten, Tyrannen und Rechtsnationalisten die freie Presse als ihren Hauptfeind Nr.1? Weil der unabhängige Journalismus stets und ständig das Bild hinterfragt, das Trump, Putin, Erdogan, Orban, Wilders, Le Pen, Petri, Höcke und Co. von sich, der Welt und der Geschichte vielen Menschen eingepflanzt haben oder noch einpflanzen wollen.


01.03.2017

Anno 1987 wurden in Bad Marienberg (Westerwald) auf private Initiative von Barbara Abigt die "Marienberger Seminare" aus der Taufe gehoben. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums dieser verdienstvollen Bildungseinrichtung für jedermann/-frau ein kleiner Artikel (siehe Link) über deren Selbstverständnis und Werdegang. Ich selbst bin dort seit etwa 20 Jahren alljährlich mit ein paar Vorträgen/Seminaren vertreten. Das nächste Mal am 8. März mit einem rund eineinhalb-stündigen Vortrags- und Gesprächsabend mit dem ganz alltagspraktisch orientierten Thema "Wir fangen schon mal an mit dem Postwachstumsleben".

Zum 30. Geburtstag der "Marienberger Seminare"
(freier Lesetext)


28.02.2017

Ein Gedanke am Rande der "tollen Tage", in den Sinn gekommen nach Betrachtung diverser TV-Übertragungen und Zeitungsberichte über Karnevalsveranstaltungen:
Den Begriff "Heimat" verbinden die meisten Zeitgenossen offenbar primär mit ihrer nahen Lebensumgebung und kaum mit ihrem Bundesland oder gar der Nation. In den großstädtischen Karnervalshochburgen meint Heimat die jeweilige Stadt - Düsseldorf, Köln, Mainz, Koblenz oder Trier. Je kleiner die Veranstaltungsorte aber sind, umso mehr steht häufig Heimat für die UmgebungsREGION - zB Westerwald, Unterfranken etc.  


27.02.2017

Wie der kalendarische Zufall es will, erscheint meine Monatskolumne "Quergedanken" am Rosenmontag bzw.  Veilchendienstag. Das passt ganz gut, geht es in der Folge 145 u.a. doch um Unbilden, die sich gerne auch via Küsschen, Kuss, Geknutsche  und anderen Humankontaktierungen unter den Menschen ausbreiten. Selbiges möchte man sich vom zweiten Aspekt des Textes nicht mal in den düstersten Momenten vorstellen. Kaum auszudenken, wäre Trumpismus auf gleiche Weise übertragbar wie grippale Infektionen.

Quergedanken 145: Von Grippeviren und Trumpeltieren
(freier Lesetext, 3300 Anschläge)


25.02.2017

Hoch oben im Westerwald wächst unter der Ägide des Bildhauers Erwin Wortelkamp (78) seit 30 Jahren ein bemerkenswertes Kunstprojekt heran: Peu a peu ist eine elf Hektar große Talmulde zwischen den Dörfern Hasselbach und Werkhausen (Kreis Altenkirchen) Heimstatt für 50 eigens in die Landschaft hineingearbeitete Werke fast ebenso vieler Gegenwartskünstler von Rang geworden. Das in Anlehnung ans Prinzip englischer Gärten gestaltete Areal wurde darüber selbst zum Gesamtkunstwerk. Ich hatte unlängst Gelegenheit, gemeinsam mit Wortelkamp das "Im Tal" genannte und in Rheinland-Pfalz solitäre Projekt bei einer dreistündigen Wanderung intensiv zu erleben.

Artikel "Kunst und Natur im Dialog" darüber hier
(5200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


24.02.2017

Heute mal eine gar nicht gewagte Prognose:
Es dauert eher nur 5 als 10 Jahre bis Heerscharen deutscher Politiker sich in einer Sache um 180 Grad wenden werden: Fast alle, die heute Fernhalten und Abschieben von Migranten/Flüchtlingen für ihre vordringlichste Aufgabe halten, werden dann millionenschwere Anwerbe-Kampagnen für Neubürger aus dem Ausland auflegen wollen - um dem hierzulande stetig wachsenden Nachwuchs-, Fachkräfte- und Konsumentenmangel entgegen zu wirken. Und sie werden dann bedenkenlos den Entwicklungsländern jene fertig ausgebildeten Leute abwerben, die diese am nötigsten brauchen: Ärzte, Lehrer, Ingenieure, IT-Spezialisten, Facharbeiter, Handwerker. Gescheiter wäre, die jetzt schon hier befindlichen Migranten/Flüchtlinge gleich hier selbst ausbilden.


23.02.2017

Am Staatstheater Mainz gibt es jetzt eine Inszenierung der vor 2425 Jahren von Euripides geschriebenen Tragödie "Orestes". Wieder einmal ist es faszinierend, wie aktuell und interessant so ein Uraltstück für uns Heutige sein kann. Denn es geht da um zwei zornige junge Leute, die in einem krisenhaften Gemeinwesen aus Untaten und Schuld der Altvorderen und Elterngeneration die Selbstlegitimation für Angehörigenmord, Geiselnahme, Brandtsiftung ableiten, also quasi für blanken Terrorismus.

Aufführungsbesprechung hier
(3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent) 


22.02.2017

Shakespeares „Ein Sommernachtraum” ist auch für das Ballett ein wunderbarer Stoff. Denn es geht darin vor allem um Verzauberung durch Erotik, Liebeslust, Triebentfesselung. Wo das Körperliche solches Gewicht hat, ist die Tanzkunst ein naheliegendes Darstellungsmedium. Viele Choreografen haben sich des Stoffes schon angenommen, jetzt auch Tim Plegge, Chef des Hessischen Staatsballetts. Zur Premiere kam in Wiesbaden eine opulente  Produktion, die stark auf märchenhafte Verspieltheit setzt, sich hart an der Grenze zur kulinarischen Nettigkeit bewegt - das Abdriften darüber hinaus aber durch mehrfache Bezugnahme zu Shakespeares Tiefenschichten vermeidet.

Premierenbesprechung hier
(3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


20.02.2017

Meine Besprechung des 6. Anrechtskonzert beim Koblenzer Musik-Institut beginnt etwas unüblich: mit einem Lob für die Konzertbesucher. Denn das jeweils mehr als 1000-köpfige Auditorium hält in diesem Herbst/Winter während des Musizierens bemerkesnwert aufmerksam und diszipliniert Ruhe. Auch die vielen erkälteten Zuhörer verschieben lautes Schnäuzen und Husten auf die Pausen zwischen Stücken und Sätzen. Das ist durchaus keine Selbstverständlichkeit im klassischen Konzertbetrieb.

Ganze Besprechung des Abends mit spanischem Programm, Rheinischer Philharmonie unter Gastdirigent Rubén Gimeno sowie der wunderbaren Sologeigerin Tianwa Yang hier
(3700 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


20.02.2017

Das werden jetzt, vor allem am Rhein, eineinhalb anstrengende Wochen. Anstrengend fürs fastnachts- bzw. karnevalsselige Freudenvolk. Anstrengend aber auch für davon weniger entzündliche Mitmenschen, erst recht für passionierte Verächter der närrischen Kost. Die Lokalteile der Regionalzeitungen laufen ebenso karnevalistisch zu bis über wie die lokalen und regionalen TV-Sender oder die Timelines bei Facebook. Es kommt arg dick. Doch obwohl ich mich selbst schon eine gehörige Weile nicht mehr mit Pappnas' und Narrenkapp' ins Getümmel stürze, habe ich keinerlei Einwände gegen den Mummenschanz.

Das gilt zumindest dort, wo die Narretei betrieben wird mit ausgelassenem bis augenzwinkerndem Spaß an der Freud' sowie eingedenk ihrer anarchischen Renitenztradition wider böse Geister, ungeliebte Obrigkeiten und verbiesterte Zeitgenossen. Ich werde es heuer wieder halten wie seit vielen Jahren: Via TV den Büttenfastnachtern amüsiert bis kopfschüttelnd aufs Maul schauen, egal ob sie den literarisch-politischen Meenzer Stil pflegen oder die Kölsche Art des Witz-Verzählches. Ich werde mich am Esprit der Gardetänze laben, beim Männerballett und süßen Schunkelballaden indes wegzappen. Man muss ja nicht alles mögen. Und ich werde wieder allerhand Spaß haben an sinnenfrohen bis gruseligen Schnappschüssen, die Kameraleute mit Gespür ebenso fürs Hübsche wie fürs Abstruse im Publikum einfangen.

In diesem Sinne: Helolaulaaf! (= mein Friedensvorschlag an die Parteien des rheinhessisch Meenzer "Helau", mittelrheinisch Koblenzer "Olau" und des rheinisch Kölschen "Alaaf")


19.02.2017

Trump hat jetzt den TV-Sender CNN und die New York Times als "Feinde des Volkes" gebrandmarkt. Es sei daran erinnert, dass seit jeher jedes autoritäre Regime und jede Diktatur mit der Propaganda von den "Feinden des Volkes, des Staates, der Nation, der Ordnung, der Kirche..." erst die Einführung der Zensur, dann die völlige Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit vorbereitet/begründet hat. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass Trump den Sturm, den er da sät, nicht unbeschadet überstehen wird. Denn allmählich beginnen selbst konservative Verfassungspatrioten in den USA zu begreifen, welch faules Ei sie sich ins Nest gelegt haben.


17.02.2017

Freude! Sie sind wieder da. Riesige Kranichschwärme ziehen mit himmlischem Gesang von Südwesten heran über den Westerwald. Frühling kommt.


13.02.2017

Der Bundestagswahlkampf fängt nicht gut an. Es wird vor allem zwischen den beiden großen Parteien vom Start weg zu viel mit Polemikschlamm auf Personen geschmissen. Die Herrschaften sollten sich vergegenwärtigen, dass dies eine der schwierigsten Wahlen seit Bestehen der Bundesrepublik wird. Denn es geht um wesentlich mehr als nur die Frage, ob am Ende Merkel oder Schulz die Nase vorn hat. Es geht ZUGLEICH um die Glaubwürdigkeit und den Rückhalt der Demokratie im Volk.

Eine Dreckschlacht nach US-Muster würde diesem Ziel schaden und nur der AfD nutzen. Ihr sollt deshalb durchaus keinen Burgfrieden halten. Aber es wäre gut und hilfreich, wenn die demokratischen Parteien ihren Wahlkampf diesmal mit Augenmaß und Anstand auf einen beispielhaft gehaltvollen Wettbewerb ihrer POLITISCHEN Ideen, Vorstellungen, Pläne, Absichten konzentrieren würden. Bloßen Theaterdonner braucht kein Mensch.


18.02.2017

Sah der große US-Schriftsteller Philip Roth einen wie Trump kommen? Während derzeit in den USA die Verkaufszahlen für Orwells SF-Klassiker "1984" durch die Decke gehen, kam mir Roth' "Verschwörung gegen Amerika" aus dem Jahr 2004 wieder in den Sinn. Bei Kritik und Publikum war das kein sehr erfolgreicher Roman, man hielt vor 13 Jahren allgemein die Rahmenkonstruktion dieser Familiengeschichte für gar zu abwegig: Statt 1940 zum dritten Mal Franklin D. Roosevelt zum Präsidenten zu machen, wählen die Amerikaner völlig überraschend den populären Fliegerhelden und Nazi-Sympathisanten Charles A. Lindbergh ins Weiße Haus. Was einem damals wie eine recht abstruse literarische Fiction vorkam, erzeugt jetzt beim Wiederlesen beklommenes Staunen. Denn Roth schildert einen schleichenden Prozess der Entdemokratisierung des Landes, der subkutanen Verdummung und rassistischen Durchseuchung der Gesellschaft, wie wir ihn eben jetzt teils mitansehen müssen.


05.02.2017

Auch wenn sie in den zurückliegenden zweieinhalb Jahrzehnten am deutschsprachigen Theater ein überbordender Megatrend geworden ist, so bleibt die Prozedur doch jedesmal ein hochriskantes Unterfangen: Literarische Werke, die geschaffen wurden für die intime Zweisamkeit von Leser und Buch, in Bühnenstücke zu verwandeln. Das Theater Koblenz hat sich nun einen Gegenwartsroman vorgeknöpft:
Michael Köhlmeiers „Die Abenteuer des Joel Spazierer”, 2013 von der Literaturkritik begeistert aufgenommen. Die jetzige Uraufführung der Koblenzer Theatralisierung hinterlässt beim Theaterkritiker hingegen vor allem Ratlosigkeit.

Premierenkritik hier
(4200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


01.02.2017

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Tilt, Systemabbruch, Maschin' kaputt = Männergrippe reloaded. Am Montagabend zur FSJ-Seminarwoche auf Jugendburg Hohensolms angereist, am Dienstagmorgen nach friebriger Nacht frustriert fluchend wieder abgereist. Bleiben wäre sinnlos gewesen wg. Hirnvermatschung und Leibesauflösung. Ich wollte auch nicht der Seuchenherd sein, dem nachher sämtliche Kultureinrichtungen in Rheinland-Pfalz Krankmeldung ihrer Freiwilligen verdanken. Delirierend von allem möglichen, hüte ich nun daheim das Krankenlager - und warte ergeben auf das Ende des Anfalls.


24.01.2017

Steffen Fuchs, Ballettchef des Theaters Koblenz, hat für die aktuelle Produktion mit seiner Kompagnie vier berühmte Kompositionen von Johann Sebastian Bach ausgewählt. Das summiert sich im intimen Rahmen der Probebühne 4 unter dem Titel „Bach-Ballett” zu einem 90-minütigen abwechslungsreichen Abend auf bemerkenswertem Niveau. Der ist bis zur Pause von teils sehr ernstem Charakter, bietet nachher zwei frisch-frech-humorige Kabinettstückchen.

> Premierenbesprechung hier
(3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


23.01.2017

Die Tanzkompagnie des Staatstheaters Mainz hat für ihre aktuelle Premiere eine besondere Örtlichkeit in der Landeshauptstadt ausgesucht. Mit zehn Akteuren bringt sie ein „Shift” betiteltes Werk in der Christuskirche zur Uraufführung. Das Stück hat Rui Horta eigens für dieses evangelische Gotteshaus choreografiert. Die Produktion ist Teil der gemeinsamen Veranstaltungsreihe „Im Anfang war das Wort” von Staatstheater und Evangelischem Dekanat Mainz anlässlich des Jubiläums „Luther 2017 – 500 Jahre Reformation”.

> Premierenbesprechung hier
(3500 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


22.01. 2017

Noch ein Wort zur gestrigen überparteilichen Koblenzer Demonstration gegen den Kongress der Rechtsradikalen:
Kein Mensch hatte vorab in dieser kleinen Stadt 5000 Demo-Teilnehmer für möglich gehalten. Sämtliche Erwartungen sind um ein Vielfaches übertroffen worden. Mag sein, dies ist ein Indiz dafür, dass die angesichts des rechtspopulistischen Booms und "postfaktischen" Geschreis teils in schiere Schockstarre verfallene freiheitlich eingestellte Mehrheit im Land allmählich wieder zu sich kommt. In diesem Sinne wirkt die Koblenzer Demonstration vielleicht auch ein bisschen als Weckruf und Mutmacher weit über die Grenzen der Stadt hinaus.


 

21. 01.2017

Schöne und große Demonstration heute in Koblenz gegen Kongress der EU-Rechten dort. Alle Altersklassen, sozialen Schichten und eine vielzahl von Richtungen vertreten. Mit von niemandem erwarteten 5000 Teilnehmern die größte politische Kundgebung in der Rhein-Mosel-Stadt seit Jahrzehnten - und damit ein wichtiger Beitrag auch zum Ringen um die Atmosphäre im Land. Ist mir eine Freude, dabeigewesen zu sein.


20.01.2017

Sorry, liebe Leut', aber es treibt mich um.
Diejenigen von Euch, die in Koblenz und dem weiteren Umfeld daheim sind: Geht am Samstag mit demonstrieren! Gegen die versammelten europäischen Rechtsradikalen um Petry, Le Pen und Wilders. Mag es auch kalt sein, Euch dieser oder jener Kundgebungsredner nicht zusagen, der eine oder andere Mitdemonstrant nicht behagen, oder mögt Ihr noch nie im Leben demonstriert haben: Das ist alles nebensächlich. Denn spätestens seit Björn Höckes "Schandmal"-Rede müsste nun jedermann klar sein, was sich da zusammenbraut. Die Würfel sind gefallen; also Demokraten und Humanisten: Raus aus den Sesseln und wehret den Anfängen! (11 Uhr, KO Hauptbahnhof)


19.01.2017

Mal was Schönes. Dicht gefüllt mein Kalender für die nächsten Tage, aber mit lauter vielversprechenden Terminen:
Für den heutigen Abend (Do, 19.1.) hat mich die Theatergemeinde Koblenz als Gesprächsgast eingeladen, um über dies und das aus der Arbeit des Kulturjournalisten und regionalen Theaterkritikers zu plaudern (19 Uhr, Genusswerkstatt, KO Clemensstr. 18, freier Eintritt, auch Nichtmitglieder sind willkommen).

Am Samstag wird dann erst gegen die in Koblenz zum Kongress versammelten europäischen Rechtsradikalen demonstriert (ab 11 Uhr KO-HBF) - ihnen auch im Schulterschluss mit Schiller, Beethoven und der Rheinischen Philharmonie (und dem schönen Beispiel des Staastheaters Mainz folgend) die "Ode an die Freude" entgegengeschmettert. Am Abend geht's nach Mainz, wo die Tanzkompagnie des Staatstheaters in der Christuskirche sich mit Luthers Geist auseinandersetzt. Am Sonntagabend folgt im Theater Koblenz noch einmal Tanzkunst: Premiere hat ein Bach-Ballett von Steffen Fuchs auf der probebühne 4.

Und noch ein Hinweis aufs übernächste Wochenende: Am 28.1. wird im Haus der Jugend Montabaur der vergangenes Jahr ausgefallene DADA-Tag mit diversen Workshops von Künstlerkollegen für jederman nachgeholt. Dabei im Rahmen der abendlichen Schlussveranstaltung letztmals zu erleben: Mein Vortrag "Dada lebt" (ab ca 19 Uhr in einer 45-minütigen Kurzfassung). >>Infos zum Dada-Tag hier


18.01.2017

Auch auf die Gefahr hin, mich jetzt ziemlich unbeliebt zu machen: Ich habe nie viel davon gehalten, dass man sich bei der Bekämpfung der NPD primär auf das Bemühen um juristisches Verbieten der Neonazi-Partei konzentriert.

Dazu und zum BVG-Urteil einige Anmerkungen hier
(freier Lesetext)


16.01.2017

Der erster Einsatz als Schauspielkritiker im neuen Jahr führte mich ans Staatstheater Wiesbaden zu Alan Ayckbourns Science-Fiction-Komödie "Ab jetzt". Was bei Entstehung des Stückes 1987 noch Zukunftsmusik war, ist heute vielfach kaum hinterfragter Alltagsstandard: Vernetzung von Haustechnik, Überwachungssysteme allüberall, freiwilliger Verzicht auf Privatsphäre sowie alsbald Ersetzung sozialer Funktionen durch Roboter. Wiesbaden gibt dazu einen hübschen Schmunzelabend mit ernstem Hintersinn.

>> Premierenbesprechung hier
(kostenpflichtiger RZ-Text, 3600 Anschläge, 49 Cent)


13.01.2017

Wie wohl auf allen südwestdeutschen Höhen war auch bei mir am Morgen als erste Bürgerpflicht aufgerufen: Schneeschippen. Für den Unterwesterwald treffender gesagt: Schneematschschieben. Denn würde die nasse Pampe nicht in solchen Massen herniederstürzen, sie wäre bald verschwunden - die Lufttemperatur pendelt um den Schmelzpunkt. Weshalb ich annehme, dass die Flachländer in den Rhein-Städten aktuell weniger Mühe haben. Jedenfalls motiviert die Wetterlage, meine diesmal wegen Pflichtengeknubbels sehr früh geschriebene Monatskolumne "Quergedanken" vorzeitig zu veröffentlichen. Sie passt einfach zu schön.

Quergedanken Nr. 144 "Und plötzlich war da WETTER"
(freier Lesetext, 3380 Anschläge)


11.01.2017

Tipp: Heute (Mi 11.1.) Fernsehabend, und der auch noch verfrüht beginnend.

- Unser pfälzischer Dichterfreund Michael Bauer spielt in der SWR-Sendung "Kaffee und Tee" zwischen 17 und 18 Uhr eine zentrale Rolle, u.a. im Gespräch mit Martin Seidler.

- Um 18.30 Uhr umschalten auf NDR-Fernsehen zur Live-Übertragung vom Eröffnungsfestakt der Elbphilharmonie.
- Auf selbigem Sender ab 20.15 Uhr live das Eröffnungskonzert dieses "ersten architektonisch herausragenden neuen Großbauwerks in Deutschland im 21. Jahrhundert".
- Sofort nach Konzertende umschalten aufs Erste zur Doku "Die Elbphilharmonie - Konzerthaus der Superlative".


10.01.2017

Das aktuelle politische Ringen um die Sicherheitsstruktur Deutschlands vor dem Hintergrund terroristischer Bedrohung wird leider wenig hilfreich belastet durch allerhand bloße Parteilichkeitsreflexe nach der Devise: Was von dieser oder jener Partei kommt, ist per se Mist. Diese ungute, leichtfertige und in der Sache wenig hilfreiche Praxis ist gerade im Hinblick auf die 2017er Wahlen bei Parteipolitikern leider ebenso verbreitet wie in Teilen der Bevölkerung.

Dazu einige Anmerkungen hier
(freier Lesetext)


09.01. 2017

"Lesen ist die wunderbarste Gewohnheit, die es gibt - aber es ist eben auch eine Gewohnheit, die geübt sein will, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Man muss lernen, sich in das Geschriebene zu versenken, allein zu sein mit seinem Buch. Wer aber alle paar Minuten eine neue E-Mail aufruft, Nachrichten oder Bilder empfängt oder verschickt, wird wahrscheinlich nicht zu einem Menschen, der sich ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen kann."

So Felicitas von Lovenberg jetzt im Interview. Die frühere FAZ-Literaturchefin und heutige Leiterin des Piper Verlags ist eine sehr gescheite Frau. Vor etlichen Jahren war ich ihr Sparringspartner bei einem bewusst scharf angelegten Interview für Probeaufnahmen im 3sat-Studio Mainz. Die sympathische Dame fand auch noch die kleinste Unstimmigkeit in meinen Antworten - und am Ende sah ich ziemlich alt aus.


07.01. 2017

Manchmal schießen dem alten Kerl ohne jeden momentanen Anlass seltsame Gedanken durchs Hirn. So heute beim geruhsamen Samstagsfrühstück dieser: Niemand käme auf die Idee, Martin Luther dafür verantwortlich zu machen, dass die Reformation das bis dahin schlimmste Völkergemetzel der Menschheitsgeschichte zur Folge hatte: den Dreißigjährigen Krieg. Dem 1883 gestorbenen Karl Marx hingegen wurden/werden sämtliche unter der Etikettierung "Sozialmus" entstandene Despotien und begangene Gräuel des 20./21. Jahrhunderts in die Schuhe geschoben.

Ergebnis: Kaum jemand befasst sich mehr mit dem, was der Rauschebart aus Trier tatsächlich geschrieben hat. Das ist bedauerlich. Denn wie Luther dereinst das damalige papistische Kirch-und Glaubenssystem radikal analysierte und kritisierte, so Marx das bis heute fortexistierende System des Kapitalismus. Wäre der Anti-Marx-Reflex nicht fest in der Gegenwart verwurzelt, manch einer könnte für sich eine Lektüre - zB das kleine und allgemeinverständliche "Kommunistische Manifest" - wieder oder erstmals entdecken, die bei Verständnis und Bewertung gerade heutiger Entwicklungen im Zuge des globalen Turbokapitalismus recht hilfreich sein kann.


04.01.2017

Ein langjähriger Leser meiner Artikel meinte vorhin am Telefon: "Man muss ihr aktuelles Neujahrsessay im Zusammenhang mit dem Neujahrsessay von 2016 lesen. Das ergibt eine hochinteressante Verbindung zwischen menschlicher Entwicklungsgeschichte und Gegenwart." Stimmt. Weshalb hier auch der Essaytext vom vergangenen Januar nochmal als Lektüre ans Herz gelegt sei.

2016-01-02 Neujahrsessay:
Veränderung ist der historische Normalzustand

(Freier Lesetext, 11500 Anschläge)


03.01.2017

Ein westerwälder Keramikkrug aus dem 17. Jahrhundert. Milchtopf, Wasserkrug, Weinbembel oder zu welchem Verwendungszweck auch immer er dereinst auf dem Küchenbord stand. Jedenfalls wurde er vor mehr als drei Jahrhunderten plötzlich zweckentfremdet - und kam gerade deshalb in Koblenz-Ehrenbreitstein, randvoll mit Münzenbefüllt, überraschend erst auf die Nachwelt des 20. Jahrhunderts und jetzt in Forscher- und Bewahrerhände der Gegenwart. Behältnis und Inhalt haben eine interessante Geschichte über einen kurtrierischen Steuereintreiber anno 1688 in Ehrenbreitstein zu erzählen.

> Ganzen Artikel lesen hier
(freier Lesetext, 5400 Anschläge)


02.01.2017

Seit anno 2000 füllt alljährlich am ersten Werktag des neuen Jahres mein Neujahrsessay die ganze Kulturseite der Rhein-Zeitung. Heuer steht es unter der Überschrift "Wenn Angst die Seele auffrist" und befasst sich mit vermeintlichen, tatsächlichen, provozierten, herangezüchteten, geschürten, übersteigerten Ängsten, die unsere Gesellschaft derzeit umtreiben: a) Angst vor Terror, vor Überfremdung, vor den Folgen der Globalisierung; b) vor nationalem Radikalkonservatismus, vor Deliberalisierung von Politik, Staat und Gesellschaft; c) Angst der jungen, kulturell polyglottten Generation vor einem nationalen und reaktionären Rollback.

>>Neujahrsessay lesen hier
(kostenpflichtiger RZ-Text, 11500 Anschläge, 49 Cent)


01.01.2017

Alle gut rübergekommen? Keinen Finger weg-, kein Hirn vollends abgeschossen? Mein Silvesterhöhepunkt: Wohnzimmerschwof mit The Rolling Stones in Havanna. Meine Vorsätze für 2017:

1.) Gelassener, freudvoller, liebestoller, etwas vernünftiger und ein bisschen unvernünftiger werden - mag die Menschenwelt auch verrückt spielen. Denn die Welt dreht sich weiter, mit oder ohne durchgeknallte Zeitgenossen.

2.) Vom Zeitgeist nicht treiben oder verführen lassen, die eigenen Grundüberzeugungen aufzugeben. Die da wären:

- Die Würde des Menschen ist unantastbar und gerade wegen der wunderbaren Unterschiedlichkeit aller Menschen war und bleibt es richtig, gleiches Recht und gleiche Achtung für alle erstreiten zu wollen.

- Es war und bleibt richtig, dass die Starken den Schwachen helfen, diejenigen ohne Not denen, die in Not geraten sind - egal woher sie stammen, wie sie aussehen, sprechen, essen, singen, beten.

- Es war und bleibt richtig, Frauen und Männer beruflich, politisch, privat in gleiche Rechte und Pflichten setzen zu wollen. Es war und bleibt richtig, Lesben und Schwule mit Heteros gleichstellen zu wollen.

- Es war und bleibt richtig die Prügelstrafe für Kinder zu verbieten und die Zuchtpädagogik durch eine Pädagogik des Verstehens und Förderns zu ersetzen (so mangelhaft die im einzelnen sein mag). Ebenso war und bleibt es richtig, dem Recht auf Bildung für alle das Wort zu reden.

- Es war und bleibt richtig, den Nationalismus überwinden zu wollen und ein vereintes Europa freier Völker und kultureller Vielfalt anzustreben. Wie es zugleich richtig war und bleibt, dieses Europa weder einem abgehobenen Politapparat noch den Konzernen und Banken zu überlassen.

- Es war und bleibt richtig, den Kapitalismus nicht für der menschlichen Weisheit letzten Schluss zu halten. Wie auch richtig war und bleibt, dem neoliberalen Turbokapitalismus strenge Grenzen setzen zu wollen.

- Es bleibt richtig, das islamistisch-terroristische sowie das neonazistisch-terroristische Barbarentum mit allen Mitteln bekämpfen zu wollen - ohne deshalb die eigene Freiheit und die Humanität der Gesellschaft dranzugeben.

- Es war und bleibt richtig, jeder Pauschalverurteilung von Ethnien, Volksgruppen, Bevölkerungsteilen, Sozialschichten, Kulturen, Religionen die Stirn zu bieten.

- Es war und bleibt richtig, unablässig für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Schutz der globalen Ökosphäre als wichtigste Zukunftsfragen der Menschheit zu streiten.

Mag das komplexe Gewebe der Realität auch in tausenderlei Einzelfällen schwierige Fragen aufwerfen und besondere Erwägungen erforden: An diesen Grundhaltungen kann, soll, will ich mich nicht irre machen lassen.


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